Corona verteuert Wohnen auf dem Land
Durch die Pandemie sind die Preise für Häuser und Wohnungen abseits der Städte um bis zu 20,6 Prozent gestiegen. Für Familien mit kleinem Einkommen werde der Kauf zunehmend unerschwinglich, warnt die Hans-Böckler-Stiftung
Düsseldorf Bringt die Corona-Krise die Wende am heiß gelaufenen Immobilienmarkt? Darüber ist im vergangenen Jahr 2020 viel spekuliert worden. Eingetreten ist das genaue Gegenteil, wie eine neue Studie der Hans-Böckler-Stiftung zeigt: Die Preise sind weiter gestiegen, die Corona-Krise hat die Ungleichheit am Wohnungsmarkt weiter verschärft. Mieterinnen und Mieter müssen für eine neue Wohnung häufig einen größeren Teil ihres Einkommens zahlen. Noch schwieriger ist die Situation für Immobilienkäuferinnen und Immobilienkäufer geworden. Wohneigentum werde vielerorts vor allem für Haushalte mit durchschnittlichem oder kleinerem Einkommen „zunehmend unerschwinglich“, schreiben Professor Tobias Just und Rupert Eisfeld von der Universität Regensburg. Besonders tragisch an der Entwicklung sei, dass die Preise vor allem dort zulegten, wo sie lange noch als erschwinglich galten. Nämlich auf dem Land.
Anders als eine Zeit lang zu Beginn der Corona-Pandemie erwartet worden war, gab es durch die Krise keinen Einbruch auf den Immobilienmärkten. Die Baustellen blieben offen, die Neubautätigkeit sei nicht unterbrochen worden. Das CoronaJahr 2020 habe am Trend stark anziehender Immobilienpreise und wachsender Mieten wenig geändert. Das Problem: „Die weitgehende Kontinuität bedeutet auch, dass Mieten und vor allem Kaufpreise wie in den Vorjahren stärker stiegen als die Einkommen“, beschrieb die Hans-Böckler-Stiftung am Mittwoch das Problem. „Das vergrößert die Ungleichheit auf den Wohnungsmärkten.“
Die Forscher verzeichneten im eine satte Preissteigerung für Immobilien: Eigentumswohnungen verteuerten sich bundesweit zwischen dem 1. Quartal 2020 und dem 1. Quartal dieses Jahres um stolze 17 Prozent, Einfamilienhäuser um 15,6 Prozent. In Niedrigzinszeiten sind Immobilien nach wie vor begehrte Anlagen. Corona verstärkte den Preisschub: „Da zeitweilig pandemiebedingt Arbeitskräfte auf dem Bau fehlten, vor allem aber die Materialkosten deutlich stiegen, zogen Baupreise spürbar nach oben.“
Wer eine Wohnung oder ein Haus kaufen wollte, schaute sich in der Pandemie auch stärker auf dem Land um. Die Forscher haben Internetsuchanfragen analysiert. Ergebnis: Die Suchanfragen nach „Balkon“, „Garten“oder „Arbeitszimmer“seien während der Pandemie nach oben geschossen, ebenso wie „Haus kaufen“. Abseits der Großstädte seien die Preise für Eigentumswohnungen damit besonders stark gestiegen: In städtischen Kreisen um 17,5 Prozent, in dünn besiedelten ländlichen Kreisen sogar um 20,6 Prozent. Häuser legten in städtischen Kreisen um 17,7 Prozent zu, in dünn besiedelten ländlichen Kreisen um 18,2 Prozent.
In ihrer Studie haben die Forscher die Preisentwicklung einem Szenario gegenübergestellt, wie sich der Immobilienmarkt ohne Corona entwickelt haben könnte. Das Ergebnis: Corona hat die Preisentwicklung im ländlichen Raum zusätzlich befeuert. In den dünn besiedelten Kreisen stiegen die Preise für Eigentumswohnungen zum Beispiel 5,6 Prozentpunkte stärker als es ohne Pandemie zu erwarten gewesen wäre. „Damit zogen die Angebotspreise ausgerechnet in Regionen stärker an, die für Immobilieninteressenten mit kleineren oder mittleCorona-Krisenjahr ren Einkommen noch eher erschwinglich waren“, warnt die Hans-Böckler-Stiftung. „Gerade für Haushalte ohne Ersparnis wurde der Zugang zu Wohneigentum im Zuge der Pandemie erschwert“, berichten Just und Eisfeld.
Ähnlich sieht die Lage am Mietmarkt aus: Die Nachfrage nach Wohnraum habe 2020 zwar weniger stark zugenommen als in den Vorjahren, da zum Beispiel in der Corona-Krise weniger Menschen aus dem Ausland nach Deutschland kamen. Die Angebotsmieten für Neuverträge legten der Studie zufolge bundesweit im Schnitt um 5 Prozent zu – auf dem Land dabei stärker als in der Stadt. Gleichzeitig hätten viele Haushalte durch die Corona-Krise aber auch an Einkommen eingebüßt. Nicht für jeden konnten das Kurzarbeitergeld, der Kinderbonus oder Hilfen für Selbstständige alle Krisenfolgen kompensieren.
Die Erschwinglichkeit von Mietwohnungen habe sich damit für viele verschlechtert. Betroffen seien vor allem ärmere Haushalte. „Selbst wenn ihre Miete nicht oder nur wenig steigen würde, müssten solche Haushalte einen spürbar größeren Teil ihrer nun geringeren Einkünfte fürs Wohnen ausgeben“, warnt die Hans-Böckler-Stiftung.