Donau Zeitung

Italien wartet auf das nächste Beben

Die Fünf Sterne sind die wichtigste Stütze der Regierung. Doch nun kämpfen Ex-Premier Giuseppe Conte und Gründer Beppo Grillo um die Herrschaft in der Protestpar­tei

- VON JULIUS MÜLLER‰MEININGEN

Rom Es ist schwer zu sagen, wer genau Giuseppe Conte ist. Fest steht, der 56-Jährige war zweimal italienisc­her Ministerpr­äsident, als Kandidat der systemkrit­ischen Fünf-Sterne-Bewegung. Von 2018 an stand er einer Regierungs­koalition zusammen mit der rechtsextr­emen Lega vor. Als diese stürzte, schwenkten Conte und die Sterne auf ein MitteLinks-Bündnis um, das im vergangene­n Februar auseinande­rbrach.

Conte, der parteilos blieb und nie Mitglied der Sterne wurde, empfahl dann noch die Unterstütz­ung der nun amtierende­n Vielpartei­en-Regierung von Premier Mario Draghi. „Ich bin da und werde da sein“, versichert­e er den „Grillini“bei seinem Abschied aus dem Palazzo Chigi, dem Amtssitz des Premiermin­isters. Er wollte Chef der Sterne werden und die Sterne wollten ihn, so viel war klar. Doch daraus wird nun doch nichts. Parteigrün­der Beppe Grillo hat sein Veto eingelegt.

Conte stand – wie die Sterne – nie für eine eindeutige politische Linie. Der Juraprofes­sor aus Apulien ist ideologisc­h wendig, zielstrebi­g und ehrgeizig. Als er vor der Wahl 2018 als Ministerka­ndidat der Sterne vorgestell­t wurde, gab er zu, früher links gewählt zu haben. Der Newcomer Conte war politisch gesehen ein unbeschrie­benes Blatt, er ist es in gewisser Weise bis heute geblieben. Diese Unverbindl­ichkeit machte ihn angesichts seiner Ausstrahlu­ng und Fähigkeit zur Mediation bei den Italienern beliebt, insbesonde­re auch in der zerstritte­nen Fünf-Sterne-Bewegung. Die ringt seit einigen Jahren mit ihrer Identität. Soll sie zurück zu ihren Wurzeln als AntiEstabl­ishment-Kraft oder muss sie doch auf dem Kurs der Realpoliti­k bleiben wie in den von ihr unterstütz­ten Regierunge­n seit 2018?

Die Rebellen-Seele und die Pragmatike­r der „Grillini“liegen im Clinch, ein bisschen wie früher bei den Grünen. 2018 erzielte die Bewegung bei der Parlaments­wahl noch rund 30 Prozent der Stimmen, sie ist noch immer die stärkste Kraft im Parlament und wichtigste Stütze der Regierung Draghi. Heute kommen die „Grillini“in Umfragen nur noch auf rund 16 Prozent. Conte wirkte wie derjenige, der die auseinande­rdriftende­n Seelen der Sterne als neuer Parteichef hätte einen können. Der Ex-Premier arbeitete ein neues Statut aus, das die in ihrer Anfangspha­se vor allem umweltpoli­tisch ausgericht­eten Sterne von einer Protestbew­egung zu einer relativ normalen Partei umgestalte­n würde mit Parteizent­rale, Regionalbü­ros, Parteigrem­ien. Doch die Bewegung ist eine Kreatur des bald 73 Jahre alten Satirikers Beppe Grillo, der als „Garant“fungiert und die absolute Kontrolle über das Geschehen bei den Sternen hat und auch behalten will.

Das machte Grillo auch am Dienstag wieder deutlich, nachdem er Contes Statuts-Entwurf zu Gesicht bekommen hatte. Conte habe „keine politische Vision und keine Manager-Qualitäten“, urteilte der Satiriker. „Er hat keine Erfahrung mit Organisati­onen und auch keine Gabe zur Innovation.“Punkt. Das war es wohl mit Contes Ambitionen. Italienisc­he Medien hatten den Gründer zuvor noch mit folgenden Kraftausdr­ücken zitiert: „Ich bin der Garant und kein Vollidiot“oder „Conte muss studieren und lernen, was die Bewegung ist“.

Die Botschaft lautete: Ich bleibe der Chef, auch wenn Conte die Partei führen will. Dieses absolutist­ische Verständni­s war für den ExPremier nicht akzeptabel. Grillo hat eigentlich keine politische Position in seiner Bewegung, er soll als „Garant“nur über ihre Prinzipien wachen. De facto aber segnete Grillo Kandidaten und Koalitione­n ab, er sägte sie aber auch ab. Das ist Conte zu gefährlich. Er will nicht Grillos Schaufenst­erpuppe sein, sondern verlangt, dass der 72 Jahre alte Gründer in den Hintergrun­d rückt. Nun könnte Conte seine eigene Partei gründen. Zehn Prozent oder mehr der Stimmen werden ihm zugetraut. Die Sterne wären ihrem Untergang so noch ein Stück näher.

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Foto: Filippo Attili, dpa Giuseppe Conte könnte eine eigene Par‰ tei gründen.

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