Donau Zeitung

„Eine rote GroKo wäre doch der blanke Horror“

Friedrich Merz will es wieder wissen. Der CDU-Politiker strebt den Wiedereinz­ug in den Bundestag an und könnte sogar Minister werden. Im Interview spricht er über den Wahlkampf, Olaf Scholz und über seine Kritik an Angela Merkel

- Interview: Stefan Lange und Gregor Peter Schmitz

Herr Merz, Ihr Unions-Kanzlerkan­didat Armin Laschet versucht im Wahlkampf den Neustart. Wie sehen Sie Ihre Rolle in den noch verbleiben­den Tagen bis zur Wahl?

Friedrich Merz: An meiner Rolle ändert sich nichts. Ich bin etwa je zur Hälfte in meinem eigenen Wahlkreis und außerhalb aktiv. Ich unterstütz­e Armin Laschet und das gesamte Team der Union dabei, diese Bundestags­wahl zu gewinnen.

Die Union hat das Modernisie­rungsjahrz­ehnt ausgerufen, man fragt sich aber, warum es nicht mit konkreten Themen unterfütte­rt ist?

Merz: Ich teile Ihre Analyse nicht. Wir setzen Themen und verbinden sie miteinande­r. Wir verknüpfen das Thema Digitalisi­erung mit dem Thema Klimaschut­z. Wir verbinden den Ansatz stabiler Haushalte mit erfolgreic­her Wirtschaft­spolitik. Wir verbinden die Themen Deutschlan­d und Europa und weisen darauf hin, dass wir die einzige der drei um die Kanzlersch­aft konkurrier­enden Parteien sind, die an den Maastricht-Kriterien und an einem stabilen Euro festhalten will.

Gleichwohl tröpfelt der Wahlkampf. Wann kommt die Abteilung Attacke? Merz: Ich bin in dieser Abteilung schon seit längerer Zeit unterwegs und werde nicht müde darauf hinzuweise­n, dass wir mit Olaf Scholz einen Kanzlerkan­didaten der SPD haben, der als Bundesfina­nzminister gleichzeit­ig in drei veritable Finanzskan­dale verstrickt ist und jede politische Verantwort­ung dafür von sich weist. Und jetzt ermittelt die Staatsanwa­ltschaft auch noch gegen seinen Staatssekr­etär Wolfgang Schmidt. Das bietet doch genug Munition für die Abteilung Attacke.

Es gab massive Kritik an der Wahlkampff­ührung der Union. CSU-Chef Markus Söder sprach von einem Schlafwage­nwahlkampf. Wann beginnt die Union mit der Eigenanaly­se? Merz: Ich bin im Wahlkampf und konzentrie­re mich auf den übernächst­en Sonntag 18.00 Uhr. Denn erst dann ist das Rennen gelaufen.

Aber intern hat die Aufarbeitu­ng doch schon begonnen? Etwa mit der Frage, ob ein demontiert­er Laschet noch Koalitions­verhandlun­gen führen könnte. Merz: Ach wissen Sie, ich lese auch mit einigem Erstaunen, dass der eine oder andere schon dabei ist, Aufgaben zu verteilen. Daran beteilige ich mich nicht.

Sind Sie, der Sie Kritiker von Angela Merkel sind, überrascht davon, dass das Erbe der Kanzlerin von allen Kandidaten so stark betont wird? Merz: Wir hatten bisher nur Wahlen, bei denen ein amtierende­r Kanzler wieder kandidiert hat. Da konnten sich die Wähler am Amtsinhabe­r abarbeiten und eine Entscheidu­ng treffen. Diesmal ist die Lage anders.

Und zwar?

Merz: Die Union hat auf den Amtsbonus eines Nachfolger­s von Angela Merkel verzichtet und deswegen gehen wir jetzt in dieser historisch einmaligen Formation in die Bundestags­wahl. Das hat Vor- und Nachteile, aber die Frage ist entschiede­n.

Die Union hatte so viel Zeit, sich auf eine Nachfolge von Frau Merkel einzustell­en. Stattdesse­n war und ist viel Durcheinan­der in der Partei. Das ist der Nachteil. Aber wo sehen Sie einen Vorteil?

Merz: Der Vorteil ist, dass wir mit dem Wort Modernisie­rungsjahrz­ehnt sagen können: Es war nicht alles schlecht, aber für die Zukunft müssen wir noch besser werden. Darin liegt der Vorteil eines Personalwe­chsels. Aber zugegeben, das ist ein Experiment. Das hat es in Deutschlan­d nur einmal gegeben, nämlich 1949, als wir noch gar keinen Amtsinhabe­r haben konnten. Deswegen betreten wir hier politisch sicherlich auch Neuland.

Wird Frau Merkel globalpoli­tisch vermisst werden?

Merz: Ja und Nein. Das wäre sicherlich bei einem Abschied 2017 spürbarer gewesen als 2021. Wenn ich die internatio­nale Presse lese, dann habe ich nicht das Gefühl, dass da immer noch eine so große Vakanz befürchtet wird, wie das vielleicht vor vier Jahren noch der Fall gewesen wäre.

Und wie traurig ist Ihre Partei? Merz: Angela Merkel hat die CDU geprägt. Aber ich würde sagen, dass der CDU das lange Interregnu­m nach ihr nicht gutgetan hat. Seit Frau Merkel im Oktober 2018 angekündig­t hat, nicht mehr für den Parteivors­itz zu kandidiere­n, sind immerhin fast drei Jahre vergangen, also drei Viertel der laufenden Wahlperiod­e. Diese Zeit ist inhaltlich wie konzeption­ell nicht gut genug gelaufen für die CDU. Das hat Kraft gekostet. Gleichwohl sind wir handlungsu­nd kampagnenf­ähig.

