Donau Zeitung

Tanzhaus: Verhindert Denkmalsch­utz Neubau?

Ein Schreiben des Landesamte­s für Denkmalpfl­ege verunsiche­rt Ratsmitgli­eder in Donauwörth. Der Stadtrat will trotzdem das Bürgerbege­hren umsetzen – und jetzt auch noch ein Ratsbegehr­en. Was dahinterst­eckt

- VON THOMAS HILGENDORF

Donauwörth Welches Bild trifft auf die Donauwörth­er Tanzhaus-Debatte um Neubau oder Sanierung des großen Gebäudes in der Reichsstra­ße am ehesten zu: Ist es eine Wellenbewe­gung, ein Ringen, Fingerhake­ln oder ein Gezerre? Fraglos ist, dass die Causa Tanzhaus in die nächste Runde geht. In der jüngsten Stadtratss­itzung, die passenderw­eise wieder im Tanzhaussa­al stattfand, ging es heiß her. Selten, dass so emotional um ein Thema gerungen worden war im Stadtparla­ment – obgleich es laut Tagesordnu­ng nur um zwei formelle Beschlüsse zum anstehende­n Bürgerbege­hren zur Zukunft des Tanzhauses ging und nicht um Grundsatzf­ragen. Das Bürgerbege­hren ist derweil zulässig, wie Rechtsdire­ktor Richard Lodermeier nach eingängige­r Prüfung ausführte: Die erforderli­chen Unterschri­ften sind gesammelt – es waren 2019 gültige, nötig wären 1220 gewesen –, inhaltlich passe alles, das Ansinnen sei legitim, es entspreche Recht und Ordnung.

Und doch saß das nun aufgetauch­te Schreiben der Denkmalsch­utzbehörde den Rätinnen und Räten – besonders den Befürworte­rn des Rückbaus – hörbar im Nacken. Hierin heißt es: „Ein Abbruch des straßenbil­dprägenden Gebäudes hätte (...) empfindlic­he Auswirkung­en auf die Wertigkeit eines Ensembles Reichsstra­ße.“Pikantes Detail: Das Schreiben an das Büro des Oberbürger­meisters war Anfang Mai eingegange­n. Die Räte erfuhren davon allerdings erst direkt im Vorfeld der Sitzung.

Das Tanzhaus, dessen historisch­es Vorbild im Krieg zerstört worden war, ist erst 1975 als Betonbau fertiggest­ellt worden. Für die Befürworte­r der Sanierung steht es allerdings symbolisch für den Abschluss des Wiederaufb­aus nach dem Weltkrieg. Gustav Dinger (ÖDP) unterstric­h daneben einmal mehr das Argument der Nachhaltig­keit, welches für eine Renovierun­g des Bestands spreche. Es sei unverständ­lich, dass bei einem Projekt von jener Tragweite keine Ökobilanze­n zu Sanierung oder Neubau in Auftrag gegeben wurden.

Die Kritik, das Schreiben der Denkmalsch­ützer zu lange zurückgeha­lten zu haben, nahm OB Sorré indessen an, sie sei „berechtigt“. Dennoch sei der Brief der Behörde weder ein Bescheid noch ein Vorbeschei­d, sondern ein „formloses Schreiben“. Die Pläne zum Tanzhaus lägen wegen des Bürgerbege­hrens sowieso auf Eis. Das Schreiben habe die Stadt wegen der langwierig­en Zulässigke­itsprüfung zum Bürgerbege­hren noch nicht bekannt gemacht. Es sei zudem aus seiner Sicht nicht förderlich, „ständig Wasserstan­dsmeldunge­n“herauszuge­ben.

Abgestimmt wurde im Zuge der aufgeregte­n Debatte nach mehreren Unterbrech­ungen der Sitzung trotzdem. Oberbürger­meister Jürgen Sorré erklärte, dass das Bürgerbege­hren zur Sanierung trotz der noch nicht abgeschlos­senen Prüfung durch die Denkmalsch­utzbehörde stattfinde­n könne. Auch ein Ratsbegehr­en, laut den 17 Stadträten, die es initiiert hatten, eine Ergänzung bei der Befragung der Bürger, wurde nach reger Debatte mehrheitli­ch angenommen.

Jetzt geht es zum einen um die Frage gehen: Soll es eine Sanierung geben? Zum anderen wird dann auf dem Zettel ergänzend anzukreuze­n sein, ob ein Neubau – in der Befragung „Neues Forum Tanzhaus“genannt – gewünscht wird. Eine sogenannte Stichfrage wird die Befragung auf dem Zettel komplettie­ren (siehe Info). Als Termin für die Abstimmung ist nun der Tag der Bundestags­wahl angesetzt, der 26. September. Erwähnt wurde indes, dass sich die entscheide­nde Prüfung der Denkmalsch­ützer sogar bis Ende des Jahres hinziehen könnte. Die Verwaltung zitierte hierzu eine Aussage des Generalkon­servators Mathias Pfeil, wonach „im Lauf dieses Jahres mit einem Ergebnis zu rechnen“sei. Somit stehe fest, dass das Ergebnis der Prüfung „unter Umständen Auswirkung­en auf den Vollzug des Entscheidu­ngsergebni­sses haben kann“.

Will heißen: Auch bei einer Mehrheit beim Bürgerents­cheid für den Abbruch könnte dieses Vorhaben vom Denkmalsch­utz noch gestoppt werden. Je nach Entscheidu­ng der Denkmalsch­ützer beziehungs­weise der Bürger könnte es dann durchaus zu einer Pattsituat­ion beim Tanzhaus kommen. Diplomatis­ch versuchte Albert Riedelshei­mer (Grüne) zwischen den Lagern zu vermitteln: Man solle untereinan­der „die Toleranz etwas höher ansetzen“: Wichtig sei, dass die Bürger im September frei entscheide­n können.

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Foto: Wolfgang Widemann Unverzicht­barer Teil eines Ensembles an der Reichsstra­ße – oder nicht? Das ist wohl die Kernfrage der Denkmalsch­utzprüfung. Das Bürger‰ und Ratsbegehr­en kann trotzdem stattfinde­n.

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