Donau Zeitung

Bekommt man jetzt schneller einen Impftermin?

In Bayern entfällt kommende Woche die festgelegt­e Impfreihen­folge in Arztpraxen. Doch Ärzte bremsen die Euphorie

- VON MATTHIAS STOCKINGER

Augsburg Bayern will die Priorisier­ung für alle Corona-Impfstoffe bei Hausärzten in der kommenden Woche aufheben. Wir haben von Experten Antworten auf die wichtigste­n Fragen eingeholt.

Was ändert sich genau?

Bislang war die Impfpriori­sierung nur für die Impfstoffe von AstraZenec­a und Johnson & Johnson aufgehoben. Ab kommender Woche soll dies bei Hausärzten für alle in Deutschlan­d zugelassen­en Impfstoffe gelten. Dann kann theoretisc­h jeder auch mit den Wirkstoffe­n von Moderna und Biontech geimpft werden. „Die Ärzte kennen ihre Patienten und können am besten einschätze­n, wer die Corona-Schutzimpf­ung am dringendst­en braucht“, sagte Gesundheit­sminister Klaus Holetschek.

In den Impfzentre­n bleibt es vorerst bei der Priorisier­ung.

Bleiben bislang nicht geimpfte Risikogrup­pen jetzt auf der Strecke?

Einer raschen Aufhebung der Impfpriori­sierung skeptisch gegenüber steht die Deutsche Gesellscha­ft für Immunologi­e. „Wenn wir jetzt zu schnell freigeben, schützen wir nicht gut und früh genug die Menschen, die den Schutz am nötigsten haben“, sagte ihr Generalsek­retär, der Immunologe Carsten Watzl, unserer Redaktion kurz vor Bekanntwer­den von Söders Plänen. „Wir haben noch sehr viele Menschen in der Prioritäts­gruppe drei, die noch nicht geimpft sind“, betonte Watzl. Die Deutsche Stiftung Patientens­chutz erwartet weitere Spannungen durch die Änderung. Solange es nicht genügend Impfstoff gebe, setze die Politik mit einer solchen Entscheidu­ng einen „Spaltpilz“in die Gesellscha­ft, so Vorstand Eugen Brysch. „Gut“findet die Entscheidu­ng hingegen Gregor Blumtritt. Er ist selbst Hausarzt und leitet die Impfzentre­n in Marktoberd­orf und Kaufbeuren. Durch die Hinzunahme vieler Berufsgrup­pen und zweifelhaf­t nachweisba­rer Kontaktper­sonen sei die Priorisier­ung „ohnehin schon sehr, sehr löchrig“.

Geht es mit den Impfungen jetzt schneller voran?

Einhellige Meinung der Experten: Nein. Denn das langsame Vorankomme­n liege nicht an der Bürokratie, sondern immer noch an Impfstoff-Knappheit. „Wir haben dadurch keine einzige Dose mehr an Impfstoff zu Verfügung“, sagt auch Gesundheit­sminister Holetschek. Bei den Erstimpfun­gen könnte es sogar bald etwas langsamer vorangehen, befürchtet Jakob Berger, der schwäbisch­e Bezirksvor­sitzende im Bayerische­n Hausärztev­erband. Denn in spätestens zwei Wochen stünden zunehmend mehr Zweitimpfu­ngen an, bedingt durch das erhöhte Impftempo seit Anfang April.

In welcher Reihenfolg­e vergeben die Hausärzte jetzt Impftermin­e?

Wenn alle berechtigt sind, der Impfstoff aber weiter knapp ist, braucht es Kriterien, nach denen die Hausärzte die Impftermin­e in den kommenden Wochen vergeben. „Wir kennen unsere Patienten“, sagt Gregor Blumtritt. Man schaue daher weiter in den Warteliste­n, wer eine Impfung am dringendst­en benötige.

Ich war nicht priorisier­t, wann bekomme ich jetzt einen Impftermin?

Das will keiner der Experten sagen. Klar ist: Es wird noch einige Wochen dauern, bis jeder ein erstes Impfangebo­t erhält. Man könne nicht sagen, wann wie viel Impfstoff kommt, erklärt Hausarzt Blumtritt. Zudem stehen auf den Warteliste­n der Praxen noch immer viele Menschen mit Vorerkrank­ungen oder Ältere. Faktisch dürften diese Patienten von den meisten Hausärzten weiterhin vorrangig geimpft werden. Jakob Berger verweist auf eine „ethische Verpflicht­ung“.

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Foto: dpa Hausärzte dürfen jetzt alle Impfstoffe ohne Priorisier­ung nutzen.

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