Grandioses Finale beim Dillinger Orgelsommer
Andreas Jetter aus Chur präsentiert in der Basilika Erstaufführungen
Dillingen Welche Erleichterung bei der letzten Matinee: Die Maskenpflicht während des Konzertes war aufgehoben! Die Besucher in der erneut vollbesetzten Basilika genossen dieses erste Zeichen einer kulturellen Normalität.
Der stellvertretende Fördervereinsvorsitzende Norbert Bender dankte dem Publikum für die großartige Treue zur Kirchenmusik, den Sponsoren für die finanzielle Mithilfe und dem Mitarbeiterstab für die Organisation. Er konnte mit Andreas Jetter einen international erfahrenen Gast begrüßen, der in der Orgelsommerreihe noch nie gehörte Werke vorstellte. Mit ausschließlich deutschsprachigen Komponisten setzte er ein Gegengewicht zu der französischen Dominanz. Beide wurden 70 Jahre alt, der eine, Gerard Bunk, starb 1958, der andere, Max Gulbins, 1932. Obwohl im 19. Jahrhundert verwurzelt, entwickelten sie eine Tonsprache, die sich Neuerungen nicht verschloss. So entstanden postromantische, impressionistisch gefärbte Werke mit expressiver Durchschlagskraft, bei denen immer die Tonalität gewahrt wurde. In Bunks Sonate in f-Moll op. 32 (1909) bildeten mächtige Akkorde einen furiosen Auftakt zu einem starken Kosmos, den der Organist mit trefflichem Gespür offenlegte. Transparenz war angesagt in den Intermezzi. Es entstanden graziöse Spiegelbilder lieblicher Melodien, die Andreas Jetter mit ausgewählten Registern kantabel abmischte. Herrliche Girlanden charakterisierten die fein abgestuften liedhaften Einwürfe. Dichte Klänge hob Jetter sensibel heraus und prägte damit den impressionistisch-romantischen Anteil. Das „Andante funebre“bestimmte ein angedeuteter Trauermarsch, dann beherrschten unheimliche Drohungen die Szenerie. Die Kraftdominanz und Schärfe nahm der Organist immer wieder zurück. Das „Dies irae“legte der Komponist als Passacaglia an, mit der Andreas Jetter das machtvolle Stück souverän abrundete.
Persönliche Beziehungen des Organisten zu Max Gulbins bestanden über seine Großmutter, die den Komponisten als Organist in Elbing erlebte. Dessen Sonate Nr. 4 op. 29 (1904) bezeichnete Gulbins als Charakterbild. Es betrifft die Gestalt des Paulus aus der Apostelgeschichte und stellt in einer Programm-Musik die Bekehrung des Christenverfolgers Saulus in drei Abschnitten vor. Der erzählende Ansatz ist voll abwechslungsreicher Dramatik, die von böswilligen Gesten bis zum demutsvollen Verweilen reicht. Einer romantischen Arie gleich findet das Adagio („Denn siehe, er betet“) Klänge überirdischer Schönheit, die bewegte Melodielinien durchziehen und mit dem Schwellwerk überhöht werden.
Die Bekehrung schließlich wird zum begeisternden Höhepunkt in dem schnellen Schluss-Satz.
Die vollkommene Technik des Orgelvirtuosen kam hier zum Tragen. Staunenswert Jetters grandiose Bewältigung der hohen Anforderungen. Die Aufarbeitung der Themen-Reminiszenzen und die Darstellung der Doppelfuge wurden zum Ereignis.
Die Sinfonia aus J. S. Bachs Kantate „Wir danken dir, Gott“BWV 29 hat Alexander Guilmant in ein einprägsames Orgelstück umgewandelt, dessen Bewegungsabläufe Jetter mit fließender Gelassenheit temperamentvoll verwirklichte. Äußerst langer Applaus, mit dem das Publikum dem Organisten für eine knappe Stunde meisterlichen Spiels dankte. »Seite 24