Reizthema Tierversuche
Ab 2030 soll es an der medizinischen Fakultät der Uni Augsburg Experimente zum Beispiel an Mäusen geben
Augsburg Tierversuche sind seit jeher ein extrem polarisierendes Thema. Viele lehnen sie kategorisch ab. Wie beispielsweise der bundesweit aktive Verein „Ärzte gegen Tierversuche“. Andere wiederum finden solche Versuche zwar nicht unbedingt gut, aber für die medizinische Forschung unentbehrlich. Die Universität Augsburg hat sich der am Donnerstag neu gegründeten „Initiative Transparente Tierversuche der Deutschen Forschungsgemeinschaft“angeschlossen. Sie ist zusammen mit 54 Institutionen (Universitäten, Kliniken, Forschungseinrichtungen wie etwa den Max-Planck-Instituten, Pharmaunternehmen oder beispielsweise der Volkswagen-Stiftung) Erstunterzeichnerin dieser Initiative. Dabei gibt es an der medizinischen Fakultät der Universität Augsburg, die ja noch sehr jung ist, keine Tierversuche. Doch das wird sich ändern.
Bekanntlich entsteht unweit der Uniklinik der neue Medizincampus der Hochschule. Dort soll bis 2030 auch das sogenannte Zentrum für Integrierte und Translationale Forschung entstehen. Corina Härning, Pressesprecherin der Uni Augsburg, betonte gegenüber unserer Redaktion, dass der größte Teil der Grundlagenforschung darin ohne Tierexperimente vorgenommen werden soll. Doch bestimmte Fragestellungen ließen sich nicht mit Computersimulationen oder Zellkulturen beantworten. Darum ist dort auch eine Tierhaltung vorgesehen, mit 8000 Käfigen für Mäuse. Nagetiere wie Mäuse und Ratten stellen in Deutschland über drei Viertel aller Versuchstiere.
Ein Teil dieser Flächen in dem Augsburger Zentrum könne auch für die Haltung von anderen Spezies (Kaninchen, Schweine, Schafe, Ziegen und beispielsweise Fische) genutzt werden. Die Haltung von Primaten werde es an der Uni Augsburg nicht geben.
Professor Dr. Stefan Treue, Direktor am Leibniz-Institut für Primatenforschung in Göttingen, verwies in einer Videokonferenz anlässlich des Starts der Initiative auf zahlreiche Veränderungen, die es seit den 70er Jahren gegeben hat. Damals sorgten Bilder etwa von Kaninchen, an deren Augen kosmetische Produkte ausprobiert wurden, für heftige Empörung in der Öffentlichkeit. Seit 1998 sind Tierversuche zur Prüfung von Kosmetika in
Deutschland und seit 2004 in der EU verboten. In Tierversuchen getestete Kosmetika von außerhalb der EU dürfen nicht importiert und in der Union nicht verkauft werden. Europa habe weltweit definitiv die strengsten Regelungen, sagte Treue.
Bevor ein Tierversuch durchgeführt wird, muss zunächst geprüft werden, ob nicht ein alternatives
Testverfahren etwa mit Zellkulturen im Reagenzglas ausreichen könnte. Die Vermeidung eines Tierversuchs habe stets vorzugehen. Das Genehmigungsverfahren für einen Tierversuch sei inzwischen fast so streng wie die Anforderungen, wenn man in Studien Medikamente an Menschen testet. Tatsächlich gebe es aber wissenschaftliche Fragestellungen, die sich nur am komplexen lebenden System im Tierversuch beantworten ließen. Gerade wenn es um das vielschichtige Immunsystem gehe.
Die Entwicklung der mRNATechnologie für Corona-Impfstoffe der Unternehmen Biontech oder Moderna oder die großen Fortschritte in der Krebstherapie in den vergangenen zehn Jahren wären ohne Tierversuche nicht möglich gewesen, betonte Professor Georg Schett von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, die ebenfalls zu den Erstunterzeichnern gehört. Die Mitglieder der Initiative wollen dafür sorgen, dass über alle Versuche auf Internetseiten allgemein verständlich berichtet wird und sich die Wissenschaftler einem öffentlichen Dialog stellen müssen. Zugleich sollen sich Forscher forciert austauschen und dies dokumentieren – auch um unnötige Dubletten bei Tierexperimenten zu vermeiden.
Corina Härning verwies darauf, dass Tierschützer angesichts der Pläne auf dem Campus „Augsburg muss tierversuchsfrei bleiben“fordern. Doch in der Wissenschaft gebe es kein „Entweder-oder“. Manche Fragen ließen sich eben nur im Tierexperiment beantworten.