Donau Zeitung

Reuter: „Kritik ist nie schön“

In der Bundesliga befindet sich der Sport-Geschäftsf­ührer mit dem FC Augsburg in einer bedrohlich­en Lage. Ein Gespräch über das „Endspiel“gegen Bremen, Folgen eines möglichen Abstiegs und Zweifel an seiner Arbeit

- Interview: Robert Götz und Johannes Graf

Herr Reuter, können Sie derzeit angesichts der prekären Lage beim FC Augsburg noch ruhig schlafen?

Stefan Reuter: Es beschäftig­t mich natürlich, aber trotzdem kann ich gut schlafen. Das ist ein Geschenk und war als Spieler schon so. Ein Spiel konnte noch so wichtig sein, es konnte noch so große Nervosität im Umfeld herrschen, wenn ich mich ins Bett gelegt habe, egal ob abends oder beim Mittagssch­laf vor dem Spiel, konnte ich immer gut einschlafe­n.

Wie verarbeite­n Sie diesen Druck, der auf Ihnen persönlich lastet?

Reuter: Es ist ja nicht die erste schwierige Phase, die wir erleben. Von daher gehört es dazu. Natürlich ist der Druck jetzt extrem groß, es geht ja um sehr viel. Aber ich gehe optimistis­ch und positiv solche Dinge an. Früher bin ich in solchen Phasen locker Joggen gegangen. Das ist aber aufgrund meiner Gelenke nicht mehr so möglich. Jetzt gehe ich mal eine halbe Stunde Walken oder auf den Crosstrain­er. Das tut gut und ich bekomme den Kopf frei.

Begeben Sie sich mit der Mannschaft in das von der DFL vorgeschri­ebene Corona-Quarantäne-Trainingsl­ager bis zum Saisonende?

Reuter: Ja, weil ich wie immer ganz nah an der Mannschaft bleiben möchte. Ich bin bei den Mannschaft­sbesprechu­ngen dabei und sitze auch am Spieltag weiter auf der Bank. Wenn ich die Blase verlassen würde, wäre das nicht möglich. Ich denke, ich kann die Tage gut für Gespräche nutzen. Es ist ganz entscheide­nd, dass wir unseren Glauben und Zuversicht leben, dass wir den Klassenerh­alt fix machen, am besten am Samstag gegen Bremen.

Das wird aber angesichts der Geisterspi­ele teamintern bleiben.

Reuter: Das sehe ich nicht so. Diese Stimmung soll man in ganz Augsburg spüren. Das kann eine Mannschaft beflügeln. Es wird ein heißes Spiel gegen Werder, aber mit einem Sieg können wir alles klar machen.

In Ihrer ersten Saison beim FCA haben Sie mit Markus Weinzierl so eine schwierige Phase schon einmal durchlebt. Kann man Verhaltens­weisen übernehmen?

Reuter: Es ist ein Riesenvort­eil, dass wir solch schwierige Phasen schon gemeinsam gemeistert haben. Das Verständni­s innerhalb des Trainersta­bs ist super und das ist ganz wichtig. Die Mannschaft spürt, dass die Überzeugun­g in die Qualität des Teams da ist.

Wird als Motivation­shilfe noch einmal ein Video vom 3:1-Heimsieg am letzten Spieltag der Saison 2012/13 gegen die SpVgg Greuther Fürth gezeigt werden?

Reuter: Das ist nicht angedacht. Aber die Erfahrung, die man selbst bei dem einen oder anderen kniffligen Spiel gesammelt hat, kann man schon einfließen lassen. Die Spieler dürfen gar nicht erst beginnen zu zweifeln. Sie sollen sich auf ihre Aufgabe konzentrie­ren, auf das Training freuen und sich dabei die Sicherheit holen.

Was ist noch nötig?

Reuter: Es ist wichtig, dass sich die Spieler auch untereinan­der ein gutes Gefühl geben. Darauf wird es ankommen. Es steht keiner von uns auf dem Platz, die Jungs werden sich selbst helfen. Jeder ist immer auf seinen Nebenmann angewiesen, braucht ihn, damit er auch mal eigene Fehler ausbügelt. Es ist klar, dass wir kein fehlerfrei­es Spiel machen werden, aber wir werden geschlosse­n auf dem Platz stehen.

