Auferstehen aus Ruinen
Etliche Hindernisse drohen den Wiederaufbau der zerstörten Orte zu bremsen. In Grimma kennt man das nur zu gut
Berlin/Düsseldorf Verwüstete Häuser, aufgerissene Straßen, eingestürzte Brücken: Der Wiederaufbau nach der Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen ist eine Herkulesaufgabe. Bund und Länder haben zwar schon umfangreiche Finanzhilfen in Aussicht gestellt, und im Bundesverkehrsministerium tagte schon eine Taskforce für die Reparatur kaputter Brücken, Gleise, Straßen und Mobilfunkmasten. Doch es warten viele Hindernisse.
„Nach der Elbflut 2002 hat es etwa drei Jahre gedauert, bis die größten Schäden behoben waren, und fünf Jahre, bis die betroffenen Gebiete wieder ordentlich aussahen“, sagt Reinhard Quast, Präsident des Zentralverbands des Deutsches Baugewerbes (ZDB). Um den Wiederaufbau zerstörter Häuser, Straßen und Brücken trotz hoch ausgelasteter Baufirmen und Materialengpässen zu stemmen, sei ein
Kraftakt von Politik und Wirtschaft notwendig. „Bauunternehmen und Handwerker können ihre Kapazitäten auf 120 bis 130 Prozent hochfahren“, sagt Quast. Aufträge könnten umgeschichtet und Prioritäten auf Krisenregionen gelenkt werden. Ebenso müsse die Politik öffentliche Aufträge in anderen Bereichen zurückstellen und Behörden unbürokratisch helfen, indem sie etwa Duplikate von weggeschwemmten Bauunterlagen aushändigten.
Auch der Oberbürgermeister der 2002 vom Jahrhunderthochwasser hart getroffenen sächsischen Stadt Grimma, Matthias Berger, stimmt die Menschen im Westen darauf ein, dass sie Geduld haben müssen. „Die Politik wird Wort halten. Es wird Geld geben. Aber es wird dauern. Denn Bürokratie und Katastrophe verträgt sich nicht.“Strom, Gas und Telefon seien in Grimma zwar recht schnell wieder zum Laufen gebracht worden. Bei vielen anderen Arbeiten brauche es aber Geduld. „Wir haben damals erst alles behelfsmäßig wiederhergestellt.“Die Straßen seien mit Schotter und Steinmehl wieder befahrbar gemacht worden, und es habe einige Zeit gedauert, bis sie wieder eine Asphaltdecke bekommen hätten. Doch lohne es sich, Geduld zu haben. „Deutschland ist behäbig, langsam, bürokratisch. Aber wenn es erst mal läuft, dann kommt es mit Wucht.“
Tatsächlich gibt es so manche Hürde, die einem raschen Wiederaufbau im Wege steht. Das fängt schon bei der Auftragsvergabe an. „Wir müssen schauen, dass wir das ganze Thema Ausschreibung und Vergabe so niedrigschwellig wie möglich gestalten. Wenn wir die Bauarbeiten europaweit ausschreiben müssen, verlieren wir ein halbes Jahr alleine für Ausschreibung und das Vergabeverfahren“, warnt Alexander Handschuh vom Deutschen Städte- und Gemeindebund.
Ein weiteres Problem sei der Personalmangel in vielen Bauämtern. „Da musste jahrelang gespart werden. Jetzt fehlt es an Bauingenieuren, und das könnte den Wiederaufbau verlangsamen“, fürchtet Handschuh. Die aktuellen Engpässe auf dem Rohstoffmarkt bei Holz oder Stahl seien eine zusätzliche Hürde. „Und auch bei den Baukapazitäten könnte es Engpässe geben, gerade wenn – wie etwa bei Brücken – Spezialfirmen gebraucht werden“, warnt der Branchenkenner.
Fehlendes Material muss zur Not von anderswo in die Hochwassergebiete gebracht werden, meint der Bauverband ZDB. „Wenn Rohre weggeschwemmt wurden, müssen sie aus dem Rest der Republik hergebracht werden“, sagt Präsident Quast. Doch selbst der Transport ist nicht immer einfach – denn auch Brücken wurden zerstört. „Ohne Behelfsbrücken müssen Baufirmen und Handwerker riesige Umwege fahren.“Und wer sein eingestürztes Haus neu bauen wolle, brauche ohnehin Geduld, heißt es im Baugewerbe. Es müsse schließlich erst geklärt werden, wo in den vom Hochwasser getroffenen Regionen in Zukunft noch gebaut werden dürfe, und Planung und Umsetzung nähmen dann weitere Zeit in Anspruch.
Dass viele Reparaturen mehr Zeit brauchen werden als wünschenswert, zeichnet sich schon ab. Der Versorger Energienetze Mittelrhein warnte, die Wiederherstellung der Gasversorgung im Kreis Ahrweiler in Rheinland-Pfalz könne im schlimmsten Fall Monate dauern. Und die Bürgermeisterin der Verbandsgemeinde Altenahr, Cornelia Weigand, sagt: „Es sieht so aus, als ob die Infrastruktur so stark zerstört ist, dass es in einigen Orten vielleicht über Wochen oder sogar Monate kein Trinkwasser geben wird.“