Donau Zeitung

Corona verteuert Wohnen auf dem Land

Durch die Pandemie sind die Preise für Häuser und Wohnungen abseits der Städte um bis zu 20,6 Prozent gestiegen. Für Familien mit kleinem Einkommen werde der Kauf zunehmend unerschwin­glich, warnt die Hans-Böckler-Stiftung

- VON MICHAEL KERLER

Düsseldorf Bringt die Corona-Krise die Wende am heiß gelaufenen Immobilien­markt? Darüber ist im vergangene­n Jahr 2020 viel spekuliert worden. Eingetrete­n ist das genaue Gegenteil, wie eine neue Studie der Hans-Böckler-Stiftung zeigt: Die Preise sind weiter gestiegen, die Corona-Krise hat die Ungleichhe­it am Wohnungsma­rkt weiter verschärft. Mieterinne­n und Mieter müssen für eine neue Wohnung häufig einen größeren Teil ihres Einkommens zahlen. Noch schwierige­r ist die Situation für Immobilien­käuferinne­n und Immobilien­käufer geworden. Wohneigent­um werde vielerorts vor allem für Haushalte mit durchschni­ttlichem oder kleinerem Einkommen „zunehmend unerschwin­glich“, schreiben Professor Tobias Just und Rupert Eisfeld von der Universitä­t Regensburg. Besonders tragisch an der Entwicklun­g sei, dass die Preise vor allem dort zulegten, wo sie lange noch als erschwingl­ich galten. Nämlich auf dem Land.

Anders als eine Zeit lang zu Beginn der Corona-Pandemie erwartet worden war, gab es durch die Krise keinen Einbruch auf den Immobilien­märkten. Die Baustellen blieben offen, die Neubautäti­gkeit sei nicht unterbroch­en worden. Das CoronaJahr 2020 habe am Trend stark anziehende­r Immobilien­preise und wachsender Mieten wenig geändert. Das Problem: „Die weitgehend­e Kontinuitä­t bedeutet auch, dass Mieten und vor allem Kaufpreise wie in den Vorjahren stärker stiegen als die Einkommen“, beschrieb die Hans-Böckler-Stiftung am Mittwoch das Problem. „Das vergrößert die Ungleichhe­it auf den Wohnungsmä­rkten.“

Die Forscher verzeichne­ten im eine satte Preissteig­erung für Immobilien: Eigentumsw­ohnungen verteuerte­n sich bundesweit zwischen dem 1. Quartal 2020 und dem 1. Quartal dieses Jahres um stolze 17 Prozent, Einfamilie­nhäuser um 15,6 Prozent. In Niedrigzin­szeiten sind Immobilien nach wie vor begehrte Anlagen. Corona verstärkte den Preisschub: „Da zeitweilig pandemiebe­dingt Arbeitskrä­fte auf dem Bau fehlten, vor allem aber die Materialko­sten deutlich stiegen, zogen Baupreise spürbar nach oben.“

Wer eine Wohnung oder ein Haus kaufen wollte, schaute sich in der Pandemie auch stärker auf dem Land um. Die Forscher haben Internetsu­chanfragen analysiert. Ergebnis: Die Suchanfrag­en nach „Balkon“, „Garten“oder „Arbeitszim­mer“seien während der Pandemie nach oben geschossen, ebenso wie „Haus kaufen“. Abseits der Großstädte seien die Preise für Eigentumsw­ohnungen damit besonders stark gestiegen: In städtische­n Kreisen um 17,5 Prozent, in dünn besiedelte­n ländlichen Kreisen sogar um 20,6 Prozent. Häuser legten in städtische­n Kreisen um 17,7 Prozent zu, in dünn besiedelte­n ländlichen Kreisen um 18,2 Prozent.

In ihrer Studie haben die Forscher die Preisentwi­cklung einem Szenario gegenüberg­estellt, wie sich der Immobilien­markt ohne Corona entwickelt haben könnte. Das Ergebnis: Corona hat die Preisentwi­cklung im ländlichen Raum zusätzlich befeuert. In den dünn besiedelte­n Kreisen stiegen die Preise für Eigentumsw­ohnungen zum Beispiel 5,6 Prozentpun­kte stärker als es ohne Pandemie zu erwarten gewesen wäre. „Damit zogen die Angebotspr­eise ausgerechn­et in Regionen stärker an, die für Immobilien­interessen­ten mit kleineren oder mittleCoro­na-Krisenjahr ren Einkommen noch eher erschwingl­ich waren“, warnt die Hans-Böckler-Stiftung. „Gerade für Haushalte ohne Ersparnis wurde der Zugang zu Wohneigent­um im Zuge der Pandemie erschwert“, berichten Just und Eisfeld.

Ähnlich sieht die Lage am Mietmarkt aus: Die Nachfrage nach Wohnraum habe 2020 zwar weniger stark zugenommen als in den Vorjahren, da zum Beispiel in der Corona-Krise weniger Menschen aus dem Ausland nach Deutschlan­d kamen. Die Angebotsmi­eten für Neuverträg­e legten der Studie zufolge bundesweit im Schnitt um 5 Prozent zu – auf dem Land dabei stärker als in der Stadt. Gleichzeit­ig hätten viele Haushalte durch die Corona-Krise aber auch an Einkommen eingebüßt. Nicht für jeden konnten das Kurzarbeit­ergeld, der Kinderbonu­s oder Hilfen für Selbststän­dige alle Krisenfolg­en kompensier­en.

Die Erschwingl­ichkeit von Mietwohnun­gen habe sich damit für viele verschlech­tert. Betroffen seien vor allem ärmere Haushalte. „Selbst wenn ihre Miete nicht oder nur wenig steigen würde, müssten solche Haushalte einen spürbar größeren Teil ihrer nun geringeren Einkünfte fürs Wohnen ausgeben“, warnt die Hans-Böckler-Stiftung.

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Foto: Alexander Kaya Bisher war das Eigenheim zumindest am Land für viele Menschen noch zu finanzie‰ ren. Das ändert sich gerade, auch dort ziehen die Preise an.

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