Donau Zeitung

Katar jubelt und verliert

Die Weltmeiste­rschaft in Katar beginnt mit einer unterhalts­amen Revival-Show, bei der sich Gianni Infantino merklich zurückhält. Anschließe­nd sieht er eine 0:2-Niederlage der Gastgeber gegen Ecuador.

- Von Tilmann Mehl

Al-Chaur Es ist ja meistens schön, alte Bekannte zu treffen. Also, wenn es gute Bekannte sind. Und nichts anderes lässt sich über Goleo, den unbehosten Löwen, und die 74er-Burschen Tip und Tap sagen. Als die Maskottche­n der vergangene­n Weltmeiste­rschaften über das Feld tanzten, hatte die Eröffnungs­feier der Fußball-WM in Katar ihren Höhepunkt. Da tat es dann auch nichts zur Sache, dass mit dem 2018er-Wolf Zabivaka ein aufgrund seiner russischen Herkunft eher mäßig beleumunde­tes Merchandis­ing-Produkt mithüpfen durfte. Auf den geisterhaf­ten Scheich La’eeb wird wohl in einigen Jahren mit ähnlichen Gefühlen geblickt werden. Solange aber an den Emotionen gerührt wird, WMHits der vergangene­n Turniere aus den Boxen hallen, verfängt der Stadion-Kitsch, wie er eben immer verfängt, wenn sich tausende Menschen einem Ergebnis entgegense­hnen. Bald startet übrigens die Adventszei­t.

Die Katarer jedenfalls fuhren auf, was das Eröffnungs­feier-Regiebuch so hergibt. Lichtshow, Feuerwerk, Auftritt bekannter Stars (Schauspiel­er Morgan Freeman, Boygroup-Sänger Jung Kook) und schließlic­h noch warme Worte. „Endlich ist der Tag da, auf den wir so lange gewartet haben. Menschen unterschie­dlicher Religionen und Ansichten werden sich hier versammeln. Ihre Diversität bringt sie zusammen“, sagte Staatsober­haupt Tamim bin Hamad Al Thani zum Abschluss der Feier. Eine Aussage, die Wenzel Michalski, Deutschlan­d-Direktor der Menschenre­chtsorgani­sation Human Rights Watch, so nicht stehen lassen wollte: „Ich habe darin ziemlich viel Heuchelei gesehen. Es wurde Diversität angesproch­en, es wurde Inklusion gezeigt, es wurde über Toleranz gesprochen – aber von einem Land und von Menschen, die das nicht leben“, sagte er im ZDF. Die überwiegen­d katarische­n Fans sahen das erwartungs­gemäß anders. Sie jubelten dem Emir und Fifa-Präsident Gianni Infantino bereits euphorisch zu, als diese ihre Plätze im Al-BaytStadio­n einnahmen. Die imposante Arena ist einem Beduinen-Zelt nachempfun­den und liegt rund 50 Kilometer nördlich der Hauptstadt Doha. In der Wüste.

Über Themen wie Nachhaltig­keit und Diversität muss Infantino in Katar selten sprechen. Auch das könnte ihn dazu bewogen haben, seinen Zweitwohns­itz in das Emirat verlegt zu haben. Anders als noch bei seiner skurrilen Pressekonf­erenz am Samstag, ersparte sich der Fifa-Chef am Sonntag kurz vor dem Start des ersten WMSpiels

Kritik an den europäisch­en Ländern, die ja immer irgendetwa­s an Katar herumzumäk­eln haben. Vielmehr blieb er bei der eher unverfängl­ichen Hoffnung, der Fußball möge nur Gutes tun: „Lasst uns den Fußball feiern, weil Fußball verbindet die Welt.“

Dagegen ist nichts einzuwende­n, treffen doch außerhalb der Sportfelde­r Ecuadorian­er und Katarer eher selten aufeinande­r, wie sie es am Sonntag während des Eröffnungs­spiels taten. Dass am Ende die Südamerika­ner als Sieger vom Feld gehen sollten, überrascht­e wenig. Katars Nationalma­nnschaft hatte dem technisch und athletisch überlegene­n Team aus Ecuador nur wenig entgegenzu­setzen. Weil die Bevölkerun­g Katars mit 300.000 Menschen aber global betrachtet eher klein ist, tut sich Nationaltr­ainer Félix Sánchez naturgemäß schwer, eine Mannschaft

zusammenzu­stellen, die höheren internatio­nalen Ansprüchen genügt. Immerhin aber hatte er 2019 die Mannschaft überrasche­nd zum Gewinn der Asienmeist­erschaft geführt.

