Donau Zeitung

Aus dem Protest wird ein Eklat

Die europäisch­en Verbände beugen sich dem Druck des Weltverban­des, die Kapitäne werden die „One Love“-Binde nicht tragen. DFB-Präsident Bernd Neuendorf spricht von einer Machtdemon­stration.

- Von Wolfgang Stephan

Doha Es ist nur ein Stück Stoff, doch am Montag wurde die „One Love“-Binde endgültig zum Politikum. Obwohl der Deutsche Fußball-Bund (DFB) sich zuvor klar positionie­rt hatte und sich bereit zeigte, auch angedrohte Fifa-Strafen in Kauf zu nehmen, beugte sich der Verband am Montag dem Fußball-Weltverban­d. Manuel Neuer wird die Binde daher am Mittwoch (14 Uhr) beim Spiel gegen Japan nicht tragen.

Am späten Nachmittag machten DFB-Präsident Bernd Neuendorf und Sportdirek­tor Oliver Bierhoff in einem improvisie­rten Pressegesp­räch deutlich, dass sie die Entscheidu­ng der Fifa als eine Machtdemon­stration sehen, weil die Fifa deutliche Drohungen ausgesproc­hen habe. „Das Verbot der Binde ist ein weiterer Tiefschlag in unserem Verhältnis“, sagte der

Präsident. Neben der DFB-Spitze kritisiert­en auch die britische Regierung und Bundestags­abgeordnet­e die kaum nachvollzi­ehbare scharfe Drohung der Fifa.

Deutschlan­d und sechs weitere europäisch­e Teams wollten mit einer Kapitänsbi­nde „One Love“ein Zeichen für Diversität und Toleranz setzen und hätten dafür Geldstrafe­n vonseiten der Fifa in Kauf genommen. Doch am Montag knickten die Verbände ein. Der Weltverban­d schreibt das Tragen einer eigenen Fifa-Binde vor, auf der Slogans wie „Fußball vereint die Welt“, „Rettet den Planeten“, „Teile das Essen“, aber auch „Keine Diskrimini­erung“stehen sollen.

„Die Fifa hat sehr deutlich gemacht, dass sie sportliche Sanktionen verhängen wird, wenn unsere Kapitäne die eigenen Armbinden auf dem Spielfeld tragen“, teilten die Verbände von Deutschlan­d, England, Wales, Belgien, Dänemark, der Niederland­e und der

Schweiz am Mittag mit. Und: „Als nationale Verbände können wir unsere Spieler nicht in eine Situation bringen, in der sie mit sportliche­n Sanktionen, einschließ­lich Platzverwe­isen, rechnen müssen. Deshalb haben wir die Spielführe­r gebeten, die Armbinden bei Spielen der WM nicht zu tragen.“Zuvor hatte die Fifa unmissvers­tändlich erklärt, dass das Tragen der „One Love“-Binde ein Regelbruch sei und sportliche Sanktionen möglich seien. Womöglich hätte den Kapitänen gleich zu Beginn des Spiels eine Gelbe Karte gedroht.

Wie gespannt das Verhältnis der Europäer zur Fifa ist, wird in der Bewertung des Vorgangs deutlich: „Wir sind sehr frustriert über die Entscheidu­ng der Fifa, die unserer Meinung nach beispiello­s ist. Wir haben die Fifa im September schriftlic­h über unseren Wunsch informiert, die „One Love“-Armbinde zu tragen, um die Inklusion im Fußball aktiv zu unterstütz­en, und haben keine Antwort erhalten. Unsere Spieler und Trainer sind enttäuscht – sie sind starke Befürworte­r der Inklusion und werden ihre Unterstütz­ung auf andere Weise zeigen“, heißt es in der Erklärung.

Wie die andere Symbolik aussehen könnte, ließ Oliver Bierhoff offen. Er, wie auch Neuendorf, beklagte vor Journalist­en im Trainingsc­amp, dass die Fifa monatelang nicht auf den Antrag der Europäer zum Tragen der Binde reagiert habe. Auch beim offizielle­n Länderspie­l am vergangene­n Mittwoch im Oman habe die Fifa keine Reaktion gegen die Binde am Arm von Manuel Neuer gezeigt.

Es ist ein beispiello­ser Vorgang, dass die Fifa wenige Stunden vor dem ersten Spiel England gegen den Iran das Verbot ausspreche. „Das Verhalten der Fifa ist frustriere­nd, es fühlt sich stark nach Zensur an“, meinte Oliver Bierhoff. Und: „Man kann uns die Binde nehmen, aber nicht unsere Werte.“

Das erste betroffene Team waren am Montag die Engländer. Sie machten zwar vor dem Anpfiff gegen den Iran einen Kniefall. Auf der Binde von Kapitän Harry Kane aber stand: „No discrimina­tion“. Statt des Stürmers trug die ehemalige Nationalsp­ielerin Alex Scott am Spielfeldr­and bei einer Liveübertr­agung im englischen Fernsehen die „One Love“-Binde und wurde in den sozialen Medien gefeiert. Dort gab es auch viele Reaktionen rund um das Thema „One Love“-Binde. Die Grünen-Fraktionsv­orsitzende Britta Haßelmann twittere: „Ein Trauerspie­l“. Den Kapitänsbi­nden-Eklat kritisiert­e auch die Fan-Organisati­on Football Supporters’ Associatio­n“scharf. „Heute empfinden wir Verachtung für eine Organisati­on, die ihre wahren Werte unter Beweis gestellt hat, indem sie den Spielern die Gelbe Karte und der Toleranz die Rote Karte gezeigt hat“, twitterte die FSA.

 ?? Foto: Christian Charisius, dpa ?? Eigentlich wollten etliche Kapitäne wie Manuel Neuer die „One Love“-Binde an ihrem Arm tragen. Nun aber sind die Verbände vor der Fifa eingeknick­t.
Foto: Christian Charisius, dpa Eigentlich wollten etliche Kapitäne wie Manuel Neuer die „One Love“-Binde an ihrem Arm tragen. Nun aber sind die Verbände vor der Fifa eingeknick­t.

Newspapers in German

Newspapers from Germany