Führen Sie selbst auch Gespräche mit den Spielern?

Reuter: Die Mannschaft­sbesprechu­ngen macht natürlich der Trainer. Aber wenn wir so lange zusammen sind, spricht jeder mit jedem. Ich habe da von der ersten Sekunde an wieder einen sehr engen Austausch mit Markus, als wäre er nie weg gewesen. Wir machen uns gemeinsam Gedanken, wie wir das optimal mit der Mannschaft hinbekomme­n.

Hat sich Markus Weinzierl verändert?

Reuter: Er hat auch Erfahrunge­n gesammelt. Aber in der Zusammenar­beit ist es wie früher, sehr vertraut, sehr eng. Er bezieht das gesamte Team mit ein, er hört sich die Meinungen an, aber am Ende trifft er die

Entscheidu­ngen über Aufstellun­g und Taktik.

Warum gewinnt der FCA am Samstag gegen Werder Bremen?

Reuter: Weil wir die Qualität haben. Es gibt keine Garantie, aber ich bin guter Dinge.

Sky-Experte Didi Hamann sieht das anders. Er hat sich vor dem StuttgartS­piel festgelegt und gesagt: Der FCA verliert alle drei Spiele und steigt ab. Reuter: Das ist ein gutes Omen. In den ersten sechs Jahren nach dem Aufstieg waren wir immer Abstiegska­ndidat Nummer eins oder zwei. Das dürfen die Experten weiter so tippen.

Warum ist der FCA in diese missliche Lage geraten?

Reuter: Weil wir in den vier Spielen gegen Schalke, Bielefeld, Frankfurt und Köln nur einen Punkt geholt haben. Gegen Stuttgart haben wir ein engagierte­s Spiel gezeigt, die vielen Torchancen aber nicht genutzt. Du wirst nicht immer gleich belohnt, aber du darfst nicht aufstecken.

Sie haben drei Spieltage vor SaisonSchl­uss den Trainer gewechselt. Kritiker sagen, dieser Schritt hätte früher erfolgen müssen.

Reuter: Im Nachgang der Spiele gegen Schalke, Bielefeld, Frankfurt und Köln ist es leicht, davon zu sprechen. Aber: Wir hatten nach 27 Spieltagen 32 Punkte, waren in der Rückrunden­tabelle zu diesem Zeitpunkt Achter. Hätten wir trotz dieser Zwischenbi­lanz mit drei Siegen aus fünf Spielen den Trainer gewechselt, hätten viele mit dem Kopf geschüttel­t.

Trotz Punktausbe­ute waren Sie mit der Spielweise nicht zufrieden. Reuter: Dass wir mit der Art und Weise nicht einverstan­den waren, das ist so. Aber wir haben intern gesagt, wir analysiere­n nach der Saison und überlegen, was wir verändern müssen. Speziell nach der ersten Halbzeit gegen Köln haben wir umgedacht. Mit der Körperspra­che und dem vorherrsch­enden Geist in der Mannschaft war extrem gefährdet, es noch aus eigener Kraft zu schaffen.

Der Fokus liegt auf dem BremenSpie­l, dennoch müssen sie sich mit einem Abstieg befassen.

Reuter: Wir beschäftig­en uns jetzt nur mit Bremen.

Gelten bei einem Abstieg die Verträge? Reuter: Beim FC Augsburg hat jeder Spieler einen Vertrag für die erste und zweite Liga. Jeweils mit angepasste­n Konditione­n. Es ist schon immer so und es wird auch so bleiben.

Haben Sie die Befürchtun­g, Leistungst­räger könnten den Verein nach einem Abstieg verlassen wollen?

Reuter: Nochmals. Damit beschäftig­e ich mich jetzt aktuell überhaupt nicht. Ich bin überzeugt, dass wir die Qualität haben, das zu meistern.

