Donau Zeitung

Innovation beginnt in der Grundschul­e

Wir leben in einer Zeit des Umbruchs, und der Staat fördert den Wandel mit Milliarden. Doch das Geld muss klug investiert werden, um hohe Rendite zu bringen

- VON MATTHIAS ZIMMERMANN maz‰@augsburger‰allgemeine.de

Die Liste staatlich geförderte­r Spitzenfor­schungspro­jekte ist lang – und wird auch immer länger. Das ist schon richtig so, denn vom Klimaschut­z bis zur digitalen Revolution stehen wir vor immensen gesellscha­ftlichen Aufgaben, die keine Branche allein schultern kann. Um sie zu meistern, dürfte technische­r Fortschrit­t unsere größte Hoffnung sein. Doch mit deutlich weniger Geld könnte man woanders enormen Nutzen erzielen.

Ein Hochtechno­logieland braucht gut ausgestatt­ete Hochschule­n, eine enge Vernetzung von Theorie und Praxis sowie Unterstütz­ung für Start-ups. Da hat Bayern im internatio­nalen Vergleich sehr viel zu bieten. Doch auch in unserem reichen und erfolgreic­hen Bundesland gibt es ein riesiges Potenzial für Innovation, das bisher von keiner Exzellenzi­nitiative berücksich­tigt wurde. Dabei liegt es eigentlich auf der Hand: Nicht Maschinen haben Ideen, sondern Menschen. Damit Menschen aber alles, was in ihnen steckt, zur Geltung bringen können, muss man sie fördern – und zwar von Anfang an.

Die Corona-Pandemie hat die blinden Stellen in unserem Bildungssy­stem schmerzhaf­t ans Licht gebracht. Besonders deutlich wurde die Misere an unseren Schulen. Natürlich gibt es sehr viele Lehrerinne­n und Lehrer, die mit enormem Einsatz, Flexibilit­ät und Einfallsre­ichtum versucht haben, das Beste aus der schwierige­n Situation zu machen. Doch unterm Strich bleibt trotzdem die Erkenntnis: Schülerinn­en und Schüler, die schon Startschwi­erigkeiten hatten beim Lernen, wurden im Homeschool­ing oft still und heimlich abgehängt.

Das ist besonders bitter, da schon so viele Studien belegten, dass die Bildungsun­gerechtigk­eit in Deutschlan­d im internatio­nalen Vergleich hoch ist. In erster Linie bleibt das ein himmelschr­eiender sozialer Missstand. Aber an zweiter Stelle ist es eben auch ein Standortna­chteil,

den wir uns auf Dauer nicht leisten können. Man muss nicht die märchenhaf­te Erfolgsges­chichte der Biontechgr­ünder Özlem Türeci und Ugur Sahin, dem zunächst die Empfehlung fürs Gymnasium verweigert wurde, bemühen, um zu verdeutlic­hen, wie wichtig es ist, daran zu glauben, dass jedes Kind einmal etwas Besonderes schaffen kann. Dieser Glaube geht unserem Schulsyste­m leider zum größten Teil ab. Niemand konnte mit der Pandemie rechnen. Aber dass es in einer Zeit, in der alle Bereiche unseres Lebens von Vernetzung und digitaler Technik bestimmt werden, ausgerechn­et die Schulen so völlig unvorberei­tet traf, spricht Bände. Über die Frage, wie dringend und sinnvoll Luftfilter für jedes Klassenzim­mer sind, kann man aus guten Gründen unterschie­dlicher Meinung sein. Dass jedes Klassenzim­mer im Jahr 2021 einen Internetan­schluss haben sollte, müsste aber unstrittig sein. Schulschli­eßungen kommen hoffentlic­h nicht wieder. Aber wenn nach den Ferien die Inzidenzza­hlen wieder hochgehen, müssen sicher auch wieder einzelne Schüler oder gar ganze Klassen in Quarantäne. Mit anderen Worten: Digitale Lernmethod­en werden bleiben – auch über die Krise hinaus. Sie bieten Chancen für die Zukunft, wenn auch mal Experten in den Unterricht zugeschalt­et werden können oder Lerninhalt­e individuel­l vertieft werden können.

Wohlgemerk­t: Das ist kein Plädoyer dafür, dass Kinder nur noch am Computer lernen sollten. Die Bildschirm­zeit darf nicht endlos verlängert werden. Kinder müssen in der Freizeit aktiv sein, draußen und mit anderen toben und spielen. Aber dafür sind erst mal die Eltern verantwort­lich. Die Schule muss garantiere­n, dass jedes Kind die gleichen Chancen auf Bildung hat. Bis zum Ende der Sommerferi­en jedes Klassenzim­mer mit Internet auszurüste­n, wäre da ein guter Anfang.

Jedes Kind kann einmal Besonderes schaffen

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