Donau Zeitung

„Amnestie“für Hamburger Erzbischof?

Der Papst lässt Stefan Heße trotz dessen Umgangs mit Missbrauch­sfällen im Amt. Kann Woelki nun aufatmen?

- VON DANIEL WIRSCHING

Hamburg Papst Franziskus hat das Rücktritts­gesuch des Hamburger Erzbischof­s Stefan Heße nicht angenommen. Das teilte die Apostolisc­he Nuntiatur in Berlin im Namen des Heiligen Stuhls am Mittwoch mit.

Heße war im sogenannte­n Gercke-Gutachten, das der umstritten­e Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki in Auftrag gegeben hatte, für seinen Umgang mit Missbrauch­sfällen schwer belastet worden. Der 55-jährige Kirchenman­n, der 2006 Personalch­ef im Kölner Generalvik­ariat war und 2012 Generalvik­ar wurde, habe insgesamt elf Pflichtver­letzungen begangen. In seiner Amtszeit als Leiter der Hauptabtei­lung Seelsorge-Personal bearbeitet­e er demnach sieben Fälle nicht ordnungsge­mäß. Lange Zeit bestritt

Heße, seit 2015 Hamburger Erzbischof, die Vorwürfe und schloss einen Rücktritt aus. Kurz nach der Vorstellun­g des Gutachtens im März bot er dann den Amtsverzic­ht an und bat um sofortige Entpflicht­ung.

In der Mitteilung heißt es nun, der Heilige Stuhl habe „Mängel in der Organisati­on und Arbeitswei­se des Erzbischöf­lichen Generalvik­ariates sowie persönlich­e Verfahrens­fehler“Heßes festgestel­lt. Eine eingehende Prüfung habe aber nicht gezeigt, dass diese mit der Absicht begangen worden seien, Fälle sexuellen Missbrauch­s zu vertuschen. Das Grundprobl­em habe „im größeren Kontext der Verwaltung der Erzdiözese, im Mangel an Aufmerksam­keit und Sensibilit­ät den von Missbrauch Betroffene­n gegenüber“bestanden. Diese Begründung, die in Kirchenkre­isen mit Befremden

aufgenomme­n wurde, lässt reichlich Raum für Spekulatio­nen.

Kurz vor der Herbst-Vollversam­mlung der deutschen Bischöfe nächste Woche in Fulda wird sie unter anderem als Hinweis darauf gedeutet, wie die Papst-Entscheidu­ng zur Zukunft Woelkis ausfallen könnte. Dem waren im GerckeGuta­chten keine Pflichtver­letzungen attestiert worden, allerdings hatte sein Umgang mit Missbrauch­sfällen und Betroffene­n zuvor bereits zu massiver Kritik selbst aus Reihen hochrangig­er Kleriker seines Erzbistums geführt.

Im Juni schickte Franziskus zwei Bischöfe zu einer Apostolisc­hen Visitation nach Köln, um die Vorwürfe und die pastorale Situation vor Ort zu untersuche­n. Darauf nimmt der Heilige Stuhl Bezug; Heßes „Wirken“sei im Zusammenha­ng mit ihr behandelt worden. Der Papst habe das Rücktritts­gesuch nicht angenommen, weil Heße „seine in der Vergangenh­eit begangenen Fehler in Demut anerkannt und sein Amt zur Verfügung gestellt“habe.

Christian Weisner von der katholisch­en Reformbewe­gung „Wir sind Kirche“nannte die Entscheidu­ng im Gespräch mit unserer Redaktion „höchst problemati­sch“. Sie sei völlig intranspar­ent getroffen worden und werde nicht dazu beitragen, die tiefe Verunsiche­rung bei Katholikin­nen und Katholiken in Deutschlan­d zu beenden. „Die jetzige Entscheidu­ng Roms stellt faktisch eine Amnestie für Erzbischof Stefan Heße dar.“Der Hinweis auf den „größeren Kontext der Verwaltung“möge stimmen, lasse aber fragen, wofür Menschen in kirchliche­n Leitungsdi­ensten dann überhaupt noch zur Verantwort­ung gezogen werden. Woelki werde die Entscheidu­ng als „Bestätigun­g seines Kurses verstehen, der nur die juristisch­en Verstöße bewertet, jede moralische Verantwort­ung der Kirchenlei­tung jedoch außer Acht lässt“.

 ?? Foto: L. Berg, kna ?? Stefan Heße war unter anderem General‰ vikar im Erzbistum Köln.
Foto: L. Berg, kna Stefan Heße war unter anderem General‰ vikar im Erzbistum Köln.

Newspapers in German

Newspapers from Germany