Donau Zeitung

Kein neues Stuttgart 21

Bund und Bahn setzen mit dem Fernbahntu­nnel Frankfurt ein neues Milliarden­projekt auf die Schiene. Mit Widerstand wird derzeit nicht gerechnet. Was der Ausbau mit der Region zu tun hat

- VON STEFAN KÜPPER

Frankfurt am Main Die Milliarden­Unternehmu­ng Stuttgart 21 ist noch nicht fertig, um den Ausbau der ICE-Strecke Augsburg–Ulm wird weiter gerungen, da setzen Bund und Deutsche Bahn bereits das nächste Großprojek­t auf die Schiene: den Fernbahntu­nnel Frankfurt. Geplant ist sein Verlauf unter der Innenstadt der Mainmetrop­ole. Dazu soll der Frankfurte­r Hauptbahnh­of nach unten hin ausgebaut und so an die neue Strecke angebunden werden.

Warum ist das nötig? Frankfurt hat einen Kopfbahnho­f, den täglich über 1200 Züge von nah und fern ansteuern. 450000 Reisende und Pendler steigen hier aus oder um. Kopfbahnho­f heißt: Die Züge fahren rein und wieder raus, aber nicht durch. Da die Deutsche Bahn in den nächsten Jahren mit deutlich mehr Zugverkehr durch Frankfurt rechnet, soll der neue Tunnel samt der Hauptbahnh­of-Erweiterun­g die Kapazitäte­n erhöhen und die oberirdisc­he Drehscheib­e entlasten. Und er soll helfen, Zugverspät­ungen zu reduzieren, die in Frankfurt regelmäßig entstehen. Wenn irgendwann alles fertig ist, könnte laut Bahn „ein Großteil“des Fernverkeh­rs an den vier neuen Steigen des neuen Tiefbahnho­fs – rund 35 Meter unter der Erde – halten und wieder losrollen. Es wären nach jetzigem Stand der Planung 250 mehr pro Tag, sagte DB-Infrastruk­turvorstan­d Ronald Pofalla. „Der Fernbahntu­nnel ist ein weiteres wichtiges Element für den Deutschlan­dtakt, der die Metropolen unseres Landes in einem 30-Minuten-Rhythmus verbinden wird.“

Nachdem eine Studie bestätigt hat, dass das auf geschätzte 3,6 Milliarden Euro teure XXL-Projekt machbar ist, will die Bahn nun mit den konkreten Planungen beginnen. Bis die abgeschlos­sen sind, kann es dauern. Danach folgt die auf zehn Jahre ausgelegte Bauzeit. Bis also der erste Passagier im neuen Tiefbahnho­f zusteigt, dürften noch Jahre vergehen. Die Bahn nennt als Baubeginn 2030. Der Bund möchte schon früher starten. Wann auch immer es losgeht, Stuttgart 21 ist bis dahin aber sicher fertig.

Und ist in Frankfurt Widerstand zu erwarten wie einst in der badenwürtt­embergisch­en Landeshaup­tstadt? 2001 war das heftig diskutiert­e Vorhaben „Frankfurt 21“zu den Akten gelegt worden – ähnlich wie in Stuttgart sollte der Kopfbahnho­f damals durch einen Tiefbahnho­f ersetzt werden. Dass sich das aktuelle Vorhaben davon unterschei­det, wurde Anfang der Woche bei der Vorstellun­g mehrmals und von verschiede­nen Seiten betont. Das Vorbild liege nicht im Südwesten Deutschlan­ds, sondern in Zürich, wo unter dem Kopfbahnho­f ein zusätzlich­er Tiefbahnho­f entstanden ist – mit sehr guter Wirkung auf den Zugverkehr, wie auch der Fahrgastve­rband Pro Bahn betont.

Zusammen mit weiteren Verbänden und Vereinen hat sich Pro Bahn in einer Resolution für das Frankfurte­r Vorhaben ausgesproc­hen. Auch der Bund für Umwelt und Naturschut­z Deutschlan­d (BUND) gehört dazu. Dies vermindert zwar die Wahrschein­lichkeit, dass sich Protest gegen das Vorhaben formiert – möglich ist dies aber weiterhin, auch wenn Frankfurts Oberbürger­meister Peter Feldmann (SPD) nicht damit rechnet.

Peter Stöferle, Experte für Mobilität und Stadtentwi­cklung bei der IHK Schwaben, befürworte­t die Bahnpläne für Frankfurt und zieht die Verbindung zum größten und wichtigste­n regionalen Vorhaben der Deutschen Bahn: „Der Frankfurte­r Fernbahntu­nnel ist wichtig für den Deutschlan­dtakt. Genauso übrigens wie die Bahnausbau- und -neubaustre­cke zwischen Ulm und Augsburg. Diese Bausteine braucht es.“Erst wenn beides – genauso übrigens wie die sich im Bau befindende ICE-Strecke von Stuttgart nach Ulm – fertig sei, werde es gelingen, von jeder Metropole des Landes alle halbe Stunde einen Zug in die nächste Metropole besteigen zu können. Derzeit gehe das nur jede Stunde, so Stöferle. Mit Blick auf den Frankfurte­r Fernbahntu­nnel rechnet er nicht mit einem baldigen Start. „Man hat in Deutschlan­d bei Projekten dieser Größenordn­ung in aller Regel einen Vorlauf von mindestens fünf Jahren.“

Bei der Ausbaustre­cke Augsburg–Ulm laufen derzeit die – in den betroffene­n Landkreise­n und Gemeinden viel diskutiert­en – Vorplanung­en für vier verschiede­ne Trassenkor­ridore. Bis 2024 soll es eine Vorzugsvar­iante geben. Bis die ICEs mit 300 Stundenkil­ometern durch Bayerisch-Schwaben rauschen, um es dann in unter 30 Minuten von Augsburg bis zum Ulmer Hauptbahnh­of zu schaffen, werden noch Jahre vergehen.

Stuttgart 21 soll bis 2025 fertig sein. Kostenrahm­en von 8,2 Milliarden Euro, nach diversen Kostenstei­gerungen und zeitlichen Verschiebu­ngen.

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Foto: Boris Roessler, dpa Frankfurt soll einen Fernbahntu­nnel bekommen, damit der oberirdisc­he Verkehr entlastet wird.

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