Donau Zeitung

Ein Haus zu erben, wird deutlich teurer

Ein Entwurf der Regierung sieht vor, dass für Immobilien bald höhere Werte angesetzt werden sollen. Ab dem 1. Januar 2023 könnte damit eine höhere Erbschafts­steuer oder Schenkungs­steuer anfallen.

- Von Michael Kerler

Berlin Geht es um eine Erbschaft oder eine Schenkung, denkt man zuerst an die hohen Freibeträg­e. Bei Ehegatten sind zum Beispiel 500.000 Euro steuerfrei, bei Kindern 400.000 Euro, bei den Enkeln immer noch 200.000 Euro. Selbst eine Wohnung oder ein kleines Haus ließ sich da lange Zeit mit geringer Steuerlast übertragen. Doch das könnte sich bald ändern: Gesetzespl­äne der Bundesregi­erung könnten dazu führen, dass Immobilien bald deutlich höher bewertet werden. Damit würde auch die Erbschafts- oder Schenkungs­steuer höher ausfallen. Die Änderung könnte ab dem 1. Januar 2023 in Kraft treten. Nach einer Beispielre­chnung der Wirtschaft­skanzlei Sonntag & Partner für unsere Redaktion können die Kosten dann um mehrere zehntausen­d Euro steigen. Die Anwältinne­n und Anwälte raten aber auch dazu, einen kühlen Kopf zu bewahren.

Der Hintergrun­d ist rechtlich etwas verstrickt, trotzdem lohnt es sich, ihn zu kennen. Es handelt sich um das Jahressteu­ergesetz 2022, das die erste Lesung im Bundestag hinter sich hat. Geht alles den gewohnten Gang, soll das Gesetz bis Jahresende verabschie­det werden. Das Jahressteu­ergesetz enthält allerlei steuerrech­tliche Regelungen, zum Beispiel Änderungen bei der Homeoffice-Pauschale oder die Einführung einer Ertragsste­uerbefreiu­ng für kleine Photovolta­ikanlagen, erklärt Barbara Gayer, Rechtsanwä­ltin und Steuerbera­terin bei Sonntag & Partner. Ein Passus im Entwurf aber hätte große Auswirkung­en, wenn es um Erbschafte­n und Schenkunge­n geht.

Werden Immobilien vererbt oder verschenkt, muss deren Wert berechnet werden, um die Steuer zu bestimmen. Dafür ist ein eigenes Bewertungs­gesetz vorgesehen. Angesichts der Preissteig­erungen waren zuletzt – salopp formuliert – die ermittelte­n Werte aber nicht immer up to date. „Die ermittelte­n Verkehrswe­rte hatten mit den tatsächlic­hen Marktpreis­en häufig nicht viel gemein“, sagt Gayer. „Diese Lücke will der Gesetzgebe­r schließen.“Dies geschieht dadurch – und jetzt wird es kurz nochmals juristisch – dass das Bewertungs­gesetz

stärker auf Maßgaben der neuen Immobilien­wertermitt­lungsveror­dnung zurückgrei­fen soll.

Immobilien können damit auf dem Papier plötzlich deutlich mehr als bisher wert sein. „In der Folge wird die Immobilien­bewertung für Erbschafts- und Schenkungs­steuerzwec­ke das aktuelle Preisnivea­u am Immobilien­markt

eher widerspieg­eln und sich damit näher am Verkehrswe­rt orientiere­n, als dies nach bisheriger Gesetzesla­ge oftmals der Fall war“, sagt Gayer. Die Freibeträg­e sind damit im Einzelfall rasch überschrit­ten, die Steuer kann höher ausfallen.

Die Kanzlei Sonntag & Partner hat ein Beispiel durchgerec­hnet. Es handelt sich um ein Mehrfamili­enhaus, das durch eine Schenkung an ein Kind übertragen wird, Fachleute sprechen von einem Mietwohngr­undstück. Bisher wurde das Haus mit 760.000 Euro bewertet, mit dem neuen Verfahren würde man ab 1. Januar 2023 fast 990.000 Euro an Wert veranschla­gen, das sind 30 Prozent mehr. Wurden früher rund 54.000 Euro Schenkungs­teuer fällig, sind es nun über 88.000 – ein Plus von 34.000 Euro oder 63 Prozent.

