Regierung sieht verlorenes Jahr für Klimaschutz
Ergebnis der UN-Konferenz bleibt weit hinter den Erwartungen zurück. Ministerin Schulze kritisiert vor allem die Rolle von China.
Meteorologe Plöger: Das ist irritierend
Scharm el Scheich Nach einer letzten langen Nacht im heißen Scharm el Scheich fiel die Bilanz in der deutschen COP27-Delegation unterkühlt aus. Die Weltklimakonferenz sei zwar kein Rückschritt, aber auch kein Fortschritt gewesen, hieß es. Im Grunde genommen bedeute sie „ein verlorenes Jahr“für den Klimaschutz, urteilte ein hochrangiger Diplomat. Bundesumweltministerin Steffi Lemke zeigte sich enttäuscht. „Das Ergebnis der COP27 insgesamt bleibt hinter dem Notwendigen zurück. Das ist extrem bitter“, erklärte die Grünen-Politikerin. Die Deutsche Umwelthilfe sprach von einem „ungenügenden Formelkompromiss“, der den Planeten weiter in die Klimakrise abgleiten lassen.
Von der vor zwei Wochen gestarteten COP27 waren weitere Schritte erwartet worden, um das vor sieben Jahren in Paris verabredete 1,5-Grad-Ziel zu erreichen. Bis 2100 soll die Erderhitzung maximal diesen Wert erreichen, verglichen mit den Zuständen um das Jahr 1900 herum. Doch jeden Tag wurden die Erwartungen kleiner, ein Scheitern wurde nicht mehr ausgeschlossen – und schuld daran war neben der chaotischen Konferenzleitung durch die Ägypter vor allem China.
Die armen Staaten hatten schon vor Konferenzbeginn deutlich gemacht, dass sie die Umsetzung eines vor 27 Jahren bei der COP1 in Berlin gegebenen Versprechens erwarten: den Ausgleich von Klimaschäden, die durch die Industrienationen verursacht werden. Erst dann konnten sich, so viel war klar, die rund 200 Teilnehmerstaaten anderen Themen zuwenden. Peking verhinderte aber eine zügige Einigung. Die Chinesen sehen sich selbst als Entwicklungsland, fühlen sich als Opfer und nicht als Verursacher von Klimaschäden. Sie lehnen deshalb einen entsprechenden Fonds ab, in den sie einzahlen sollen. Entwicklungsministerin Svenja Schulze verwies darauf, dass die Europäer die Frage aufgeworfen hätten, „wie lange China sich noch als Entwicklungsland definieren und so vor seiner Verantwortung für Klimaschäden drücken kann“. Die Weltgemeinschaft habe diese Frage noch nicht abschließend beantwortet, „aber wir werden sie weiter stellen“. China müsse sich neben Europa „als mächtige Volkswirtschaft mit dem größten CO2-Ausstoß an der Bewältigung der Klimaschäden beteiligen“, sagte die SPD-Politikerin unserer Redaktion.
Am Ende lenkte China zwar ein und stimmte dem Fonds an sich zu. Doch wer einzahlt und wie viel, ist noch offen. Darum kümmert sich bis zur COP28 in Dubai kommendes Jahr eine Kommission aus Entwicklungs- und Industrieländern. Deutschland trägt den Fonds zähneknirschend mit. Darüber hinaus passierte nicht mehr viel. Auch ein Ausstieg aus der Nutzung von Öl und Gas findet sich nicht in der Abschlusserklärung.
Der ARD-Meteorologe und Klima-Experte Sven Plöger sagte unserer Redaktion, es sei traurig, „dass wir am Ende jeder Konferenz wiederkehrend zuschauen müssen, wie behäbig vorgegangen wird“. Es sei zwar gut, dass es die Weltklimakonferenzen gibt. Aber: „Angesichts dessen, was wir durch den Klimawandel an Extremwetter sehen, verbunden mit Leid und ausufernden Kosten, ist unser Verhalten schlicht irritierend und nachfolgenden Generationen gegenüber unfair.“Plöger weiter: „Was ich als Naturwissenschaftler nicht begriffen habe: Wie kann man am 1,5 Grad-Ziel festhalten, was gut ist, aber gleichzeitig wieder keinen Ausstieg aus den fossilen Energieträgern verbindlich vereinbaren?“