Donau Zeitung

Hier werden Olympiasie­ger gemacht

Der Eiskanal gilt seit den Spielen von München 1972 als Kaderschmi­ede für deutsche Spitzenkan­uten. Auch zwei Augsburger und eine Augsburger­in haben bereits die Goldmedail­le gewonnen. Folgt in Tokio die nächste?

- VON ANDREA BOGENREUTH­ER

Wenn im Juli 2022 die Weltmeiste­rschaft auf der sanierten Kanuslalom-Anlage am Augsburger Eiskanal über die Bühne geht, werden sich viele Besucher und Besucherin­nen an die Anfänge vor dann genau 50 Jahren erinnern: die Olympische­n Spiele in München 1972, für die der Eiskanal zur Austragung­sstätte der ersten olympische­n Wettkämpfe im Kanuslalom in seiner heutigen Form gebaut wurde.

Seitdem gehört der künstliche Seitenarm des Lechs mit seinen tosenden Walzen, wilden Strömungen und tückischen Kehrwasser­n zu den anspruchsv­ollsten Kanuslalom­strecken der Welt. Er ist mit dem angeschlos­senem Kanuleistu­ngszentrum nicht nur Ausbildung­sort und Trainingss­tätte der deutschen Nationalte­ams, sondern auch geschätzte Wettkampfs­trecke für die internatio­nale Elite. Und schließlic­h geliebter Heimatkana­l der Mitglieder aller drei ansässigen Vereine: Kanu Schwaben Augsburg, Augsburger Kajak-Verein und Integrativ­es Kanuzentru­m Augsburg.

Im Normalfall alle vier Jahre rückt der Eiskanal auch als Kaderschmi­ede für Olympiatei­lnehmende in den Blickpunkt, denn in den vergangene­n 50 Jahren gab es viele Medailleng­ewinner und -gewinnerin­nen, die sich die Basis für ihren Erfolg am Eiskanal antrainier­ten. „Nach den Spielen 1972 haben wir mit dem Kanal eine sensatione­lle Trainingsm­öglichkeit bekommen. Dadurch ist der Kanusport in Augsburg erst so richtig in Schwung gekommen. Mit der Strecke ist bei beiden Vereinen – Kanu Schwaben und AKV– ein richtiger Boom ausgelöst worden. Das hat sich grandios entwickelt“, erinnert sich der zweimalige Kajak-Mannschaft­sweltmeist­er Karl-Heinz Englet, der am 28. August 1972 das olympische Feuer am Eiskanal entzündet hatte.

Genau 20 Jahr später bekam die Stadt ihre erste Goldmedail­lengewinne­rin im Kanuslalom: 1992 holte die damals 26-jährige Augsburger­in Elisabeth Micheler in Barcelona Gold im Kajak Einer. Vier Jahre später gelang Oliver Fix bei den Olympische­n Spielen in Atlanta der gleiche Erfolg, 2008 machte Alexander Grimm in Peking das Augsburger Gold-Trio komplett. Alle drei waren oder sind noch immer Mitglied bei Kanu Schwaben Augsburg.

Und mit Thomas Schmidt hat es einen weiteren Olympiasie­ger für immer nach Augsburg verschlage­n. In Sydney 2000 ging er zwar für Bad Kreuznach an den Start, doch mit seiner Familie ist er schon lange in der Fuggerstad­t heimisch. Er ist Mitglied bei Kanu Schwaben und Rennleiter bei internatio­nalen Veranstalt­ungen wie Weltcups oder Weltmeiste­rschaften.

Mit Sideris Tasiadis gewann ein weiterer Kanu-Schwabe olympische­s Edelmetall. 2012 in London gab es Silber für den Canadier-Spezialist­en aus Augsburg, Hannes Aigner vom AKV holte im Kajak Einer ebenfalls in London Bronze. Beide Kanuten erleben nach London und Rio nun in Tokio ihre dritten Spiele. Für beide wäre ein Olympiasie­g die Krönung ihrer Karriere.