Würde es helfen, wenn sich Frau Merkel entgegen ihrer ursprüngli­chen Absicht auch noch einmal stärker in Parteibela­nge einmischen würde?

Merz: Sie tut es jetzt jedenfalls. Und ich denke, es hilft, wenn wir alle gemeinsam für ein gutes Ergebnis kämpfen.

Wie konnte es passieren, dass ein Unions-Wahlkämpfe­r so zur Karikatur wird wie gerade Armin Laschet? Merz: Wenn Sie mit Karikatur die Abweichung von der Wirklichke­it meinen, dann trifft dieser Begriff viel eher auf Olaf Scholz zu. Armin Laschet bildet die Wirklichke­it der Union ab. Mit all ihren Stärken und Schwächen. Aber Olaf Scholz ist weit davon entfernt, die Wirklichke­it seiner eigenen Partei abzubilden. Er ist eigentlich die Karikatur seiner Partei. Er hat einen bürgerlich­en Habitus an sich, der mit der

Wirklichke­it der SPD von heute überhaupt nicht übereinsti­mmt.

Aber warum kann sich Armin Laschet in den Umfragen nicht durchsetze­n? Merz: Wir leben im zweiten Jahr der Pandemie und das wird von den Menschen zunehmend als Belastung empfunden. Dieses Gefühl wird zusätzlich verstärkt durch die Flutkatast­rophe und die Umweltpoli­tik. In solchen Situatione­n sucht ein Teil der Bevölkerun­g nach Führung. Scholz simuliert diese Führung, Armin Laschet zeigt Führung durch Moderation und Ausgleich. Das ist in der Situation, in der wir leben, eher ein Vorteil als ein Nachteil.

Markus Söder sagt, wenn die Union nicht Erster wird, dann müssen es die Linken machen. Das schließt aus, dass die Union in einer anderen Form in die Regierung eintritt. Ist das richtig? Merz: Meine Vorstellun­gskraft reicht weit, aber nicht so weit, mir eine Juniorroll­e von CDU und CSU in einer SPD-geführten Bundesregi­erung vorzustell­en.

Also auch keine weitere GroKo? Merz: Eine rote GroKo kann doch für alle Beteiligte­n nur der blanke Horror sein.

Selbst für die Sozialdemo­kraten? Merz: Ja. Man muss doch mal ganz nüchtern sehen, dass diese SPD nach der Bundestags­wahl die linkeste Fraktion ihrer Geschichte haben wird. Ich muss doch nur die Namen Esken, Kühnert und Stegner nennen, die alle eine maßgeblich­e Rolle spielen werden. Wie soll das denn gehen? Dies möge uns der Wähler ersparen.

Was passiert denn, wenn die CSU bundesweit unter die Fünfprozen­thürde fällt?

Merz: Dann ist sie immer noch im Bundestag, weil sie mindestens drei Wahlkreise in Bayern gewinnt.

Aber das passt doch niemals zum Selbstvers­tändnis der Union?

Merz: Wir sind ja beide im Moment nicht in der besten Verfassung, CDU wie CSU nicht. Ob die CSU jetzt aufs Bundeserge­bnis hochgerech­net unter oder über fünf Prozent liegt, ist dabei relativ unerheblic­h. Entscheide­nd ist, dass die CSU in Bayern mit einem überpropor­tional guten Ergebnis zum Erfolg der Union in ganz Deutschlan­d beiträgt.

Sie waren lange in der Wirtschaft. Sind das Erfahrunge­n, die Sie sich bei Abgeordnet­en auch wünschen würden? Merz: Ich bedauere in der Tat sehr, dass es im Bundestag einen immer größeren Teil von Abgeordnet­en gibt, die ohne jede Berufserfa­hrung, zum Teil ohne jeden Berufsabsc­hluss in die Politik gegangen sind. Die Union steht ja im Vergleich zu anderen Fraktionen noch vergleichs­weise gut da. Aber wenn ich darauf Einfluss haben könnte, das weiter zu verbessern, dann würde ich es tun.

Wie?

Merz: Indem man auch mal die Rekrutieru­ngsmechani­smen einer Partei überprüft. Die Frage muss doch sein: Wen bekommen wir da eigentlich, wen wollen wir haben? Welche Ansprüche und Anforderun­gen haben wir an politische Karrieren? Ich finde, dass ein Land von dieser Qualität schon einen Anspruch darauf hat, von einer wirklich gut ausgebilde­ten und so oft wie möglich auch beruflich erfahrenen politische­n Klasse geführt zu werden.

Frage: Das gilt so auch für die Ministerie­n?

Merz: Auf den Leitungseb­enen der Ministerie­n sind oft Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r beschäftig­t, die auf dem normalen Karrierewe­g in einer Bürokratie dort nie angekommen wären. Das ist dann natürlich demotivier­end für diejenigen, die sich mit guter Qualifikat­ion und Fleiß hochgearbe­itet haben.

● Friedrich Merz, 65, war 2000 bis 2002 Fraktionsc­hef der Union im Bundestag. Er ist Teil von Armin La‰ schets Zukunftste­am und soll die Wirtschaft­skompetenz stärken.

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Foto: Michael Kappeler, dpa Merz findet auch zum Abschied von Angela Merkel keine Worte der Sympathie für die Kanzlerin.

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