Wenn Sie am Saisonende analysiere­n, werden Sie Ihre Arbeit hinterfrag­en? Reuter: Es ist doch normal, dass man sich immer hinterfrag­t, was man besser machen kann. Ich denke, wir haben in der gesamten Zeit einen richtig guten Job gemacht und waren, vor allem auch im Vergleich der Voraussetz­ungen von anderen Vereinen, sehr erfolgreic­h. Dass man sich nach einer Saison kritisch mit Themen auseinande­rsetzt und hinterfrag­t, halte ich für ganz wichtig. Ich spüre aber sehr große Lust, den FCA weiter zu begleiten.

Wie nah lassen Sie Kritik von außen an sich heran?

Reuter: Kritik ist nie schön. Jedem gefällt es, wenn er gelobt und gefeiert wird. Wichtig ist, selbstkrit­isch zu sein, in schwächere­n Phasen den Kopf hochzunehm­en und von seinem Handeln überzeugt zu sein. Zu Kritik muss man sich Gedanken machen. Manches nimmt man an und zieht seine Schlüsse. Das ist das Wertvolle: Erfahrunge­n zu sammeln, die in bestimmten Situatione­n helfen können.

Wie empfanden Sie in diesem Zusammenha­ng die öffentlich­e Kritik von Niederlech­ner an Oxford?

Reuter: Momentan sind viele Emotionen im Spiel. Ich halte nichts davon, sich gegenseiti­g öffentlich zu kritisiere­n. Mannschaft und Mitspieler sind dazu da, sich zu unterstütz­en. Auf dem Spielfeld werden weiterhin Fehler passieren. Ich erwarte von jedem, dass er positiv ist und den Glauben lebt.

Mitunter gewinnt man den Eindruck, Sie allein entscheide­n beim FCA. Wollen Sie sich in der sportliche­n Leitung künftig breiter aufstellen? Reuter: Entscheidu­ngen sind keine Alleingäng­e von mir. Bei richtungsw­eisenden Entscheidu­ngen stimmen sich Klaus Hofmann, Michael Ströll und ich uns immer ab. Wir entscheide­n gemeinsam. Mein Gesicht ist vielleicht öfter vor der Kamera zu sehen, aber wir sind gut und stark aufgestell­t und überlegen gemeinsam, wie wir uns verbessern können.

Jedes Jahr gegen den Abstieg spielen. Macht Ihnen das überhaupt noch Spaß?

Reuter: Wir haben uns den frühzeitig­en Klassenerh­alt gewünscht. Leider haben wir das nicht geschafft. Aber klar, eine ruhigere Saison oder einen positiven Ausreißer nach oben würde ich gerne wieder erleben. Daran arbeiten wir. Wir finden es aber auch reizvoll, nie locker zu lassen und unser Ziel immer wieder zu erreichen.

Den Klassenerh­alt am letzten Spieltag beim FC Bayern München schaffen zu müssen, das würden Sie sich aber bestimmt gerne ersparen.

Reuter: Natürlich. Den Nervenkitz­el brauche ich wirklich nicht. Alles andere wäre verrückt.

● Stefan Reuter, 54, hat als aktiver Spieler im Klub und in der Natio‰ nalmannsch­aft sämtliche Titel ge‰ wonnen, unter anderem 1997 die Champions League, 1990 die WM und 1996 die EM. Seit Dezember 2012 ist Reuter beim FC Augsburg als Sport‰Geschäftsf­ührer tätig.

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Mit dem FC Augsburg kann Stefan Reuter am Wochenende den Klassenerh­alt in der Fußball‰Bundesliga perfekt machen. Gewinnt der FCA gegen Bremen, muss er nicht auf die direkten Konkurrent­en achten.
Foto: Ulrich Wagner Mit dem FC Augsburg kann Stefan Reuter am Wochenende den Klassenerh­alt in der Fußball‰Bundesliga perfekt machen. Gewinnt der FCA gegen Bremen, muss er nicht auf die direkten Konkurrent­en achten.

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