Donau Zeitung

„Endlich mehr Zeit für die Familie“

Fast zwei Jahrzehnte war Andreas Seiler im Zusamtal als Spielertra­iner unterwegs. Auch durch Corona hat bei ihm die Lust auf ein weiteres Engagement nachgelass­en – jetzt hört er auf. Wie der 45-Jährige ohne „Nebeneinkü­nfte“seine Zukunft gestalten möchte

- VON GÜNTHER HERDIN

In vier Monaten wird er 46 Jahre alt. Von Kindesbein­en an hat Andreas Seiler, den viele einfach nur „Andi“nennen, viel Zeit auf den Fußballplä­tzen verbracht. Fast zwei Jahrzehnte lang war er dabei als Spielertra­iner bei Vereinen im Zusamtal tätig. Doch jetzt hat der gelernte Schlosser und Metallbaue­r genug vom Coachen, Organisier­en und all den anderen Dingen, welche sein lange Zeit so geliebtes Hobby teilweise in Stress ausarten ließen. Vor allem durch Corona ist der verheirate­te Vater eines fünfjährig­en Sohnes zur Einsicht gekommen, dass ein Leben nach der Arbeit auch ohne Fußball nicht langweilig sein kann.

„Endlich habe ich mehr Zeit für die Familie“, freut sich Seiler, der in Wertingen wohnt und an den Wochenende­n nun viel Gemeinsame­s mit Ehefrau Anke und dem an Autismus erkrankten Sohnemann Jona unternehme­n möchte. Seien es Ausflüge mit dem Fahrrad durch die Region, Fahrten zu Wanderunge­n in den Bergen oder einfach nur in nahe gelegene Orte, um gemeinsam ein Eis zu Essen oder in einem Biergärten Brotzeit zu machen. Auch mehr Verwandten­besuche könnte es geben. Dass Corona bald kein Hindernis mehr für solche Dinge ist, das hofft Seiler sehr: „Irgendwann wird der ganze Spuk hoffentlic­h vorbei sein“, kann es der 45-Jährige kaum noch erwarten, bis viele durch die Pandemie bedingten Einschränk­ungen aufgehoben werden.

Ohne Corona, sinniert Seiler, würde er womöglich auch die nächste Saison als Trainer beim SV Wortelstet­ten – seinem derzeitige­n Verein als Coach seit 2018 – wieder jedes Wochenende auf dem Sportplatz stehen. Die Pandemie mit einem zweimalige­n Saisonabbr­uch habe ihm als leidenscha­ftlichem Fußballer zunächst schon zu schaffen gemacht. „Wenn du es gewohnt warst, unter der Woche zweimal auf dem Trainingsp­latz zu stehen und am Sonntag ein Spiel zu bestreiten, dann fehlt dir nach so vielen Jahren schon etwas“, blickt Seiler auf den Beginn der Krise zurück. Doch je länger diese andauerte und er sein Freizeitve­rhalten zwangsläuf­ig veränderte, desto mehr konnte er sich mit dem Gedanken anfreunden, sein Hobby aufzugeben.

Andi Seiler befürchtet, dass er nicht der Einzige ist, der sich so entschiede­n hat. Einige andere Kicker werden sich nach so einer langen Pause ebenfalls nicht mehr überwinden können, die Fußballsti­efel bei einem Neubeginn zu schnüren. Vor allem diejenigen, die 30 Jahre und älter sind, „und solche, die an Gewicht zugelegt haben, schmunzelt Seiler. Er denkt da insbesonde­re an Spieler aus den Reserveman­nschaften. Da habe gar mancher zehn Kilogramm und mehr auf die Rippen bekommen, so seine Beobachtun­gen.

Auch er selbst habe im vergangene­n Jahr gewichtsmä­ßig gewaltig zugelegt. An die zehn Kilo seien es mindestens gewesen. Deswegen ist Seiler im vergangene­n Februar auf die Idee gekommen, zwei Monate lang ein Intervallf­asten einzulegen. Er habe durchgehal­ten und dabei neun Kilogramm abgespeckt. Doch drei bis vier Kilo seien in den vergangene­n Wochen bereits wieder dazugekomm­en, gesteht Seiler etwas nachdenkli­ch.

Als er noch Woche für Woche auf dem Fußballpla­tz stand, war dies freilich anders: Da musste er sich selten Gedanken um sein Gewicht machen. Jetzt, da gemeinsame­s Spiel und Training nicht mehr möglich sind, würden sich viele Kicker mit privaten Laufeinhei­ten fit halten. Doch das sei nicht unbedingt sein persönlich­es Ding, verrät der Wertinger, der aber froh ist, dass etliche seiner Spieler in den vergangene­n Monaten zahlreiche Kilometer zurückgele­gt hätten.

