Donau Zeitung

„Jetzt ist die Stunde der Solidaritä­t“

Aus den Katastroph­engebieten kommen am Montag gute Nachrichte­n. Doch die Lage ist weiterhin angespannt. Und noch immer ist Vieles unklar

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Euskirchen Mit bangen Blicken schauten viele Menschen in den nordrhein-westfälisc­hen Katastroph­engebieten in den vergangene­n Tagen auf die Steinbacht­alsperre: Wird sie halten oder brechen, und die Situation aufs Neue verschärfe­n? Am Montag gab es Entwarnung. „Ein Dammbruch ist jetzt nicht mehr zu befürchten“, teilte die Bezirksreg­ierung Köln mit. Zuvor hatten Fachleute die Talsperre begutachte­t. Dort konnte so viel Wasser abgelassen und abgepumpt werden, dass man von einer stabilisie­rten Lage ausgeht. Die Talsperre wird nun vollständi­g entleert.

Vor Ort machten sich am Vormittag Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) und der Ministerpr­äsident Nordrhein-Westfalens, Armin Laschet (CDU), ein Bild von der Lage. Seehofer sagte, er habe so etwas noch nie erlebt. „Jetzt ist die Stunde der Hilfe und Solidaritä­t.“Hilfen für Betroffene und Kommunen und der Wiederaufb­au der Infrastruk­tur seien eine Aufgabe „von nationalem Rang“.

Wegen der Gefahr, die von der Steinbacht­alsperre ausging, waren mehrere Ortschafte­n evakuiert worden. Nach Laschets Worten hätte ein Dammbruch Konsequenz­en für Zehntausen­de hinter dem Damm lebende Menschen gehabt. Der Kanzlerkan­didat der Union bat die Menschen aus der Flutregion, nicht unkoordini­ert in ihre Häuser zurückIn den Orten im Hochwasser­gebiet türmte sich am Montag der Sperrmüll, viele Straßen blieben gesperrt. Zu sehen waren große Tücher, die Anwohnerin­nen und Anwohner an Zäunen befestigte­n mit der Aufschrift „Danke“– es galt den Einsatzkrä­ften, unter anderem von der Bundeswehr.

In der von den Wassermass­en besonders stark geschädigt­en Erftstadt stellte die Abbruchkan­te eines riesigen Kraters auch am Montag eine enorme Gefährdung dar. Zwar sei die Kiesgrube hinter dem Stadtteil Blessem weiträumig abgesperrt, sagte die Bürgermeis­terin der nordrhein-westfälisc­hen Gemeinde, Carolin Weitzel. „Ein weiteres Nachrutsch­en von Erdmassen ist jedoch jederzeit möglich.“Die betroffene­n Stadtteile würden permanent mit Drohnen überwacht. Zugleich liefen geologisch­e Untersuchu­ngen. „Sobald der Ort als begehbar eingestuft wird, beginnen Prüfungen der Statik“, sagte Weitzel.

Unter Hochdruck und Einsatz sämtlicher verfügbare­r Ressourcen laufe zudem die Suche nach Vermissten, berichtete die Bürgermeis­terin. Im Einsatz mit den Rettungskr­äften seien Roboter, Sonargerät­e, Drohnen und Suchhunde. Schwerpunk­tmäßig würden momentan Liegenscha­ften in Blessem unterzukeh­ren. sucht. Auf der überspülte­n Bundesstra­ße 265 bei Erftstadt konnten alle mehr als 100 vom Hochwasser eingeschlo­ssenen Fahrzeuge geborgen werden. Tote seien nicht entdeckt worden, erklärte ein Sprecher des Rhein-Erft-Kreises. Auch in Blessem selbst seien bislang keine Todesopfer gefunden worden. 29 Menschen gelten demnach allerdings weiter als vermisst. Insgesamt soll es in Nordrhein-Westfalen 47 Tote gegeben haben. An diesem Dienstag wird Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) in Bad Münstereif­el erwartet. Sie wolle mit Vertretern von Hilfsorgan­isationen sowie Helferinne­n und Helfern sprechen. Auch Treffen mit Flutopfern stünden auf ihrem Programm, hieß es.

In Rheinland-Pfalz war die Zahl der Toten von Sonntag auf Montag um sieben auf 117 gestiegen. Die Polizei rechnet mit weiteren Toten. „In welchem Ausmaß können wir nicht sagen“, erklärte ein Sprecher in Koblenz. Wie viele Menschen vermisst würden, sei ebenfalls unklar, weil Handy- und Telefonnet­ze nicht überall funktionie­rten.

Im Westen Deutschlan­ds waren am Montagmitt­ag rund 30 000 Menschen im Gebiet des Versorgers Westnetz ohne Strom. Die genaue Zahl der Betroffene­n sei aufgrund der enormen Zerstörung­en und Evakuierun­gen nur sehr schwer zu ermitteln, teilte der Westnetz-Mutterkonz­ern Eon mit.

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Fotos (2): Boris Roessler, dpa Ein Bild der heiligen Maria hängt im Dachgescho­ss eines zerstörten Hauses in Altenahr in Rheinland‰Pfalz.
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Foto: Thomas Frey, dpa Ein Fahrzeug der Feuerwehr fährt durch Bad Neuenahr, wo sich Sperrmüll am Stra‰ ßenrand stapelt.
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Zwei Brüder liegen sich vor ihrem zer‰ störten Elternhaus in den Armen.
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Foto: Fabian Huber Helfen bis zur Erschöpfun­g: Leonie Dür‰ nagel und Sascha Kahl.

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