Letzter GoldfingerProzess: Söder soll als Zeuge ran
Verteidiger werfen Ermittlern Rechtsbeugung vor und nehmen bayerische Finanzbehörden ins Visier. Eskaliert das Verfahren wieder?
Augsburg Der Fall war tief. Von einem Tag auf den anderen wurde David Binder* Anfang 2018 vom erfolgreichen Anwalt für Unternehmensverkäufe zum mutmaßlichen Verbrecher. Die Augsburger Staatsanwaltschaft verdächtigte ihn der schweren Steuerhinterziehung mittels des sogenannten GoldfingerModells. Sie ließ ihn sogar für vier Monate in Untersuchungshaft stecken. Seine renommierte Kanzlei in München musste er auflösen. Erst jetzt, mehr als drei Jahre später, kann er um seine Rehabilitation kämpfen. Am Mittwoch hat in Augsburg der Prozess gegen ihn begonnen. Binder sagt: „Es ist eine Traumatherapie für mich.“
Binder ist der letzte Angeklagte in diesem ominösen Goldfinger-Komplex, der vor Jahren mit viel Getöse als angebliche Steuerhinterziehungsaffäre in Milliardenhöhe startete und jetzt für die Staatsanwaltschaft zum kompletten Desaster gerät. Dieser zweite und damit letzte Prozess steht unter seltsamen Vorzeichen. Denn nachdem das Pilotverfahren gegen zwei Münchner Anwälte und Steuerberater Anfang des Jahres für die Anklage so krachend schiefgegangen ist, gibt es im Finale wohl nur ein denkbares Ergebnis: Freispruch.
Das ist es, was David Binder erreichen will. Er sieht sich völlig zu Unrecht als Steuerhinterzieher angeklagt und sagt, er habe lediglich in das Steuermodell investiert, aber nichts mit der Gestaltung zu tun gehabt. Binder hat daher nicht nur einer Einstellung des Verfahrens widersprochen, sondern offensichtlich seinen Verteidigern gesagt, dass sie zum Abschluss noch einmal ordentlich auf den Putz hauen sollen. Das tun sie mit einem Generalangriff auf die Staatsanwaltschaft und bayerische Finanzbehörden.
Die Augsburger Ermittler hätten im Goldfinger-Verfahren „komplett den Boden der Rechtsstaatlichkeit verlassen“, wettert Anwalt Richard Beyer, der bereits im ersten Prozess den Staatsanwälten das Leben schwergemacht hatte. Der zweite Verteidiger ist einer der beiden Männer, die bis vor kurzem selbst wegen angeblicher Steuerhinterziehung auf der Anklagebank saßen. Der 49-Jährige will seinen Namen nicht öffentlich machen, um seine Familie zu schützen. Er weiß aus eigener Erfahrung, was es bedeutet, plötzlich aus dem Leben als erfolgreicher Anwalt gerissen und in U-Haft gesteckt zu werden.
Die Verteidiger verpacken ihre Frontalattacke in vier Beweisanträge, mithilfe derer sie aus ihrer Sicht skandalöse Umstände in den Ermittlungen aufdecken wollen. Der brisanteste Vorwurf ist, dass den bayerischen Finanzbehörden schon 2017, also vor der Verhaftung von sieben Münchner Anwälten und Steuerberatern, bekannt gewesen sei, dass das Goldfinger-Modell ordnungsgemäß und legal war. Das Landesamt für Steuern habe gewusst, dass es Betriebsstätten in Großbritannien für den Goldhandel tatsächlich gegeben habe und dass diese operativ tätig gewesen seien. Später waren die Hauptvorwürfe der Staatsanwaltschaft, dass es sich nur um Scheingeschäfte und Scheinbetriebsstätten gehandelt habe.
Die Verteidiger glauben belegen zu können, dass das Landesamt für Steuern und das bayerische Finanzministerium diese Erkenntnisse bewusst verheimlicht haben. Ansonsten, so die Argumentation, hätte es nie zu Strafverfahren und Verhaftungen kommen dürfen. Zumal im Jahr 2017 der Bundesfinanzhof in München die Goldfinger-Steuergestaltung anhand von zwei Fällen als rechtmäßig anerkannt hatte.
Der Verdacht der Verteidigung ist nunmehr, dass das GoldfingerStrafverfahren politisch gewollt war. Und sie wollen daher wissen, ob es eine entsprechende Anweisung „von oben“gegeben habe. Bei einem damals schon in Rede stehenden Steuervolumen von mehr als einer halben Milliarde Euro halten es die Anwälte für realitätsfremd, dass die Verantwortlichen nicht Bescheid gewusst haben. Sie wollen deshalb den damaligen Finanzminister und heutigen Ministerpräsidenten Markus Söder ebenso als Zeugen laden lassen wie den heutigen Finanzminister und damaligen Finanzstaatssekretär Albert Füracker.
Die andere Attacke richtet sich direkt gegen die Augsburger Staatsanwaltschaft und vor allem gegen eine frühere leitende Ermittlerin. Dieser werfen die Verteidiger Freiheitsberaubung und Rechtsbeugung vor. So soll einer der Goldfinger-Investoren in seiner Vernehmung ausdrücklich darauf hingewiesen haben, dass David Binder nichts mit den Goldfinger-Strukturen zu tun gehabt habe. Er wollte das auch so ins Protokoll schreiben lassen, doch das habe die Staatsanwältin mit der Bemerkung verweigert, was in der Zeugenvernehmung stehe, bestimme sie. Der Anwalt des Investors soll dies bezeugen. Verteidiger Beyer hält den Vorwurf für gravierend. „Eigentlich müsste die Staatsanwaltschaft sofort gegen die frühere Kollegin von Amts wegen ermitteln, meint er. Doch der Staatsanwalt im Prozess blieb eine Antwort auf die Frage schuldig, ob dies geschehe.
Wenn die 10. Strafkammer des Landgerichts Augsburg den Beweisanträgen der Verteidiger stattgibt, dann dauert der letzte GoldfingerProzess noch lange. Es spricht aber viel dafür, dass das Gericht einen Freispruch signalisiert und das Kapitel bereits kommende Woche abschließen will. *Namen geändert