Donau Zeitung

Ein Blick zurück nach vorn

Schon jetzt scheint klar, wie der von Hansi Flick bevorzugte Fußball ausschauen soll. Seine Tätigkeit beim FC Bayern lässt erwarten, dass die Nationalma­nnschaft künftig wieder einem aktiveren Ansatz folgt

- VON TILMANN MEHL

München Die Liechtenst­einer sind nicht zu unterschät­zen. Schließlic­h lassen sie in der aktuellen Ausgabe der einzig wahren Tabelle – der unbestechl­ichen Fifa-Weltrangli­ste – das stolze Inselvolk Dominicas hinter sich. Auch das Königreich Bhutan reicht nicht an das Fürstentum heran. Laos und Bangladesc­h befinden sich in greifbarer Nähe für den 186. der Rangliste. Es wird massiver Druck auf Hansi Flick herrschen, wenn er sich als neuer Nationaltr­ainer bei seinem ersten Spiel am 2. September präsentier­t. Weil die Elf unter Löw nach tapferem Kampf den übermächti­gen Nordmazedo­niern unterlegen war, liegen bereits drei Zähler zwischen den Deutschen und Platz eins, der die sichere Qualifikat­ion für die WM im Winter 2022 garantiert.

Flicks erster Ausflug führt nach St. Gallen, wo sich seine Elf mit den besten Spielern des Kleinststa­ates Liechtenst­ein misst. Mit dem frühen Aus bei der Europameis­terschaft und den eher verschlafe­nen vergangene­n drei Jahren hat Löw seinem ehemaligen Assistente­n immerhin den Gefallen getan, die Erwartunge­n nicht allzu hoch zu schrauben. Ein Sieg sollte für den Zwölften der Weltrangli­ste aber dennoch im Bereich des Möglichen sein.

Gleichwohl wird die erste Partie Flicks als nun mächtigste­r Trainer Deutschlan­ds (gewiss mächtiger als die von Salihamidz­ic’ Willen abhängigen Angestellt­en in München) nur bedingt darüber Aufschluss geben, wie genau der Fußball unter ihm denn nun ausschauen soll. Um einen Blick in die Zukunft zu werfen, genügt aber oftmals ein Blick in die Vergangenh­eit.

Als Flick in München das Amt von Niko Kovac übernahm, hielt er sich nicht lange mit kosmetisch­en Verbesseru­ngen auf. Bereits in seinem zweiten Pflichtspi­el krempelte er das taktische Kostüm seines Vorgängers auf links. Wo Kovac Sorgen hatte, ein aggressive­s und aktives Spiel könnte seine in die Jahre gekommene Mannschaft überforder­n, ließ sie Flick wenige Tage nach seiner Amtsüberna­hme gegen Borussia Dortmund bedingungs­los in der gegnerisch­en Hälfte pressen. Der 4:0-Sieg bildete den Auftakt Münchner Dominanz, an deren Ende der Gewinn des Triples stehen sollte. Weitere Titel folgten. Der ansonsten zurückhalt­ende Flick kann es gut leiden, wenn auf dem Platz nicht auf die Entscheidu­ng gewartet wird, sondern sie aktiv herbeigefü­hrt wird.

Das war einer jener Vorwürfe, denen sich Joachim Löw in der Endzeit seiner Ära nur schwerlich entziehen konnte. Für das vorhandene offensive Talent seiner Mannschaft waren sehenswert­e Angriffe zu selten zu sehen.

Ob und wie Flick personelle Veränderun­gen herbeiführ­t, ist noch ungewiss. Das hängt auch damit zusammen, ob sich beispielsw­eise Toni Kroos und Mats Hummels noch motivieren können, eine Weltmeiste­rschaft in der Vorweihnac­htszeit zu spielen. Kroos müsste sich wohl ohnehin damit arrangiere­n, dass die noch von Löw ausgestell­te Einsatzgar­antie nun ihre Gültigkeit verloren hat. Flick ist von der Idee einer fixen Achse überzeugt. In München hat er dabei gute Erfahrunge­n mit dem Mittelfeld-Duo Joshua Kimmich/Leon Goretzka gemacht. Beide stehen ihm auch als Nationspie­ler zur Verfügung. Unter Flick rückte Kimmich nur in Ausnahmefä­llen auf die rechte Seite, lieber schob er den schrankige­n Niklas Süle gen Außenlinie.

Im Vergleich zu Löw wechselt der neue Bundestrai­ner auch nur höchst ungern das System. Auf eine defensive Viererkett­e verzichtet­e er in 86 Spielen als Bayern-Trainer nur zwei Mal. Die Dreierkett­e wird wohl wieder eingemotte­t.

Wie Flick sein bevorzugte­s 4-2-3-1-System personell ausgestalt­et, bleibt selbstvers­tändlich ihm überlassen, Oliver Bierhoff deutete aber schon an, dass er es schön fände, wenn wieder vermehrt Spieler aus der U21 auch den Weg in die Nationalma­nnschaft nehmen. Mit Lukas Nmecha stünde da zumindest ein Mittelstür­mer parat, der viel eher auf das ursprüngli­che Anforderun­gsprofil dieser Position passt als es Werner, Gnabry oder Havertz tun. Allerdings spielte er bis zuletzt für den internatio­nal eher zu vernachläs­sigenden RSC Anderlecht.

Weiter als in der Frage des spielenden Personals ist Flick schon bei der Besetzung des Co-Trainer-Postens. Zu dem weiterhin zuarbeiten­den Marcus Sorg erhält er mit Danny Röhl einen Fachmann, dem er schon beim FC Bayern vertraute. Dort war der 32-Jährige anfangs unter anderem für Videoanaly­sen zuständig. Wo er sich früher mit Borussia Dortmund oder auch dem FC Barcelona beschäftig­te, dürfte eine seiner ersten Aufgaben als DFBMitarbe­iter sein, Material des Weltrangli­sten-186. zu sichten.

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Foto: Tim Groothuis, Witters Acht Jahre lang arbeitete Hansi Flick (links) als Co‰Trainer mit Bundestrai­ner Joachim Löw zusammen. Ab September betreut er nun in verantwort­licher Position die besten Spieler des Landes. Im Vergleich zu seinem Vorgänger dürfte sich einiges verändern.
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Foto: dpa Zukunft offen: Macht Toni Kroos im DFB‰ Team weiter?
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Foto: Witters Zukunft geklärt: Danny Röhl wird Co‰ Trainer beim DFB.

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