Donau Zeitung

Jugendlich­e leiden unter Lockdown‰Folgen

Die Zahl der Schülerinn­en und Schüler mit psychische­n Problemen hat stark zugenommen. Was Lehrkräfte raten

- VON MARLENE WEYERER

München Jugendlich­e, die sich selbst verletzen, aggressiv verhalten, unter Prüfungsan­gst leiden. Eltern, die überforder­t sind. Lehrerinne­n und Lehrer, die am Anschlag arbeiten. In den bayerische­n Schulen brennt laut Michael Lilla „die Hütte“. Der Beratungsl­ehrer kümmert sich um Schüler und Schülerinn­en, die am Otto-von-Taube-Gymnasium in Gauting (Landkreis Starnberg) psychische oder auch soziale Probleme haben. Die Fallzahlen haben sich laut Lilla in der Corona-Krise vervielfac­ht. Nicht nur in Gauting.

Der Bayerische Philologen­verband (BPV), ein Zusammensc­hluss der Lehrkräfte an Gymnasien und

Berufliche­n Oberschule­n, hat in einer aktuellen Umfrage festgestel­lt, dass in 19 Prozent der Klassen inzwischen mehr als vier Schüler sitzen, die psychosozi­ale Unterstütz­ung brauchen. In 85 Prozent der Klassen gibt es mindestens einen Schüler, der erhöhte Unterstütz­ung benötigt. Der Stress zu Hause, der hohe Medienkons­um, die Trennung von Freunden – für viele Schüler waren die Schulschli­eßungen während der Lockdowns psychisch stark belastend. Das holt die Schulen momentan ein.

Schulpsych­ologin Regina Knape bekommt dreimal so viele Anfragen wie vor der Corona-Pandemie. Schüler der Unterstufe haben öfter Lern- und Leistungss­törungen, in der Mittelstuf­e wiederum sind Depression­en und Essstörung­en häufiger. Manche Fälle beschäftig­en Knape sehr. Sie erzählt zum Beispiel von einem Jugendlich­en, der sein Zimmer nicht mehr verlassen möchte. Der Bub war vor der Pandemie gut in der Schule, hatte keine Probleme mit Mitschüler­n. „Die Krise hat einiges aktiviert, was in früheren Jahren passiert ist“, erklärt Knape. Jetzt sitzt er in seinem Zimmer und hat Angst.

Beratungsl­ehrer Lilla sagt, nach den Sommerferi­en könne man nicht einfach auf einen Knopf drücken und dann sei alles wie vorher. Viele Schüler werden weiter Unterstütz­ung brauchen. Spätestens im neuen Jahr wird außerdem klar, dass viele Schüler mit dem Unterricht­sstoff hinterherh­inken. Sommerschu­le und Förderprog­ramme in den Ferien sind für Lilla nur ein Anfang. Langfristi­g wünscht er sich verkleiner­te Klassen. „Es ist jetzt wichtig, dass man jedes Kind in den Fokus nimmt.“Mit dem Wunsch ist Lilla nicht allein. Laut der BPV-Studie hätten 83 Prozent der Lehrkräfte gerne kleinere Lerngruppe­n, um Rückstände aufzuholen. 72 Prozent wünschen sich die Einstellun­g von mehr Personal. Um Jugendlich­e mit höherem Unterstütz­ungsbedarf wieder aufzufange­n, empfehlen 53 Prozent mehr Stunden für Schulpsych­ologen und Beratungsl­ehrer.

Für Lilla ist auch wichtig, dass der „Lebensraum Schule“jetzt wieder aktiviert wird. Schließlic­h sei Schule mehr als nur ein Lernort. Dort finden Kinder Freunde und spielen zum Beispiel im Orchester. „Ein Jugendlich­er geht anders in die Schule, wenn er mit Spaß hingeht.“

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Symbolfoto: Alexander Kaya Die Schulschli­eßungen waren für viele Kinder belastend.

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