Auf die Frage, wie er ohne die Aufwandsen­tschädigun­gen, die er in all den Jahren als Übungsleit­er bei den Vereinen erhalten habe, künftig zurechtkom­me, antwortet Seiler ehrlich: „Natürlich fehlt dieses Geld für die Urlaubskas­se.“In seinem Beruf als Schlosser und Metallbaue­r seien die Einkünfte überschaub­ar. „Andere aus meiner Branche gehen in ihrer Freizeit nebenbei zum Schweißen, ich stand als Trainer auf dem Fußballpla­tz, ist Seiler dankbar, dass er mit der Ausübung seines Hobbys etwas dazuverdie­nen konnte.

Angefangen hat die Trainerlau­fbahn des Zusamtaler­s im Jahr 2003 bei seinem Heimatvere­in TSV Unterthürh­eim. Dort schaffte der ehemalige Bezirkslig­aspieler des TSV Wertingen gleich im ersten Jahr seiner Tätigkeit den Aufstieg von der Kreisklass­e in die Kreisliga Nord. „Wir hatten eine bockstarke Mannschaft“, erinnert sich Seiler. Denn neben ihm als Spielertra­iner standen mit Johannes Petrasch – er kam von der SSV Dillingen – sowie mit Johannes Putz und Fabian Knötzinger Akteure auf dem Platz, die zuvor oder dann später höherklass­ig unterwegs waren. Am Ende wurden die Unterthürh­eimer als Neuling starker Vierter. Seiler ging nach vier Jahren als Spieler zurück zum TSV Wertingen und lehrte dort den Gegnern in der Bezirkslig­a mit seiner „linken Klebe“das Fürchten. Doch schon ein Jahr später landete er wieder als spielender Coach in Unterthürh­eim und erlebte dort mit dem Verein weitere Höhen und Tiefen. Vor allem ein schlimmer Betriebsun­fall mit Trümmerbru­ch im rechten Fuß setzte ihn für Monate außer Gefecht. 2013 wechselte Seiler als Spielertra­iner zum VfL Zusamalthe­im in die A-Klasse West III. Eine Zeit, die er ebenfalls nicht missen möchte. Doch als ihm der damalige Abteilungs­leiter Jochen Manzenried­er im dritten Jahr seines Wirkens nach wenigen Spieltagen den Laufpass gab, war Seiler gekränkt. In seiner Zusamalthe­imer Zeit war er besonders gestresst, da er nach Spielschlu­ss stets die Uhr im Nacken sitzen hatte. In Ingolstadt wartete an den Sonntagen seine damalige Freundin und jetzige Frau auf ihren Liebsten, beim VfL hätten es sich Spieler und Verantwort­liche gewünscht, dass er sich nach dem Spiel Zeit nimmt, um im Sportheim noch ein paar Bierchen zu trinken. Mit solchen Problemen hat er künftig nicht mehr zu kämpfen.

Sportlich lief es für Seiler beim TSV Zusamzell (2015 bis 2018) am schlechtes­ten. Der Trainingsb­esuch ließ oft zu wünschen übrig. Mit Richard „Blacky“Dietrich habe er in „Zell“aber einen Betreuer kennengele­rnt, der ein ganz „ besonderer Freund“geworden sei. Ihn möchte er auch in Zukunft zwischendu­rch treffen. Vielleicht bei einem Spiel der „Zeller“, denn ganz ohne Fußball geht es bei Seiler natürlich nicht. Wenn es die Zeit erlaubt, werde er sich in der Region gelegentli­ch schon noch Spiele anschauen. Fußballeri­sch fit halten möchte sich Seiler künftig bei den Alten Herren des TSV Wertingen. Denn ganz kann es der „Noch“-Coach des SV Wortelstet­ten natürlich nicht lassen.

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 ?? Fotos: Karin Tautz/Claudia Fech ?? Viele Jahre lange coachte Andreas Seiler als Spielertra­iner – im Bild unten den SV Wortelstet­ten – Fußballman­nschaften aus dem Zusamtal. Jetzt hört er auf, worüber Ehefrau Anke und Sohnemann Jona nicht unglücklic­h sind. Das Bild oben zeigt die Fa‰ milie bei einer Wanderung.
Fotos: Karin Tautz/Claudia Fech Viele Jahre lange coachte Andreas Seiler als Spielertra­iner – im Bild unten den SV Wortelstet­ten – Fußballman­nschaften aus dem Zusamtal. Jetzt hört er auf, worüber Ehefrau Anke und Sohnemann Jona nicht unglücklic­h sind. Das Bild oben zeigt die Fa‰ milie bei einer Wanderung.

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