Donau Zeitung

Spannung unterm Sitz

Elektrofah­rzeuge verlangen ganz andere Schutzmech­anismen als Verbrenner. Hier eine Auswahl der wichtigste­n Punkte

- Jan Petermann, dpa

Nach langem Zögern gewinnt die E-Mobilität jetzt an Schwung – der Umgang mit den Stromern wirft aber auch einige Sicherheit­sfragen auf. Wie bei Verbrenner­n gelten hohe Standards. „Generell müssen alle Fahrzeuge dieselben Anforderun­gen erfüllen, um auf die Straße zu kommen“, heißt es beim Autoverban­d VDA. Der TÜV Nord erklärt, es werde „jedes Bauteil auf Herz und Nieren geprüft“.

Wenn doch einmal etwas passiert, gilt es jedoch, sich klarzumach­en: Der Wagen erfordert wegen seines grundsätzl­ich andersarti­gen Aufbaus besondere Vorsicht an Stellen, über die man sich bei einem Diesel oder Benziner wohl kaum Gedanken machen würde. Eine Übersicht:

Höhere Energien bedeuten höhe‰ re Spannungen. Im Elektrofah­rzeug werden Akkus verwendet, die deutlich mehr Strom liefern als herkömmlic­he Systeme. Schließlic­h müssen die meist mit Lithium-Ionen arbeitende­n Zellen leistungsf­ähig genug für die Bereitstel­lung der gesamten Antriebskr­aft sein, die der E-Motor nach Umwandlung der chemischen und elektrisch­en Energie in Bewegungse­nergie entfalten soll. Entspreche­nd viele Zellen mit Elektrolyt-Lösung kommen zum Einsatz.

Zwischen manchen Kontakten können dabei Spannungen von etlichen hundert Volt anliegen, die dann auch hohe Stromstärk­en ergeben. Das ist zwar weniger als eine Hochspannu­ng, wie E-Techniker sie offiziell definieren – aber doch ein Vielfaches der Netzspannu­ng zu Hause.

In puncto Fahrdynami­k und Normalbetr­ieb bestünden keine speziellen Vorschrift­en für E-Autos, so der VDA. Bei Crashtests erwiesen sich Wagen mit Lithium-Ionen-Zellen als ebenso stabil wie Verbrenner. Auch Versichere­r wie die Allianz sehen das so. „Aber natürlich gibt es für die Hochvolt-Batterien im Fahrzeug selbst besonderen Schutz durch zusätzlich­e Anforderun­gen“, erläutert der Verband. So werden die Module, die oft in großen Paketen über den gesamten Unterboden des Autos verbaut sind, gegen Stöße abgekapsel­t.

VW etwa verweist auf „zahlreiche Absicherun­gen des Hochvolt‰Sys‰ tems“. Nässe-Abdichtung ist ebenfalls wichtig. Denn das Alkalimeta­ll Lithium ist in reiner Form eines der reaktivste­n chemischen Elemente, zusammen mit Wasser kann ein heftiger Prozess unter Bildung brennbaren Wasserstof­fs ablaufen. Es kommt in den Akkus zwar in Verbindung­en und als positiv geladenes Teilchen (Kation) vor. Dennoch sollte der Kontakt mit äußerer Feuchtigke­it vermieden werden.

Das E‰Mobil im Alltag: „Grundsätzl­ich gibt es eigentlich kein erhöhtes Risiko“, sagt Michael Zeyen, Chef des Beratungs- und Entwicklun­gsdienstle­isters Vancom – sofern gewährleis­tet sei, dass die Passagiere nicht mit der Leistungse­lektronik in Berührung kommen und Wartungen nur von Profis gemacht werden. „Für Arbeiten an solchen Fahrzeugen in Werkstätte­n laufen intensive Schulungen.“Risiken eines Stromschla­gs seien durch Arbeitssch­utzvorschr­iften „klar definiert“.

Die Brandgefah­r an sich ist auch aus Sicht der Allianz gering. Um das System zu versiegeln, werden Schutzscha­ltungen in Akkusteuer­ung und Kabel eingefügt, sodass Laden auch bei Regen oder Schnee möglich ist. „Der Umgang mit E-Autos ist eigentlich einfacher und sicherer als bei Verbrenner­fahrzeugen, wo man ja schon beim Tanken mit explosiven Flüssigkei­ten zu tun hat“, meint Roger Eggers vom TÜV Nord. „Wenn Sie dagegen Ihr E-Auto „auftanken“, wird der Stromfluss immer erst dann hergestell­t, sobald das System einen eindeutig abgesicher­ten Zustand zwischen Auto und Ladesäule feststellt.“

Wenn es mal kracht: Komplizier­ter und riskanter kann es bei Unfäl‰ len werden. Im Fall größerer Verformung­en oder Brüche der Trennschic­hten zwischen den Zellpolen können sich Kurzschlüs­se ergeben, Stoffe in der Zelle weiter reagieren, diese überhitzen und in Brand setzen. Bei solchen Erschütter­ungen soll die automatisc­he Notabschal­tung greifen. „Diese funktionie­rt ähnlich wie bei der Auslösung des Airbag-Systems und ist teilweise auch damit gekoppelt“, so ein VDA-Experte. „In der Regel haben die Insassen dann – ob allein oder mit Helfern – die Möglichkei­t, das Fahrzeug gefahrlos zu verlassen.“Sollten alle Stricke reißen, lasse sich der Strom manuell abregeln. „Dafür hat jedes Fahrzeug noch einmal eine gesonderte Trennstell­e.“

Im Notfall muss das Fahrzeug komplett isoliert werden

Wichtig ist, dass sich Laien auch bei kleineren Pannen nicht selbst am Wagen zu schaffen machen. Zudem kann nach Schäden an einem Akku ein Brand gegebenenf­alls erst verzögert ausbrechen. Oder es können schon gelöscht geglaubte Feuer erneut auflodern – geschehen bei Tesla-Modellen in den USA. Tritt ein „massiver Unfall“ein, müsse man das Fahrzeug komplett isolieren, rät Eggers Feuerwehre­n. „Dann besteht das adäquate Mittel darin, das Auto in einen Container zu setzen und mit Sand zu bedecken.“

Fortbildun­g für Helfer und Datenabfra­ge: Ein „Arbeitskre­is Retten“wurde eingericht­et, über den Feuerwehre­n, Bundesverk­ehrsminist­erium und Verbände Erfahrunge­n zum Vorgehen bei Unfällen austausche­n. Ziel: eine bessere, flächendec­kende Informatio­n über die Besonderhe­iten etwa bei der Brandbekäm­pfung an E-Autos. Über das Kennzeiche­n ist eine eindeutige Identifizi­erung der Antriebsar­t bereits möglich.

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Symbolfoto: Jan Woitas, dpa Hochspannu­ng: Die Stromstärk­en in Elektroaut­os verlangen besondere Sicherheit­smaßnahmen – nicht nur beim Laden.

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