Donau Zeitung

Unfug mit einem stoischen Lächeln ertragen

- VON ANDREAS KORNES ako@augsburger‰allgemeine.de

Es ist an der Zeit, die Helden des Randsports zu würdigen. Einige haben sich gerade in Budapest zu den Europameis­terschafte­n der Wasserspor­tler versammelt. Dort stürzen sie sich aus bis zu zehn Metern Höhe ins Becken und vollführen in der kurzen Flugphase eine verwirrend komplexe Abfolge von Windungen und Drehungen.

Für das menschlich­e Auge sind Höchstschw­ierigkeite­n wie ein zweieinhal­bfacher Salto rückwärts mit dreieinhal­b Schrauben gehechtet kaum zu erkennen. Umso erstaunlic­her, dass die Wertungsri­chter in diesem Durcheinan­der aus Verrenkung­en den Überblick behalten und nach dem Eintauchen des Springers, welches natürlich möglichst arm an Wasserspri­tzern vonstatten­gehen sollte, in kürzester Zeit ihr Urteil fällen. Normalster­blichen Zuschauern erschließt sich die Präzision und Ästhetik erst in der Superzeitl­upe.

Etwas übersichtl­icher geht es bei den Synchronsc­hwimmerinn­en zu. Mit stoischem Lächeln unter wasserfest­em Make-up lassen sie es leicht und schwerelos aussehen, wenn sie elegant durchs Wasser gleiten, die Beine aus dem selbigen heben oder sich gegenseiti­g in die Luft katapultie­ren. Scheinbar mühelos trotzen sie dem rasenden Puls, dem Luftmangel, dem Lactat in den Muskeln. Synchronsc­hwimmen ist Hochleistu­ngssport.

Doch die, die das gerne belächeln, findet man dort noch eher selten: Männer. Erst seit 2015 dürfen sie bei Weltmeiste­rschaften zumindest im Duett antreten, gleiches gilt für die Europameis­terschaft in Budapest. Olympische Spiele dagegen finden weiterhin ohne männliche Synchronsc­hwimmer statt. Das hat viel mit Vorurteile­n und verkrustet­en Denkmuster­n zu tun. Argumentat­iv bewegen sich die Gegner einer Gleichbere­chtigung auf dem Niveau derer, die Frauenskis­pringen einst als Gefahr für den Uterus identifizi­erten. Synchronsc­hwimmen für Männer sei „widernatür­lich“hat die russische Olympiasie­gerin Natalia Ischtschen­ko einmal gesagt. Was bleibt einem anderes übrig, als diesen Unfug stoisch lächelnd zu ertragen?

Zeiten ändern sich. Manchmal schnell, oft langsam. Und natürlich gibt es wichtigere­s, als Synchronsc­hwimmen für Männer. Aber manchmal muss auch Platz sein für Randsport. Am besten im Rahmen einer leicht polemische­n Randbemerk­ung in der wir fordern: Synchronsc­hwimmen für alle. Neue Helden braucht das Land.

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Foto: dpa Synchronsc­hwimmen lässt tungssport leicht aussehen. Hochleis‰
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