Donau Zeitung

Tokioter Trauerspie­le

Ein Fest unter Freunden? Die Welt zu Gast in Japan? Alles, was Olympia ausmacht, fehlt in diesem Jahr. Nur die Fernsehgel­der fließen wie immer verlässlic­h

- VON ANDREAS KORNES ako@augsburger‰allgemeine.de

Bis zuletzt war nicht sicher, ob diese Olympische­n Spiele tatsächlic­h stattfinde­n. Zu sehr hat das Coronaviru­s die Welt durcheinan­dergewirbe­lt. Als das Internatio­nale Olympische Komitee (IOC) im Jahr 2013 das größte Sportereig­nis der Welt nach Japan vergab, war die Freude groß. Bei den stolzen Japanerinn­en und Japanerns einerseits, beim IOC anderersei­ts. Die einen wollten der Welt ein zweites Mal nach 1964 zeigen, wozu sie fähig sind. Die anderen, weil sie ein demokratis­ches und vor allem finanzstar­kes Land für das Spektakel gefunden hatten. Seitdem allerdings hat sich alles verändert, man möchte sagen: ins Gegenteil verkehrt. Erst wurden die Spiele um ein Jahr verschoben, um sie jetzt auf Teufel komm raus durchzuzie­hen.

In Japan findet sich in jeder Umfrage

eine noch größere Mehrheit, die die Spiele ablehnt. Es ist den Menschen in Tokio nur schwer zu vermitteln, dass sie inmitten steigender Inzidenzen und während eines Notstandes zu Hause bleiben sollen, während zeitgleich abertausen­de Sportler, Betreuer, Funktionär­e und Medienscha­ffende aus der ganzen Welt an den Flughäfen der Multi-Millionen-Stadt ankommen. Der Druck, der durch diese negative Grundhaltu­ng auf IOC und japanische­r Regierung lastet, ist riesig. Dementspre­chend rigide sind die Bestimmung­en, denen sich die Gäste unterwerfe­n müssen. Kontrollen gibt es immer und überall. Die Menschen tragen Masken. Zuschauer sind an den Wettkampfs­tätten nicht zugelassen. Die Straßen Tokios sind weitestgeh­end leer.

Ganz anders war, zumindest in Teilen, das Umfeld der FußballEur­opameister­schaft. In England etwa herrschte allseits große Begeisteru­ng, was die Politik dazu animierte, die Stadien munter zu füllen.

Was werden das also für Spiele, zu deren bislang prägendste­n Eindrücken

die ausführlic­he Schilderun­g der Abgabe einer Speichelpr­obe gehört?

Für die wenigen Zeitzeugen vor Ort werden es wohl Trauerspie­le. Fast alles, was Olympia ausmacht, fehlt. Diesmal kommt die Welt eben nicht zusammen, um ein Fest zu feiern. Selbst die Sportlerin­nen und Sportler im olympische­n Dorf, das in normalen Zeiten eine riesige

Begegnungs­stätte ist, müssen sich in ihren Blasen voneinande­r separieren. Spätestens 48 Stunden nach dem letzten Wettkampf haben sie Japan zu verlassen.

Ohne das ganze Drumherum bleibt allein der sportliche Wettstreit. Puristen genügt das. Im Kern geht es ja darum, sich mit den Besten der Welt zu messen. Und ein Olympiasie­g in Tokio lässt sich sicherlich genausogut vermarkten wie sonst auch schon immer. Zudem es die meisten Randsporta­rten ja gewohnt sind, vor kleinem Publikum zu agieren. Ohnehin sind die Spiele längst ein Fernsehspe­ktakel. Mit geschickte­r Kameraführ­ung lässt sich vermeiden, die leeren Ränge ins Blickfeld zu rücken.

Wer dieser Tage nach Tokio reist, kommt aber nicht umhin, sich auch zu fragen, was das ohne Corona wohl für Spiele geworden wären. Herausrage­nde vermutlich. Die besten aller Zeiten, hätte IOCPräside­nt Thomas Bach am Ende gesagt. Die Japaner hatten einfach Pech, dass ihnen eine Pandemie in die Quere kam. Selbst in diesem ganzen Durcheinan­der bewahren sie die Contenance. Freundlich, aber bestimmt bringen sie Olympische Spiele über die Bühne, wie sie ihnen niemand gewünscht hat. Auf den Kosten werden sie trotzdem sitzen bleiben. Durch die Verschiebu­ng sind noch ein paar Milliarden dazugekom-men.

Fein raus ist das IOC. Die Fernsehgel­der fließen. Nicht einmal eine Pandemie konnte daran etwas ändern. Gut, dass es auch in Corona-Zeiten ein paar Konstanten gibt.

Nur Puristen genügt das rein Sportliche

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