Wie fair soll Sprache sein?
Zum Thema Gendern in unserer Zeitung erreichte uns in den vergangenen Tagen eine Vielzahl von Zuschriften
Sprache ist machtvoll
Danke an unsere Heimat-Zeitung, dass Sie gesellschaftlichen Wandel ernst nimmt – liberal, demokratisch, konstruktiv, harmonieorientiert. Bedauerlich sind die erwartbaren männlichen Kommentare. Liebe Mit-Männer in den Leserbriefen: Wenn es so einfach wäre, sich im anderen Geschlecht mitgedacht zu hoffen, bliebe letztlich nur noch, nach 2000 Jahren Männersprache einfach mal 2000 Jahre weibliche Sprache auszuprobieren. Vielleicht wird dann auch den Letzten klar, wie machtvoll Sprache ist. Danach sprechen wir uns wieder!
Prof. Gregor LangWojtasik, Mem mingen
Unnötige Gedanken
Liebe Damen in der Bundesrepublik Deutschland, macht doch bitte diesen sinnlosen Genderfake nicht mit! Kavaliere werden immer Zeichen der Höflichkeit gegenüber Frauen finden! Unerzogene, bildungsferne (männliche) Menschen werden durch das Gendern nicht besser. Nur ein Volk, das sonst keine Sorgen hat, beschäftigt sich mit solch unnötigen Gedanken.
Dieter A. Schwarz, Memmingen
Zeitgerecht und ausgleichend
Erstmals seit über 50 Jahren kamen mir heute früh starke Zweifel beim Blick in meine sehr geschätzte Allgäuer Zeitung. Im ersten Augenblick sah ich eine Flut von Sternchen, Doppelpunkten und Unterstrichen auf mich zukommen. Oh, nein – dachte ich: Unterwerfung an eine mitunter aggressiv auftretende Minderheit in unserer Gesellschaft? Auf Seite 5 folgten die Erläuterungen. Mein Blutdruck sank auf Normalwert und so gratuliere ich Ihnen zu diesem Kompromiss. Er ist die zeitgerechte, ausgleichende und gerichtsfeste Antwort auf den „Sturm im Wasserglas“. Vielen Dank.
Kurt A. Fischer, Kaufbeuren
Angriff auf unsere Sprache
Nach der unsäglichen Rechtschreibreform von 1996 erfolgt jetzt der nächste Angriff auf unsere Sprache. Diese ist das wichtigste Mittel zu unserer Verständigung, und jede Veränderung sollte sorgfältig bedacht sein. Unterschieden wird das Geschlecht in grammatisch = Genus und natürlich = Sexus. Die Sonderrolle des generischen Maskulinums ist doch die Geschlechterneutralität, wie zum Beispiel: der Bürger oder die Schüler. Damit sind ja bereits alle Geschlechter gemeint, Männer, Frauen und Diverse. Es gibt noch sehr viele offene Baustellen bis zur verwirklichten Gleichberechtigung, die Sprache sollte aber nicht dazu gehören.
Monika und Ewald Daubner, Füssen
Wir dürfen gespannt sein
Hoffentlich legen sich die Journalistinnen und Journalisten mit solchen Konstrukten wie „in diesem Text finden Sie eine gegenderte Formulierung, weil dies der Gesprächspartnerin/dem Gesprächspartner
bzw. der Leserbriefschreiberin/dem Leserbriefschreiber wichtig war“nicht selbst ein Kuckucksei in ihr Redaktionsnest, indem sie versuchen, jeder politischsensiblen Zeitungsleserin/jedem politisch-sensiblen Zeitungsleser gendergerechte Texte zu bieten, die selbst der wohlmeinendsten Abonnentin/dem wohlmeinendsten Abonnenten bei ihrer/seiner Morgenlektüre die Freude am Lesen verderben. Bleibt da in den Artikeln – selbst bei größtem Verständnis für die guten Absichten jeder einzelnen Mitarbeiterin/jedes einzelnen Mitarbeiters – noch Platz für sachliche Informationen? Wir dürfen gespannt sein.
Helmut Maschke, Nordendorf
Sprachliche Zirkusnummern
Über Ihre diesbezügliche Ankündigung bin ich geradezu empört. Haben Sie (besonders in der heutigen Zeit) nichts Besseres zu tun, als einem solchen Unfug zu frönen. Ich kann weiß Gott nicht verstehen, wie ein erwachsener Mensch sich mit einem solchen Mist beschäftigen kann (Lehrkräfte statt Lehrer, Kita-Personal statt Erzieher usw. – der jahrhundertelang gebrauchte Lehrling wurde ja bereits vor Jahren abgeschafft.) Es ist eine Schande, ein Kulturgut dieses Ranges so zu verhunzen. Goethe würde sich im Grabe umdrehen, wenn er sich dieses Gendergesäusel anhören müsste. Mir reicht es schon, dass der öffentlich rechtliche Rundfunk regen Gebrauch davon macht. Ich muss mir diese sprachlichen Zirkusnummern nicht auch noch in meiner bisherigen Heimatzeitung, die ich über viele Jahrzehnte geschätzt und abonniert habe, als Ärgernis vor Augen führen.
