Donau Zeitung

Der Traum vom eigenen Heim auf Rädern

Der Campingboo­m ist noch nicht vorbei. Die Zulassungs­zahlen für Wohnmobile sind binnen eines Jahres um gut 13 Prozent gestiegen. Doch nicht nur Serienauto­s sind gefragt. Auch der Selbstumba­u und individuel­le Mobile und Anhänger finden immer mehr Fans

- VON MICHAEL POSTL

Augsburg/Merching Vier Räder, drei Vordersitz­e, etwa zwei mal zwei Meter Ladefläche – von außen sieht das Auto aus wie ein normaler Geländewag­en. Im Innenraum steht an die Wand angebracht eine Konstrukti­on aus Metall und Stoff, ein wenig wie eine Kommode mit mehreren Schubladen. Eine Küchenzeil­e, Bänke, ein Wasserbeck­en – in der Kommode ist die gesamte Ausstattun­g eines Campingwag­ens verstaut. Das Auto war bis vor kurzem noch ein ganz normaler Geländewag­en, den Peter Hase mit seinen Mitarbeite­rn binnen kurzer Zeit zu einem Drei-Mann-Wohnauto umgebaut hat. Hase ist Geschäftsf­ührer der Firma Zooom aus Merching im Landkreis Aichach-Friedberg, die maßgeschne­iderte Wohnmobile baut. Die Nachfrage nach derlei Fahrzeugen ist rasant gestiegen, sagt Hase. Der Trend scheint auch noch nicht vorbei zu sein.

Wie das Bayerische Landesamt für Statistik vermeldet, ist die Zahl an Wohnmobile­n im Freistaat zuletzt stark gestiegen. So nahm der Bestand innerhalb eines Jahres um knapp 13 Prozent zu – ein Phänomen, das auch bundesweit zu beobachten war. Hier erhöhte sich die Zahl der Wohnmobile auf fast 675000, dies entspricht einem Plus von 14,5 Prozent. Peter Hase hat seine eigene Erklärung für diese

Entwicklun­g. Seit der Corona-Pandemie ziehe es die Menschen nach draußen, trotz geschlosse­ner Hotels und nicht mietbarer Airbnb-Wohnungen. Die Konsequenz: Die Menschen statteten sich selbst aus.

Sucht man im Netz nach Worten wie „Wohnmobil“, „selbst“und „bauen“, schlagen die sozialen Medien direkt Videos mit Menschen vor, die sich selbst um den Umbau ihres Autos kümmern. Das Ergebnis ist in der Regel ein perfekter Wohnwagen, mit Betten, Küchenzeil­e, bei

Autos mit mehr Platz, sogar mit eingebaute­r Dusche. Dieser Trend macht sich auch bei Peter Hase bemerkbar. Er steht nun an einem anderen Wagen mit etwas erhöhtem Dach. Weil man im Innenraum keinen Platz mehr zum Schlafen findet, wenn Tisch, Sitzgelege­nheiten und Küche ausgeklapp­t sind, ist das alte Dach herausgesc­hweißt und durch ein neues ersetzt worden. Dieses lässt sich ausklappen und dient dann als Bett für zwei Personen. „Zu uns kommen auch Leute, die sehr genaue Vorstellun­gen und ihr Auto zum Teil schon selbst umgebaut haben.“Das spare natürlich Geld, der Haken laut Hase: „Wenn man zum Beispiel Fenster einbauen will, verändert man die Statik des Wagens. Das kann bei Unfällen zu stärkeren Schäden des Autos und Verletzung­en bei den Insassen führen.“Am schwierigs­ten seien Strom- und Wasserzufu­hr zu verbauen. Dennoch: Gerade während des Lockdowns wurden wohl viele solcher Wagen in Eigeniniti­ative gebaut.

Kein Wunder, dass auch die Übernachtu­ngszahlen auf Campingplä­tzen sprunghaft angestiege­n sind. Bayerische Campingplä­tze verzeichne­ten etwa 1,3 Millionen Übernachtu­ngen im ersten Halbjahr. Im Juni, dem ersten Monat des Jahres ohne Lockdown, übertrafen die Übernachtu­ngszahlen mit knapp einer Million den Wert von Juni 2020 um über 16 Prozent. Damit nähern sich die Werte dem Niveau vor Corona mit 1,1 Millionen Übernachtu­ngen im Juni 2019 an.

Den Boom gebe es allerdings schon seit etwa fünf Jahren, sagt Patrick Hase. Der Verkauf und Verleih von Wohnmobile­n stieg auch bei ihm auf ein Rekordhoch, die Pandemie sei dafür jedoch nur sekundär verantwort­lich. Für ihn hat in erster Linie der Komfort entscheide­nd dazu beigetrage­n, dass die Branche boomt. Einige Einzelteil­e, die Hase in den Autos verbaut, hat er sogar schon in Asien abgesetzt.

Manchmal gibt es auch skurrile Anfragen für den Merchinger Unternehme­r Hase. So steht seit einigen Tagen ein ausrangier­ter Pferdetran­sporter in der Lagerhalle. Darin sollen in kaum einer Woche ein Bett, eine Küchenzeil­e und eine Theke Platz finden. Für Pferde ist dann kein Platz mehr.

Anhänger umbauen macht Patrick Nüske nicht. Der in Dasing, auch im Landkreis Aichach-Friedberg, ansässige Händler verkauft aber ebenfalls außergewöh­nliche Anhänger – Camper, wie er sie nennt. Zu ihm kommen jedoch eher Alleinreis­ende – und das bereits seit Jahren. Corona habe die Nachfrage zwar ein wenig steigen lassen, viel Zuwachs gebe es seither jedoch nicht. Der Grund ist für Nüske einfach: „Die Leute wollen flexibler sein, einfach ihren Camper ans Auto docken und losfahren können. Nüske stellt außerdem eine gewisse Genügsamke­it unter seiner Kundschaft fest: „Die Leute wollen bewusst in den Urlaub fahren und dabei auch die Umwelt nicht außer Acht lassen, da bietet sich ein Camper natürlich an.“

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Foto: Michael Postl Patrick Hase baut mit seinen Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­rn Autos zu Reisemobil­en um.

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