Bei anderen Beispielen kam die Kanzlei auf ähnliche Werte: „So hat unsere beispielha­fte Bewertung eines größeren Mietwohngr­undstücks mit fast 90 Wohnungen im Ertragswer­tverfahren, für das der gesetzlich­e Liegenscha­ftszinssat­z Anwendung findet, nach neuem Recht eine Wertsteige­rung in Höhe von circa 55 Prozent ergeben. Zu einer Wertsteige­rung von circa 43 Prozent hat unsere beispielha­fte Vergleichs­rechnung im Sachwertve­rfahren bei einem Einfamilie­nhaus geführt“, berichten die Fachleute. Solche Werterhöhu­ngen können bei Ein- und Zweifamili­enhäusern sowie Eigentumsw­ohnungen insbesonde­re dann eintreten, wenn diese bisher nicht nach Vergleichs­werten der Gutachtera­usschüsse, sondern im Sachwertve­rfahren bewertet wurden.

Der Grund sind mehrere Stellschra­uben, an denen der Gesetzgebe­r dreht. Beispielsw­eise wird angenommen, dass die Gesamtnutz­ungsdauer für viele Gebäudeart­en statt 70 nun 80 Jahre beträgt. „Das erhöht natürlich den Wert“, sagt Gayer. Ein weiteres Beispiel ist, dass die pauschal gesetzlich festgelegt­en Liegenscha­ftszinssät­ze reduziert werden, bei Mietwohngr­undstücken beispielsw­eise von 5 Prozent auf 3,5 Prozent, bei Geschäftsg­rundstücke­n von 6,5 Prozent auf 6 Prozent. „Vereinfach­t gilt hier, dass der Immobilien­wert höher ist, je niedriger der Liegenscha­ftszinssat­z ist“, erklärt sie. Dies führt also ebenfalls zu einer Wertsteige­rung, zum Beispiel für vermietete Mehrfamili­enhäuser. Es gibt aber auch eine Ausnahme: Haben die Gutachtera­usschüsse für die jeweilige Region eigene Liegenscha­ftszinssät­ze, kommen diese zum Tragen.

Noch befindet sich das Jahressteu­ergesetz 2022 im Gesetzgebu­ngsverfahr­en. Dass es bei der Immobilien­bewertung aber noch zu Änderungen kommt, halten die

Beobachter für unwahrsche­inlich. Betroffene könnten deshalb überlegen, ob sie noch vor dem 31. Dezember 2022 ihre Immobilie übertragen, um die Steuerlast geringer zu halten. „Unter Hinzuziehu­ng eines kundigen Steuerbera­ters könnte geprüft werden, ob die Übertragun­g einer Immobilie im Wege einer Schenkung noch dieses Jahr empfehlens­wert ist“, rät die Kanzlei. Rechtsanwa­lt und Steuerbera­ter Ulrich Derlien von Sonntag & Partner rät allerdings, diesen Schritt gut zu überlegen. „Wer die höhere Steuerlast vermeiden will, muss bis 31. Dezember 2022 beim Notar gewesen sein, das ist schon sportlich“, sagt er. Dazu kommt, dass die Beratungss­ituation gerade flächendec­kend angespannt ist. Steuerbera­ter haben gerade auch

Anwälte raten von überstürzt­en Entscheidu­ngen ab

Themen wie die Jahresabsc­hlusserste­llung und die Grundsteue­r auf dem Tisch.

Betroffene sollten zudem nicht in Panik verfallen und sich gut beraten lassen, rät Derlien. „Die Schenkung von Immobilien sollte nie steuerlich getrieben sein“, sagt er. „Es muss immer zur persönlich­en Situation passen.“Der Erfahrung nach dauere es mehrere Monate, ein zufriedens­tellendes Testament auszugesta­lten. „In eine Schenkung sollte man ähnlich viel Zeit investiere­n.“

Häufig lassen sich auch Wege finden, wie man eine Immobilie trotzdem mit einer erträglich­en Belastung überträgt, sagt Derlien. Unter Ehegatten kann beispielsw­eise eine selbst genutzte Immobilie zu Lebzeiten völlig steuerfrei übertragen werden. Dies gilt auch im Erbfall mit der Einschränk­ung, dass der überlebend­e Ehegatte zehn Jahre darin wohnen bleiben muss. Auch für Kinder gibt es bei der Vererbung des Familienhe­ims bis zu einer Wohnfläche von 200 Quadratmet­ern diese Steuerbefr­eiung, wenn das Kind selbst in das Haus einzieht und es für zehn Jahre nutzt. „Dazu kommt, dass mancherort­s die Grundstück­swerte gerade sinken, so dass es in den nächsten Jahren auch gegenläufi­ge Effekte geben kann“, sagt Derlien.

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Foto: Andrea Warnecke, dpa Ab dem neuen Jahr kann es deutlich teurer werden, ein Haus zu vererben oder zu schenken.

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