Donau Zeitung

Unvergessl­icher Moment für Vargas

Bei der EM setzt sich die Schweizer Nationalma­nnschaft gegen Favorit Frankreich durch. Entscheide­nden Anteil am Erfolg seines Teams hat der Angreifer des FC Augsburg

- VON JOHANNES GRAF

Ruben Vargas steht auf der Werbebande. Die Faust reckt er jubelnd gen Bukarester Himmel, die Freude bahnt sich in einem Schrei ihren Weg. Umringt ist er von jubelnden Mitspieler­n in weißen Trikots, ein paar Meter entfernt flippen ekstatisch­e Fans auf der Tribüne aus. Diesen Moment wird der 22-Jährige nicht so schnell vergessen. Vielleicht sogar nie. Sekunden zuvor hat der Angreifer des FC Augsburg Historisch­es geschafft. Mit der Schweiz besiegte er am vergangene­n Montag den großen Favoriten Frankreich. Statt Mbappé, Griezmann oder Pogba stehen nun die Schweizer bei der Fußball-EM in der Runde der letzten acht Mannschaft­en. Im Viertelfin­ale wartet ein weiterer Titelaspir­ant, Gegner ist am heutigen Freitag ab 18 Uhr das spielstark­e Spanien.

Erstmals ist Vargas bei einem großen Turnier der A-Nationalma­nnschaften dabei. Sammelt Erfahrunge­n, die ihm in seiner Karriere helfen werden. Speziell war der Moment am Montag kurz vor Mitternach­t, diese Situation lässt sich nicht simulieren. Als vierter Schweizer schreitet Vargas im Elfmetersc­hießen zum Punkt. Dass er zu den Schützen zählt, verdeutlic­ht das Vertrauen, das Trainer Vladimir Petkovic in Vargas hat. Der 22-Jährige hat Glück. Frankreich­s Torwart Hugo Lloris ahnt die Ecke, ist mit der rechten Hand am Ball, kann den Treffer aber nicht verhindern. Vargas trifft zum 4:3, danach sind Kimpembe und Mehmedi erfolgreic­h. Der Rest ist Schweizer Geschichte: Torwart Yann Sommer wird zum Helden, Starspiele­r Kilian Mbappé zur tragischen Figur.

Nicht nur wegen seines verwandelt­en Elfmeters trägt Vargas entscheide­nd zu einem außergewöh­nlichen Schweizer Abend bei. Als er eine Viertelstu­nde vor Schluss in die Partie kommt, scheint die Begegnung entschiede­n. 1:3 liegt der Außenseite­r zurück, das EM-Aus liegt nahe. Doch der Favorit geht fahrlässig mit dem komfortabl­en Vorsprung um, Vargas und Co. wirbeln die französisc­he Abwehr durcheinan­der. So gleichen Seferovic und Gavranovic noch zum 3:3 aus. Nach torloser Verlängeru­ng entscheide­t das Nervenspie­l am Punkt.

Nach Tomas Koubek, der als Ersatztorh­üter mit Tschechien im Viertelfin­ale steht, bleibt Vargas der zweite FCA-Profi im Turnier. Vargas erlebt im Sommer seinen sportliche­n Höhepunkt, nachdem er beim FCA auf eine durchwachs­ene Spielzeit zurückblic­kt. In seinem zweiten Bundesliga­jahr stockte seine Entwicklun­g, seinen Stammplatz büßte er ein. Wegen seiner Schnelligk­eit und Technik blieb er ein bedeutsame­r Faktor im Augsburger Offensivsp­iel, doch der ehemalige Trainer Heiko Herrlich setzte lieber auf Defensive. Umschaltsp­ieler Vargas fühlte sich in Herrlichs Verhinderu­ngsfußball nicht wohl, ihm fehlten die Läufe in die Tiefe, in denen er seine Stärken ausspielen kann. Die Saisonstat­istik des Offensivsp­ielers: 18 Startelfei­nsätze, 12 Einwechslu­ngen, fünf Tore und drei Vorlagen.

Am vorletzten Bundesliga-Spieltag wäre der Angreifer beinahe noch zum Sündenbock geworden. Im „Endspiel“gegen den Abstieg leistet er sich in der Anfangspha­se einen Aussetzer, seine Tätlichkei­t gegen Bremens Theodor Gebre Selassie und der folgende Platzverwe­is hätten den FCA den Klassenerh­alt kosten können. Entspreche­nd erleichter­t war vor allem Vargas nach dem 2:0 und dem glückliche­n Ausgang.

Vargas ist in Adlingensw­il, nahe Luzern, geboren. Seine Mutter stammt aus der Schweiz, sein Vater aus der Dominikani­schen Republik. Die vier Millionen Euro, die der FCA im Sommer 2019 in den Spieler investiert­e, dürften sich längst gelohnt haben. Und das nicht nur sportlich. Das Branchenpo­rtal Transferma­rkt.de taxiert den Marktwert auf 13 Millionen Euro, hinter Felix Uduokhai (16 Millionen Euro) ist er wirtschaft­lich wertvollst­er FCA-Profi.

Im Frühjahr wurde Vargas mit dem FC Sevilla in Verbindung gebracht, seine Auftritte während der EM dürften das Interesse anderer Klubs steigern. Als junger Nationalsp­ieler mit Perspektiv­e ist er begehrt, gegen Spanien bietet sich Vargas eine weitere Gelegenhei­t für Werbung in eigener Sache. Zumindest befindet sich der FCA bei möglichen Anfragen in einer komfortabl­en Lage: Der Vertrag des Schweizers läuft bis Sommer 2024.

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Foto: Toto Marti, witters Ruben Vargas jubelt. Der Angreifer des FC Augsburg steht mit der Schweiz im Viertelfin­ale der Fußball‰Europameis­terschaft ge‰ gen Spanien.

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