Friedrich Willert, Oberstdorf
Gelungener Kompromiss
Gendern polarisiert: Befürworter fordern einen diskriminierungsund hierarchiefreien Sprachgebrauch, Gegner wittern eine ideologisch motivierte Verunstaltung der deutschen Sprache. Das Ergebnis: emotional geführte Diskussionen und Unverständnis auf beiden Seiten. Inmitten dieser aufgeheizten Stimmung sind die neuen Leitlinien Ihrer Redaktion ein Hoffnungsschimmer. Ihre Vorgaben zum „sanften“Gendern können dazu beitragen, die aufgeheizten Gemüter zu beruhigen und die Debatte zu versachlichen. Denn die Vorgaben tragen einerseits dem Anliegen der Befürworter Rechnung, andererseits berücksichtigen sie bestehende Vorbehalte in der Bevölkerung. Freilich wird keine der beiden Seiten über diesen Kompromiss vollends glücklich sein – aber das ist auch gar nicht notwendig. Bekanntlich gelingt ein Kompromiss nämlich nur dann, wenn beide Seiten (zumindest ein bisschen) unzufrieden mit ihm sind. In diesem Sinne: Glückwunsch zu einem gelungenen Kompromiss!
Dominik Klucker, Frechenrieden
Sprachliche Darstellung der Wirklichkeit
Erst einmal herzlichen Dank, dass Sie sich entschlossen haben, dem weiblichen, also dem Leserinnenanteil Ihrer Zeitung mehr Aufmerksamkeit entgegenzubringen. Und dass Sie sich, wie sie schreiben, nach langen Diskussionen entschlossen haben, „sanft“vorzugehen damit. Wie aus den veröffentlichten Leserbriefen ersichtlich ist, ist das auch notwendig – nicht wegen uns Frauen, wir sind ja seit Jahrzehnten, was sage ich, seit Jahrhunderten gewohnt, entweder traditionellen Berufsbildern zu entsprechen, also Haus“frau“, Putz“frau“, Heb“amme“usw. zu sein – oder uns als Männer ansprechen zu lassen. Also, ja bitte, führen sie die zarten Männerseelen, die so leicht Schaden nehmen können, sanft in die sprachliche Darstellung der bundesdeutschen Wirklichkeit
ein, in der es halt nun – wenn auch erst seit 100 Jahren, nicht nur Ärzte, sondern auch Ärztinnen gibt, und seit 16 Jahren keinen Bundeskanzler, sondern eine Bundeskanzlerin. Verallgemeinernd könnten wir also sagen: die Bundeskanzler:innen unseres Landes, in dem im übrigen 51 % Frauenanteil gezählt werden.
Renate Gorke, Türkheim
Wer genau will das Gendern oder muss das haben?
Wie Sie in Ihrer Zeitung schreiben, können Sie es nicht allen recht machen. Also richten Sie sich nach einer lautstarken Minderheit. Ist das demokratisch? Und denken Sie auch an den Mehrverbrauch von Druckertinte bei diesen Gender-WortUngetümen? Wer genau will das Gendern oder muss es haben? Und wie ist das mit unseren ausländischen Mitbürgern? Müssen die jetzt einen Zusatz-Deutsch-GenderKurs belegen?
Monikas Nauy, Augsburg
Erträgliche Lösung gefunden
Im Prinzip haben Sie eine Lösung gefunden, die erträglich ist. Trotzdem stößt uns das Gendern sauer auf. Natürlich gehören wir zu den älteren Jahrgängen. Aber muss man die Sprache bewusst umgestalten wollen? Natürlich ist das eine Steigerung aus dem Feminismus, bei der eine Minderheit der Mehrheit ihren Stempel aufdrückt. Das Ziel, die Gleichberechtigung der Geschlechter zu forcieren, hat seine Berechtigung und fehlt noch in vielen Bereichen. Aber muss man deshalb die Sprache verhunzen? Das Problem taucht ja nur im Plural auf. Wenn es noch nicht so lange her ist, dass es in der Polizei, Feuerwehr usw. weibliche Mitglieder gibt, dauert es auch entsprechend lange, bis man sich daran gewöhnt hat, dass mit Polizisten auch Polizistinnen eingeschlossen sind. Das muss man nicht extra betonen. Jetzt wird ins Bewusstsein eingetragen, dass mit männlich/weiblich nicht alle erfasst werden.