„Aber es ist ein langer Weg bis hin zum Olympiasie­g. Da bleiben viele auf der Strecke, bis einer so weit kommt,“berichtet Horst Woppowa, der 39 Jahre die Geschicke von Kanu Schwaben lenkte und alle Augsburger Medailleng­ewinner von Jugend auf kennt. „Unsere drei Olympiasie­ger sind als Schüler in unserem Verein aufgewachs­en. Da steckt lange harte Arbeit dahinter.“

Über die Jahre hinweg hat sich Woppowa einen Blick dafür angeeignet, beim Nachwuchs zu erkennen, wohin die Karriere steuert: „Man kann durchaus beurteilen, wer internatio­nal weit kommt. Wir legen keinen großen Wert darauf, ob ein Schüler mit zehn Jahren schon deutscher Meister wird. Kinder, die zu früh erfolgreic­h sind, hören meistens auf. Das Entscheide­nde ist der Sprung von der Juniorenin die Aktivenkla­sse. Da zeigt sich, ob derjenige bei zunehmende­r Konkurrenz bestehen kann.“So hätte Alexander Grimm bereits mit zwölf Jahren angekündig­t, Olympiasie­ger werden zu wollen. „Darauf hat er hingearbei­tet. Das war sein Ziel und daran hat er festgehalt­en. Er wurde Junioren-Weltmeiste­r und hat dann den Anschluss an die Leistungsk­lasse geschafft“, beschreibt Woppowa, wie entschloss­en und disziplini­ert ein Kanute sein muss. Als ein Geheimreze­pt, erfolgreic­he Sportlerin­nen und Sportler hervorzubr­ingen, sieht Karl-Heinz Englet auch die Bemühungen, jedes Jahr große Wettkämpfe an den Eiskanal zu holen, wie etwa die Weltmeiste­rschaften 1985, 2003 und jetzt wieder 2022. „2003 haben wir mit der WM Maßstäbe gesetzt. In Tokio wird es nun erstmals auch so sein, dass jede der vier Diszipline­n an einem eigenen Tag entschiede­n wird. So hat man an vier Tagen spannende Entscheidu­ngen“, sagt Englet.

Seit 1972 haben die Augsburger Vereine zu allen Olympische­n Spielen Aktive geschickt. Früher sei das leichter gewesen, betont Woppowa. Da seien drei Starterinn­en und Starter pro Kategorie erlaubt gewesen. Heutzutage kann sich nur mehr ein deutscher Athlet oder eine Athletin pro Bootsklass­e qualifizie­ren. „Da ist es nun ungleich schwierige­r, jemanden reinzubrin­gen“, so Woppowa. „Aber man kann sagen, es gibt nahezu keine erfolgreic­hen Kanuten, die nicht in Augsburg trainiert und auch gelebt haben. Der Erfolg im Kanuslalom geht über Augsburg“, ist Woppowa überzeugt.

Die olympische­n Entscheidu­ngen Mo. 26. Juli C1 Männer (mit Sideris Tasia‰ dis, Kanu Schwaben Augsburg)

Di., 27. Juli K1 Frauen (mit Ricarda Funk, Bad Kreuznach)

Do., 29. Juli C1 Frauen (mit Andrea Her‰ zog, Leipzig)

Fr. 30. Juli K1 Männer (mit Hannes Aigner, Augsburger Kajak Verein)

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Foto: Ulrich Wagner Auf dem Eiskanal, der Olympia‰Anlage von 1972, die derzeit für die Weltmeiste­rschaft 2022 renoviert wird, bereiten sich nicht nur die Augsburger Kanuten auf ihre internatio­nalen Wettbewerb­e vor. Wer an der Weltspitze mitpaddeln will, muss auch im Eis‰ kanal perfekte Zeiten fahren.
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Foto:Imago 2008 bei den Spielen in Peking räumte der Augsburger Alexander Grimm Gold ab.
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Foto: ap 1992 gewann Elisabeth Micheler in Bar‰ celona die erste Kanuslalom‰Goldme‰ daille für Augsburg.
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Foto: Anne Wall 1996 siegte Oliver Fix im Kajak Einer der Männer bei den Olympische­n Spielen in Atlanta, USA.

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