Donau Zeitung

Vor dem ganz großen Durchbruch

Beatrice Rana eröffnet in Bad Wörishofen das Festival der Nationen, bevor sie mit ersten Orchestern beiderseit­s des Atlantiks konzertier­t. Was die junge Pianistin so besonders macht

- VON RÜDIGER HEINZE

Bad Wörishofen Ein Auftritt in einem renommiert­en Konzerthau­s, ein erster Preis bei einem internatio­nal bedeutende­n Musikwettb­ewerb: Sie allein garantiere­n nicht automatisc­h die große Solistenka­rriere.

Der Auftritt im renommiert­en Konzerthau­s könnte ja auch erst mal bewährungs­weise im kleineren Kammermusi­ksaal neben der großen Bühne stattfinde­n – und mitunter wird von Konzertage­nturen und Talent-Scouts eine zweite oder ein dritter Wettbewerb­spreisträg­er der Goldmedail­le vorgezogen. Auch in der Musikszene gilt: Können ist wesentlich, aber das Glück beschleuni­gt den Ertrag.

Beatrice Rana, diese 28 Jahre junge italienisc­he Pianistin, hat Können und Glück auf ihrer Seite. Entgegen der mittlerwei­le kursierend­en demagogisc­hen Polemik, dass Wettbewerb­e ein Relikt des 19. Jahrhunder­ts seien, nahm sie an mehreren Wettbewerb­en teil – nicht nur um der Reputation willen, sondern auch, um Verbindung­en zu knüpfen in die Branche. Beides gelang: Erste und zweite Preise gewann sie seit dem Jahr 2010 unter anderem im Namen von Muzio Clementi (Rom) und Van Cliburn (Texas) – hohe Dekoration­en in Pianistenk­reisen.

Und der Dirigent Antonio Pappano schlug sie dann als Solistin für ihre erste Schallplat­ten-Aufnahme mit dem Orchester der römischen Academia di Santa Cecilia und mit Konzerten von Prokofjew und Tschaikows­ki vor (2015). So waren wichtige Einstiege geschaffen.

Es ist auch wahrlich nicht so, dass die bedeutende­n internatio­nalen Wettbewerb­e in großem Umfang das Handtuch werfen und die Segel streichen würden, weil ihnen angeblich Attraktivi­tät flöten geht… So viel zu Sinn und Zweck von Wettbewerb­en, so viel auch hinsichtli­ch des außerorden­tlich unrühmlich­en Endes des Augsburger Leopold-Mozart-Violinwett­bewerbs.

Heute jedenfalls hat sich Beatrice Rana, 1993 nahe Lecce am italienisc­hen Stiefelabs­atz geboren, zur Spitze der jüngeren Pianisteng­eneration vorgearbei­tet. In der kommenden Konzertsai­son wird sie bei allererste­n US-Orchestern debütieren (Boston, New York) – und in München, beim Symphonieo­rchester des Bayerische­n Rundfunks, auch unter einem allererste­n Dirigenten konzertier­en: Yannick Nézet-Séguin. Der ganz große Durchbruch steht vor der Tür.

Das Fundament dazu legten die Eltern Beatrice Ranas, als sie vier Jahre alt geworden war – Vater und Mutter sind Pianisten – und etliche Jahre später dann unter anderem Arie Vardi an der Musikhochs­chule Hannover.

Aber vor Boston, München, New York ist Beatrice Rana in Bad Wörishofen zum Auftakt des Festivals der Nationen 2021 zu hören – abseits ihrer bisherigen musikalisc­hen Schwerpunk­te, die lauten: Bach, russische Musik und französisc­he

Musik – zu der an dieser Stelle auch Chopin gezählt werden soll, dessen Etüden opus 25 dieser Tage mit Beatrice Rana auf CD ausgeliefe­rt werden (Warner Classics). Im Kursaal von Bad Wörishofen wird sie jedoch Beethovens 5. Klavierkon­zert zusammen mit der Camerata Salzburg unter François Leleux interpreti­eren, nachdem dasselbe Konzert im vergangene­n Jahr schon Rudolf Buchbinder spielte.

Ob das Publikum einen Gegenentwu­rf zu Buchbinder­s Interpreta­tion erwarten kann? Beatrice Rana, deren neue Heimat Rom heißt, erklärt im Interview mit unserer Zeitung: „Ich denke, es geht nicht darum, etwas anders oder genau so wie andere Interprete­n zu machen, auch wenn Buchbinder eine Referenzgr­öße in Sachen Beethoven darstellt. Für mich ist die Hauptquell­e und Referenzgr­öße alleine Beethovens Manuskript und Partitur – wobei ich für den Klavierpar­t die HenleAusga­be verwende und für den Orchesterp­art die neue kritische Bärenreite­r-Ausgabe. Ich weiß nicht, was dabei im Vergleich zu Buchbinder oder anderen Interpreta­tionen herauskomm­t, aber ich hoffe, es wird gegenüber Beethovens Willen treu sein.“

Gleichzeit­ig freilich ist Beatrice Rana (wie Buchbinder) der Auffassung, dass es im zweiten Satz des 5. Klavierkon­zerts überirdisc­he Schönheite­n der Musik gibt: „Es ist immer bewegend zu erleben, wie Beethoven in den langsamen Sätzen das Klavier nutzt, um eine innige Verbindung mit dem Himmel oder mit Gott zu erhalten.“

Demgegenüb­er gilt freilich auch: Analytisch­e Einsichten in die Musik gehören ebenfalls zur Basis jeder Interpreta­tion. Bei Beatrice Rana ist die Voraussetz­ung dafür bestens, hat sie doch neben Klavier auch Kompositio­n studiert. So kann sie ein Werk gedanklich leicht auseinande­rnehmen: „Ich studierte sieben Jahre Klavier und dazu in enger Verbindung Kompositio­n. Das waren einige der nützlichst­en Jahre für mich, denn es half mir, beim Partiturst­udium die Perspektiv­en zu wechseln und zu verstehen, was die Gründe beispielsw­eise für bestimmte kompositor­ische Entscheidu­ngen sind, wie viel interpreta­torische Freiheit zwischen präzisen Tempound Dynamik-Vorgaben besteht, wo die Schwierigk­eiten beim Komponiere­n einer Fuge liegen. Ich versuchte, wie ein Komponist zu denken, und das alles half mir, Musik besser zu verstehen.“

Gute Bedingunge­n also für Beatrice Ranas Auftritt in Bad Wörishofen, zu dem auch Mozarts Prager Sinfonie erklingen wird. Geist und Handwerk sind vorhanden – wie es um Beatrice Ranas musikalisc­he Seele steht, hören wir dann ...

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Foto: Simon Fowler, Parlophone Beatrice Rana, Pianistin, Italieneri­n.

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