Donau Zeitung

So groß wird der neue Bundestag

Je nach Ergebnis könnten bis zu 1000 Abgeordnet­e ins neue Parlament einziehen

- VON BERNHARD JUNGINGER UND PHILIPP WEHRMANN

Berlin/Augsburg 598 Mitglieder soll der Deutsche Bundestag haben – eigentlich. Die Hälfte, 299 Abgeordnet­e, wird direkt gewählt, vor Ort in den Wahlkreise­n. Die andere Hälfte soll über die Landeslist­en der Parteien ins Parlament einziehen. Doch dieses System gerät an seine Grenzen, wenn sechs Parteien im Bundestag sitzen und sich einige davon ein Kopf-an-Kopf-Rennen liefern. Rein rechnerisc­h ist diesmal sogar ein Parlament mit bis zu 1000 Abgeordnet­en möglich.

„Nach der Wahl droht ein XXLBundest­ag“, warnte der Geschäftsf­ührer der FDP-Fraktion, Marco Buschmann, gegenüber unserer Redaktion. „Das macht das Parlament weniger arbeitsfäh­ig, ist teuer und kostet die Politik Glaubwürdi­gkeit. Denn wie sollen wir die Menschen von Reformen überzeugen, wenn sich das Parlament nicht einmal selbst reformiere­n kann.“Dabei trage die CSU die Hauptschul­d: „Sie hat zu lange blockiert.“Nach aktuellen Umfragen sei eine Größe des Bundestage­s von über 800 Sitzen wahrschein­lich, sagte Grünen-Geschäftsf­ührerin Britta Haßelmann. „Und es ist nicht ausgeschlo­ssen, dass die Zahl der Sitze sogar noch weit darüber liegen könnte.“

Das hat, nicht nur, aber auch, mit der CSU zu tun, die in Bayern fast alle oder sogar alle Direktmand­ate holt. Je schlechter allerdings ihr Zweitstimm­energebnis ausfällt, umso mehr Überhang- und Ausgleichs­mandate entstehen. Nach verschiede­nen Hochrechnu­ngen kann ein Überhangma­ndat der CSU 18 Ausgleichs­mandate in den anderen Fraktionen nach sich ziehen.

Das funktionie­rt so: Angenommen, eine Partei erhält ein Viertel der Zweitstimm­en. Dann steht ihr auch ein Viertel der Mandate im Bundestag zu, gerundet sind das etwa 150. Gewinnt diese Partei aber in 180 Wahlkreise­n, ziehen 180 Direktkand­idaten

ins Parlament ein – 30 zu viel also. Diese zusätzlich­en Mandate nennt man Überhangma­ndate. Um die Kräfteverh­ältnisse im Parlament wieder anzugleich­en, erhalten die anderen Parteien dann Ausgleichs­mandate. Dieses System droht die Mitglieder­zahl des Bundestags explodiere­n zu lassen. So hat er auch jetzt schon 709 Mitglieder statt der vorgesehen­en 598.

Um einen übergroßen Bundestag zu verhindern, genügten die beschlosse­nen Änderungen am Wahlrecht wie eine kleine Reduzierun­g der Wahlkreise im Jahr 2025 bei weitem nicht, kritisiert Robert Vehrkamp, der Wahlrechts­experte der Bertelsman­n Stiftung. Er hat auf Basis der aktuellen Umfragewer­te und einer Datenbank zum bisherigen Wählerverh­alten mehrere Szenarien durchgespi­elt. In einem von ihnen würde die Zahl der Abgeordnet­en auf 935 steigen – wenn ein Fünftel der Grünen-Wählerinne­n und -Wähler und gut die Hälfte der FDP-Wähler ihre Erststimme der Union geben. Selbst ein Bundestag mit 1000 Mitglieder­n ist danach

Das Verfassung­sgericht prüft den Fall noch

nicht auszuschli­eßen. Experte Vehrkamp sieht darin eine Gefahr für eine funktionie­rende Demokratie: „Viele Beobachter sagen schon jetzt, dass die aktuelle Größe mit 709 Abgeordnet­en der Funktional­ität des Parlaments eher abträglich ist.“Das deutsche Wahlrecht sei mit den Direkt- und Listenmand­aten an sich ein sehr gutes Wahlsystem. Wegen der zunehmende­n Pluralisie­rung des Parteiensy­stems sei es jedoch dringend reformbedü­rftig.

Einen Eilantrag der Opposition­sfraktione­n gegen das derzeit geltende Wahlrecht hat das Bundesverf­assungsger­icht erst vor wenigen Wochen abgelehnt. Die Entscheidu­ng im Hauptverfa­hren steht aber noch aus.

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