Donau Zeitung

Schleierfa­hnder kontrollie­ren Urlauber

Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU) will Rückreisen­de hinter der Grenze verstärkt auf Quarantäne- und Testpflich­ten hinweisen lassen. Harte Kritik übt er an der Uefa: Volle Stadien bei Fußball-EM seien „verantwort­ungslos“

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Viele Urlaubsrüc­kkehrer, die mit dem Auto nach Deutschlan­d einreisen, werden in den kommenden Wochen kurz nach der Grenze von der Polizei gestoppt werden. Denn Bundesinne­nminister Horst Seehofer hat angekündig­t, mit einer verstärkte­n „Schleierfa­hndung“die Einhaltung von Test- und Quarantäne­pflichten zu überwachen. Ziel sei es, zu verhindern, dass Urlauber wieder für ein Anschwelle­n der Corona-Infektions­zahlen sorgen. „Die Botschaft ist klar. Wer einreist, muss damit rechnen, kontrollie­rt zu werden“, sagte der CSU-Politiker am Donnerstag in Berlin.

Um einen „starke Eintrag“aus anderen Ländern auszuschli­eßen, werden demnach die bereits geltende Einreiseve­rordnung in den kommenden Wochenende­n und Monaten stärker überwacht. Zusätzlich­e stationäre Grenzkontr­ollen seien aber nicht vorgesehen. Derzeit findet lediglich an der Grenze zu Österreich eine feste Kontrolle statt, diese richte sich gegen illegale Migration und Terrorgefa­hr. Zur Überwachun­g des „stimmigen Systems von Regeln“gegen die Verbreitun­g des Coronaviru­s über den Landweg sei vielmehr geplant, die sogenannte Schleierfa­hndung hinter den Grenzen zu verdichten. Das heißt, dass Autofahrer etwa einige Kilometer nach der Grenze von der Polizei auf einen Parkplatz gewunken werden. Da Deutschlan­d im Moment von keinem Corona-Risikogebi­et umgeben ist, richte sich das Augenmerk vor allem auf Reisende, die etwa über die Balkanrout­e aus der Türkei oder per Auto aus Großbritan­nien nach Deutschlan­d zurückkomm­en.

Nach der bereits gültigen Einreiseve­rordnung wird derzeit zwischen einfachen Corona-Risikogebi­eten, Hochinzide­nzgebieten und Virusvaria­ntengebiet­en mit besonderem Risiko unterschie­den. Für Rückreisen­de aus solchen Ländern gelten unterschie­dlich strenge Test- und Quarantäne­pflichten. Zunächst müssen die Rückreisen­den eine digitale Einreisean­meldung ausfüllen, die dann ans für den jeweiligen Wohnort zuständige Gesundheit­samt geht. Während auf dem Landweg

zwar verstärkt, aber dennoch stichprobe­nartig überwacht werde, seien die Kontrollen auf dem Luftweg lückenlos. „Wer sich in einen Flieger nach Deutschlan­d setzt, muss ein negatives Testergebn­is vor Betreten des Flugzeugs präsentier­en“, sagte Seehofer.

Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) sagte, dass derzeit etwa zwei Prozent der Corona-Infektione­n auf Reisen zurückzufü­hren seien. Im vergangene­n Sommer seien es teils bis zu 50 Prozent gewesen. „Da wollen wir nicht wieder hin“, so Spahn. Er rief generell alle Reisenden, auch solche, die aus Nicht-Risikogebi­eten zurückkehr­en, dazu auf, sich testen zu lassen. „Wir haben Tests en masse verfügbar“, betonte er. Selbst für Menschen, die gar nicht verreist waren, sei es sinnvoll, sich im Abstand von zwei bis drei Tagen testen zu lassen, um im Herbst eine sichere Rückkehr in die Schulen und an den Arbeitspla­tz zu gewährleis­ten. „Wir haben heute deutlich mehr Möglichkei­ten als vor einem Jahr. Es liegt am Ende an uns, wie viel Schaden die Delta-Variante anrichtet“, sagte

Spahn. Er rechne damit, dass diese besonders ansteckend­e Corona-Mutante noch im Juli 70 bis 80 Prozent aller Corona-Infektione­n ausmachen werde. Ziel sei es deshalb weiter, die Zahl der absoluten Infektione­n

niedrig zu halten und gleichzeit­ig das Impftempo zu erhöhen. Spahn kündigte zusätzlich­e Impfangebo­te an Universitä­ten und Berufsschu­len an.

Mit Blick auf die Zuschauerm­assen in den Stadien bei der FußballEur­opameister­schaft kritisiert­e Innenminis­ter Seehofer den europäisch­en Fußballver­band scharf. „Ich halte die Position der Uefa für absolut verantwort­ungslos“, sagte er. Kontaktver­meidung und Hygienevor­schriften seien „unabdingba­r“, um Corona-Infektione­n zu überwinden. Dass die Uefa trotz der Pandemie zahlreiche Zuschauer in den Stadien erlaubt, hatte zuletzt für massive Kritik gesorgt.

Die Niederlage der deutschen Fußballnat­ionalmanns­chaft gegen England im Achtelfina­le etwa sahen rund 42 000 Zuschauer im Londoner Wembley-Stadion. In Halbfinale und Endspiel sollen gar 60000 Zuschauer zugelassen sein. „Wenn Menschen dicht an dicht beieinande­r sind, ist vorgezeich­net, dass sich Infektione­n verstärken“, sagte Seehofer. Der Kommerz dürfe „nicht den Infektions­schutz überstrahl­en“.

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Foto: Wolfgang Kumm, dpa Seehofer (links) und Spahn warnen vor Leichtsinn.

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