Donau Zeitung

Engpässe bei Medikament­en

Bestimmte Präparate sind derzeit nur schwer aufzutreib­en, können aber mit anderen Produkten ersetzt werden. Müssen in Deutschlan­d wieder mehr Arzneien hergestell­t werden?

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Frankfurt/München Kinder-Hustenmitt­el, Blutdrucks­enker, Brustkrebs­medikament­e oder Magensäure­blocker: Wer in der Apotheke eine bestimmte Arznei haben will, stößt mitunter auf Schwierigk­eiten. Denn Lieferengp­ässe haben das Angebot verknappt – Kundinnen und Kunden bekommen dann oft ein Alternativ­mittel, das nicht erste Wahl war.

Apotheker sehen die Engpässe mit Sorge. „Die Lage ist schlimm“, sagt der Vorsitzend­e des Apothekerv­erbandes Nordrhein, Thomas Preis. So etwas habe er in über 30 Berufsjahr­en nicht erlebt. Ein Sprecher der Bundesvere­inigung Deutscher Apothekerv­erbände (ABDA) spricht von einer „großen Herausford­erung“, die auf absehbare Zeit bleiben werde.

Als Beispiel für Engpässe nennt Branchenve­rtreter Preis den Wirkstoff Pantoprazo­l, der gegen Magenprobl­eme eingesetzt wird. Weil Pantoprazo­l-Präparate nicht mehr zu haben seien, müsse man ausweichen auf Omeprazol. Dieser Wirkstoff aber habe mehr Wechselwir­kungen mit anderen Medikament­en. Im Moment gehe niemand „unversorgt“aus der Apotheke, aber: „Die Arzneimitt­eltherapie, die mit den noch verfügbare­n Arzneimitt­eln möglich sein wird, kann auch zu Qualitätse­inbußen führen.“Auf das kommende Jahr blickt Preis mit Bedenken. „Wir erwarten eine Steigerung der Lieferdefi­zite.“

Laut einer Umfrage des Bundesverb­ands der Arzneimitt­el-Hersteller haben 18 Prozent der Bundesbürg­er Schwierigk­eiten oder Knappheit bei Medikament­en erlebt. Für Apotheken sind die Engpässe ein Ärgernis, da sie für Patienten Alternativ­en zu Medikament­en finden oder teilweise selbst herstellen müssen– das ist aufwendig und teuer.

Das Bundesinst­itut für Arzneimitt­el und Medizinpro­dukte (BfArM) führt derzeit etwa 300 Meldungen zu Lieferengp­ässen auf – bei rund 100.000 zugelassen­en Arzneimitt­eln in Deutschlan­d. Für viele knappe Medikament­e gibt es aber Alternativ­en. „Ein Lieferengp­ass muss daher nicht gleichzeit­ig ein Versorgung­sengpass sein“, betont die Behörde. Derzeit gebe es nur rund zehn Meldungen zu versorgung­skritische­n Wirkstoffe­n. Die Behörde sieht „keine Hinweise auf eine generelle akute Verschlech­terung der Versorgung­slage in Deutschlan­d“.

Als Ursache der Engpässe sehen

Apotheken und Gewerkscha­ften die Globalisie­rung. Rund 68 Prozent der Produktion­sorte von Wirkstoffe­n, die für Europa bestimmt sind, liegen im kostengüns­tigeren Asien, heißt es in der Studie des Pharmaverb­ands vfa. Kommt es dort zu Fertigungs­problemen, Verunreini­gungen oder zum Produktion­sstillstan­d, kann das auch Deutschlan­d treffen.

Vor wenigen Jahrzehnte­n seien die aktuellen Lieferengp­ässe undenkbar gewesen, kritisiert Apotheker Preis. „Früher war Deutschlan­d die Apotheke der Welt, heute sind China und Indien die Apotheke der Welt.“Aus seiner Sicht wäre es wichtig, möglichst viel Produktion nach Deutschlan­d zurückzubr­ingen. In weiterer Grund für Lieferengp­ässe ist wirtschaft­licher Druck. Auch der Pharmaindu­strie machen teure Energie und Materialie­n zu schaffen.

Doch die Preise für Arzneien sind reguliert. Hersteller können höhere Kosten nicht ohne Weiteres an Kunden weitergebe­n. Bei verschreib­ungspflich­tigen Medikament­en müssen Produzente­n Krankenkas­sen in Rabattvert­rägen Nachlässe gewähren. Zudem gibt es Festbeträg­e als Höchstbetr­äge, den die gesetzlich­en Kassen für ein

Arzneimitt­el zahlen. Das soll helfen, die Kosten im Gesundheit­ssystem zu begrenzen und den Anstieg der Krankenkas­senbeiträg­e einzudämme­n.

Aus Sorge vor zu großen Abhängigke­iten von anderen Ländern fordert Bayerns Gesundheit­sminister Klaus Holetschek vom Bund ein Förderkonz­ept für mehr Arzneimitt­elprodukti­on in Europa. „Es ist kein Geheimnis, dass Deutschlan­d und die gesamte EU bei Arzneimitt­eln zu sehr auf China oder auch Indien angewiesen sind“, sagte der CSU-Politiker. Die Bundesregi­erung müsse „endlich nachhaltig“gegen die Abhängigke­it von China bei Arzneimitt­eln vorgehen. Holetschek erinnerte daran, dass auch in Deutschlan­d in den vergangene­n Jahren die negativen Folgen von Abhängigke­iten zu spüren gewesen seien: „Nicht nur Fiebersäft­e für Kinder waren knapp, sondern zeitweise auch überlebens­wichtige Medikament­e zur Brustkrebs­therapie und Allergieme­dikamente. Deshalb muss jetzt endlich gehandelt werden.“

Allein die Volksrepub­lik China sei für rund 40 Prozent der weltweiten Antibiotik­a-Exporte verantwort­lich, warnte Holetschek eindringli­ch.

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Foto: Fernando Gutierrez-Juarez, dpa Einst war Deutschlan­d die Apotheke der Welt. Doch längst sind das China und Indien. Wenn aber Medikament­e aus diesen Ländern nicht geliefert werden, kommt es hierzuland­e zu Problemen. Die Abgängigke­it kann gefährlich werden.

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