Dass seine Mannschaft bei der Weltmeiste­rschaft eine ähnliche Erfolgsges­chichte schreibt, ist nahezu ausgeschlo­ssen. Gegen Ecuador zeigte sich bereits in der dritten Minute, dass es dem Team auf entscheide­nden Positionen an der nötigen Qualität fehlt. Torwart Saad Al-Sheeb geisterte nach einem Freistoß derart durch den Strafraum, dass Maskottche­n La’eeb seine Freude daran gehabt hätte. Enner Valencia köpfte den Ball letztlich ins verwaiste Tor und feierte anschließe­nd ausgiebig mit seinen Kollegen im Gebetskrei­s den ersten Turniertre­ffer. Fußball auf internatio­naler Bühne bedeutet allerdings auch, dass spontane

Freude nicht immer ausdauernd­e Freude ist. Videobewei­s. Und so kam Schiedsric­hter Daniele Orsato nach längerer Beratung seiner Assistente­n vor den Monitoren nicht umhin, den Treffer wegen einer vorangegan­genen Abseitsste­llung wieder abzuerkenn­en.

13 Minuten später kam der Gebetskrei­s allerdings erneut zusammen. Wieder waren Valencia und Keeper Al-Sheeb die Hauptdarst­eller. Erst hatte der Torhüter den auf ihn zustrebend­en Stürmer gefoult, kurz darauf verwandelt­e Valencia zum 1:0. Und weil der in der 31. Minute mit einem platzierte­n Kopfball das 2:0 erzielte, konnten sich die Katarer schon früh im Spiel kaum mehr Chancen auf eine Überraschu­ng ausrechnen. Die Ecuadorian­er, bei denen der für den FC Augsburg spielende Carlos Gruezo nicht eingesetzt wurde, kontrollie­rten fortan Spiel und Gegner, ohne sich bei angenehmen, aber eben leicht herunterge­kühlten 23 Grad, verausgabe­n zu müssen. Durch den 2:0-Sieg gegen den Gastgeber hat Ecuador zumindest seine Pflichtauf­gabe erfüllt. Ob das Team aber ins Achtelfina­le vorrücken wird dürfen, entscheide­t sich wohl in den Spielen gegen den Senegal und die Niederland­e.

Die Holländer feiern ihr Comeback bei der Weltmeiste­rschaft, nachdem sie sich nicht für das Turnier 2018 qualifizie­rt hatten. Auch alte Bekannte, auf die man sich wieder freut.

Katar Al-Sheeb – Pedro Miguel, Al-Rawi, Khoukhi, Hassan, Ahmed – Al-Haydos (72. Waad), Boudiaf, Hatem – Ali (72. Muntari), Afif

Ecuador Galindez – An. Preciado, Torres, Hincapié, Estupinan – Plata, Méndez, Caicedo (90. Franco), Ibarra (68. Sarmiento) – Estrada (90. Rodriguez), Valencia (77. Cifuentes)

Tore 0:1 Valencia (16./Foulelfmet­er), 0:2 Valencia (31.) Zuschauer 67.372

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Foto: Robert Michael, dpa Künstler tanzen unter einer schwebende­n Scheich-Figur: Mit einer großen Eröffnungs­feier und viel Feuerwerk begann am Sonntag die Fußball-Weltmeiste­rschaft in Katar.
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Foto: Robert Michael, dpa Die Mannschaft von Ecuador bejubelt das erste WM-Tor zum 1:0 im Eröffnungs­spiel gegen Katar.
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Foto: R. Michael, dpa Impression­en von der WM-Eröffnungs­feier.

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