Blanca Frisch de Flick und
Dr. Heiner Flick, Marktoberdorf
Die Veränderung ist zu begrüßen
Die sanfte Änderung in Richtung einer verständlichen und fairen Sprache, die die Gesellschaft besser abbildet, ist zu begrüßen. Dennoch stellt sich die Frage, ob es zum Teil doch eher um einen Geschlechterkampf geht. Unabhängig von Fragen nach Patriarchat oder Matriarchat war das Zusammenleben von Frauen und Männern über Jahrtausende eine erzwungene Kooperation, ohne die ein Überleben kaum möglich gewesen wäre. Der teilweise Wegfall dieser Zwänge in jüngster Zeit eröffnet die Möglichkeit der bewussten und freiwilligen Kooperation im Sinne einer aktiven Generierung von „Win-win“- Situationen. Unter diesem Gesichtspunkt sind Kämpfe‘‘ à la Alice Schwarzer inzwischen weitgehend obsolet. Die Änderung im Sprachgebrauch ist sicher wichtig, wichtiger ist aber die Änderung in den Köpfen hin zu mehr Sozialität und Liberalität – auch im Sinne der weitgehend wehrlosen Kinder und Alten.
Otto Dwaliawili, Augsburg
Entgegenkommen an eine Minderheit
Nun ist es also auch bei Ihnen so weit, dass Sie die ersten Schritte in das Gender-Mainstreaming vorbereiten! Die deutschsprachigen Minderheiten anderer Länder und Nachbar Österreich werden verwundert zu uns schauen, die Lehrerschaft und deutschen Auslandsinstitute werden hilflos Fragen stellen. Ihr sanftes Entgegenkommen an eine demokratisch nicht legimitierte radikale Minderheit wird in den folgenden Stufen ein Albtraum für Eltern werden, die Zerstörung von Familienstrukturen ist absehbar.
Konrad Geißler, Kaufering
Grammatikalischer Unsinn
Dieser grammatikalische Unsinn ist für mich nicht erträglich. Auch nicht abgeschwächt. Das stört mich seit der Einführung der „innenBewegung“der Grünen. Wir haben doch andere Sorgen, als uns mit solchen Spinnereien zu beschäftigen. Die derzeitige Lage zeigt uns doch, was wirklich wichtig ist. Edda Willert, Diedorf
Ich bin weder „Kolleg“noch „Kund“
Ich plädiere seit langem dafür, dem Beispiel anderer Länder zu folgen und das Gendern im öffentlichen Sprachgebrauch zu verbieten. Wer das privat machen will, soll es tun. Ob er damit dann sehr gut ankommt, wage ich allerdings zu bezweifeln. Ich habe kürzlich in einem Artikel von Kolleg*innen und an anderer Stelle von Kund*innen gelesen (nicht bei Ihnen). Dazu muss ich sagen, ich bin weder ein „Kolleg“noch ein „Kund“. Mit einer solchen Verhunzung der deutschen Sprache fühle ich mich dann diskriminiert. Wer dieses Gendern nötig hat, beweist nur sein eigenes Minderwertigkeitsgefühl. Meine Ehefrau hat ziemlich genau 30 Jahre nur unter Männern gearbeitet. Sie hatte nie ein Problem damit, hat im Gegenteil immer wieder betont, dass die Jahre davor mit weiblichen Kolleginnen wesentlich anstrengender waren.
Leo Barisch, Weißenhorn
Grammatik und Inhalt sind wichtiger als gendern
Gründliche Recherche, sachliche Berichterstattung, Beachten der Regeln für Grammatik und Rechtschreibung, gutes Deutsch statt „Denglisch“sind wichtiger als gendern.
Ortrud Sedlmair, Augsburg
Ein wichtiger Schritt, der nicht wehtut
Wäre das Thema für uns Frauen nicht so wichtig, könnte ich mich sehr über einige der von Männern verfassten Leserbriefe zum Thema gendergerechte Sprache amüsieren. Schon seit Mai wird teilweise gendergerechte Sprache vom Redaktionsteam verwendet. Das freut mich sehr und bisher hat sich wohl niemand daran gestört. Auch der Lesefluss wurde dadurch nicht behindert. Haben diese Männer Angst vor dem Verlust von Privilegien, wenn das generische Maskulinum wegfällt? Keine Sorge, die Neuerung tut nicht weh und ist ein wichtiger Schritt in Richtung Gleichberechtigung. Dem Team der Augsburger Allgemeinen gebührt mein Dank für diese Entscheidung.
Maria Schwarz, Diedorf
„Ich gratuliere Ihnen und Ih rem Team zu dieser Ent scheidung und hoffe, dass Sie in der Printpresse möglichst viele Nachahmer dieser her vorragenden Idee finden. Als langjähriger Abonnent des Allgäuers fühle ich mich in meiner Meinung, eine ver nünftige und seriöse Tages zeitung abonniert zu haben, wieder einmal bestätigt. Machen Sie weiter so!“
Hans Abel, Kaufbeuren
„Sternchen und Bindestrich stören mich beim Lesen, ich finde neutrale Formen oder beide wie Leserinnen und Leser, Polizistinnen und Poli zisten viel besser. Ich selbst habe nicht nur männliche Polizisten vor Augen beim Lesen der männlichen Form.“
Christine Sinz, Immenstadt