Donau Zeitung

Die vertane Chance des DFB

- Von Tilmann Mehl

Eine Mannschaft wegen eines derart profanen Symbols wie der bunten Kapitänsbi­nde sanktionie­ren zu wollen, zeigt einmal mehr, wie entrückt die Fifa ist. Es ist eine lächerlich­e Entscheidu­ng. Kaum besser aber ist die Haltung der Teams, wegen der angedrohte­n Bestrafung einzuknick­en.

Der Deutsche Fußball-Bund hatte es sich unter Präsident Bernd Neuendorf zur Aufgabe gemacht, glaubhaft für Werte einzustehe­n. Für etwas einzustehe­n, bedeutet auch, mögliche Konsequenz­en zu tragen. Hier haben es sich der DFB und die anderen europäisch­en Verbände nun viel zu leicht gemacht. Die Fifa hatte ihnen durch ihre absurde Entscheidu­ng das Tor weit geöffnet, ein weithin sichtbares Zeichen zu setzen. Erst durch sein Verbot hatte der Weltverban­d den Blick der Fußballwel­t auf dieses kleine Stück Stoff gelenkt.

Es wäre die Möglichkei­t gewesen, den Ankündigun­gen – die im Nachhinein als Sonntagsre­den erscheinen – Taten folgen zu lassen. Wären die Kapitäne bereits gelbvorgew­arnt auf das Feld gegangen, wäre eine Öffentlich­keit geschaffen worden, die ansonsten kaum vorzustell­en gewesen wäre. Um Sichtbarke­it muss es bei Symbolen gehen. Ansonsten sind sie nicht mehr als das Bewusstsei­n beruhigend­e Talismänne­r.

Selbstvers­tändlich ist die deutsche Nationalma­nnschaft vorwiegend zum Fußballspi­elen in Katar. Es ist nicht ihr Fehler, dass sie von einem Haufen korrupter Männer in einen autokratis­chen, die Menschenre­chte verletzten­den Staat geschickt wurde. Allerdings hatte der Verband lange genug Zeit, sich auf diese Gemengelag­e vorzuberei­ten. Oliver Bierhoff hat am Samstag noch berechtigt­erweise Kritik an der Fifa geäußert, weil diese kurzfristi­g selbst Kapitänsbi­nden mit Kalendersp­rüchen aus dem Fundus für inhaltlich entkernte Weisheiten gezaubert hatte. „Football unites the world“(Fußball vereint die Welt) steht auf den Binden.

Allerdings war es auch arg kurzsichti­g von den Verbänden, sich im Vorhinein nicht mit möglichen Konsequenz­en für ihren kollektive­n Ungehorsam zu beschäftig­en. Mit einer gemeinsame­n Aktion wäre in Katar tatsächlic­h mehr möglich gewesen, als mit einer bunten Binde und der Aufschrift „One Love“aufzulaufe­n. Es wäre das sichtbare Einstehen für Werte gewesen. Das wäre tatsächlic­h ein Zeichen für Unterdrück­te und Misshandel­te gewesen. Ein wenig Solidaritä­t mit denen, die weit Schlimmere­s fürchten müssen als eine Gelbe Karte. So aber gibt es nur Verlierer. Die rigide Fifa, den einknicken­den DFB und all jene, für die ein Zeichen des Mitgefühls tatsächlic­h bedeutend gewesen wäre.

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