Drehbuchschreiber fordern mehr Achtung von der ARD
Ein offener Brief von 600 Autoren setzt die neue Programm-Direktorin Christine Strobl unter Druck
Augsburg Unter Fernsehzuschauern ist die Klage, dass es dem Programm an Qualität fehle, wahrscheinlich so alt wie das Fernsehen selbst. Solche Kritik wird von den Programmdirektoren der Rundfunkanstalten einfach weggelächelt. Wenn allerdings diejenigen, die die Inhalte des Fernsehens schreiben, öffentlich für mehr Qualität plädieren, langt ein Lächeln nicht mehr. So geschehen nun mit einem offenen Brief von dem Verband Deutscher Drehbuchautoren und dem Drehbuchschreiber-Zusammenschluss Kontrakt 18.
Die Autoren mahnen an, endlich bei fiktionalen Produktionen, bei Serien und Fernsehfilmen, als Partner ernst genommen zu werden, andernfalls werde das öffentlichrechtliche Fernsehen das Nachsehen haben. An die neue ARD-Programm-Chefin Christine Strobl gerichtet heißt es: „Ihr Plan, in der ARD ,unverwechselbare’ Geschichten zu erzählen – und ,eigentlich jeden Monat einen Knaller wie ‚Babylon Berlin‘. Mindestens.’ – wird sich nicht verwirklichen lassen, wenn Sie die Grundlagen der Zusammenarbeit
mit den Kreativen nicht zeitnah auf jene verbindlichen Standards umstellen, die bei den Streamern, mit denen Sie um die kreativen Köpfe konkurrieren, längst üblich sind“.
Der offene Brief, den sechshundert organisierte Drehbuchautoren gemeinsam an Strobl gerichtet haben, hat eine Vorgeschichte, wie die erfolgreiche Drehbuchautorin Dorothee Schön, die den Vorstoß voll unterstützt, erklärt. Vor drei Jahren haben sich rund 200 Drehbuchschreiber zu Kontrakt 18 zusammengeschlossen und sechs Regeln für bessere Arbeitsbedingungen vereinbart, etwa als Urheber genannt zu werden, bei der Besetzung der Regie ein Mitspracherecht zu haben, über Änderungen an Drehbüchern informiert und gefragt zu werden, um einige zu nennen.
Der Branche teilten die Kontrakt-18-Mitglieder mit, nur noch tätig zu werden, wenn diese Forderungen erfüllt seien. Ihre Selbstverpflichtung entfaltete eine Wucht. „Anfangs reagierten die Sender“, sagt Schön, „und nahmen die Forderungen in neue Leitlinien auf“. Allerdings sei mittlerweile festzustellen, dass die Leitlinien, zu denen sich die ARD bekannt hat, von den eigenen Justiziaren bei Vertragsverhandlungen als unverbindlich vom Tisch gewischt werden.
Die Drehbuchautorin Dorothee Schön arbeitet seit 36 Jahren, seit ihrem Abschluss an der Hochschule für Fernsehen und Film in München, in dem Beruf. Sie ist erfolgreich, hat zuletzt gemeinsam mit Sabine Thor-Wiedemann für die ARD die Serie „Charité“erst erfunden und dann auch zwei Staffeln lang entwickelt und geschrieben. „Es geht uns um Respekt und Achtung“,
sagt Schön, „nicht um mehr Geld“. Die Rolle der Autoren ist durch die großen, linear erzählten Serien immer wichtiger geworden. Bei einer Netflix-Serie wie „The Crown“hält der Autor über viele Staffeln die Geschichte zusammen. „Das ist anders als beim Tatort, wenn jede Folge in sich abgeschlossen ist“, erklärt Schön. Netflix behandelt daher den Crown-Schöpfer Peter Morgan als kreatives Mastermind; davon können Autoren, die für ARD und ZDF schreiben, nur träumen. Wenn nun an der dritten und vierten Staffel von „Charité“weitergearbeitet wird, seien Schön und Thor-Wiedemann außen vor, die ARD-Sender haben andere Drehbuchschreiber engagiert. „Wenn sich die Haltung gegenüber den Kreativen nicht ändert, verlieren die öffentlich-rechtlichen Sender den Kampf um die besten Köpfe gegenüber den Streamern“, sagt Schön.
Bis zum 15. Juli haben die Drehbuchschreiber der neuen ARD-Programmdirektorin Strobl Zeit für eine Antwort gegeben. Bisher hat sie sich noch nicht zu dem Vorstoß öffentlich geäußert.