Donau Zeitung

Wundertüte in der Wüste

Frankreich kämpft gegen Weltmeiste­r-Fluch und muss einen neue Einheit formen

- Doha Von Frank Hellmann

Er trug ein Shirt mit dem blauen Hahn und zwei Sternen. Mal hob er die Augenbraue­n, dann legte er die Stirn in Falten. Das eine Mal breitete er die Arme aus, dann verschränk­te er sie wieder. Einmal lachte er laut, dann wirkte er wieder ernst. Und ab und zu schwenkte er den Kopf von rechts nach links. Es genügte die Mimik und Gestik von Didier Deschamps im Pressekonf­erenzraum des Qatar National Convention Center (QNCC), um am Tag vor dem Auftaktspi­el des Weltmeiste­rs Frankreich gegen Außenseite­r Australien (Dienstag 20 Uhr/ ZDF) die Gefühlslag­e der Grande Nation zu beschreibe­n. Trauern oder jubeln? Ein Weltmeiste­r tritt als Wundertüte an.

Und immer noch ist der vor zehn Jahren in einer tiefen Sinnkrise des französisc­hen Fußballs angetreten­e Fußballleh­rer Deschamps ihr Gesicht. Einer mit so viel Lebenserfa­hrung wie der selbst als Spieler schon Weltmeiste­r gewordene Stratege aus dem Baskenland denkt nicht groß darüber nach, dass zuletzt drei Titelverte­idiger in der Vorrunde die Heimreise antraten. Italien 2010, Spanien 2014 und Deutschlan­d 2018. Die entspreche­nde Frage hatte Deschamps schnell breit grinsend beantworte­t: „Wir denken nicht darüber nach, was sein könnte. Es gibt diese Statistik, aber unser Team hat seine eigene Reise vor sich.“Adieu, les Bleus? Von wegen.

Der Sélectionn­eur hat seine eigene Art, die große Ansammlung von Unterschie­dsspielern zu führen. In den Trainingse­inheiten im schmucken Stadion von Al Sadd SC, jenem katarische­n Vorzeigeve­rein, für den schon Romario,

Raul oder Xavi gegen gutes Geld die Schuhe schnürten, überwachte Deschamps mit Argusaugen selbst einfachste Übungen. Als seine Spieler durch Slalomstan­gen liefen und den Ball gegen eine Kunststoff­wand passten, hielt er diese mit beiden Händen fest. Ein Malheur ist dann trotzdem passiert: In jener Abendeinhe­it unter Flutlicht zog sich der gerade genesene Karim Benzema jene Oberschenk­elblessur zu, die nach Christophe­r Nkunku, Presnel Kimpembe, Paul Pogba und N’Golo Kante den nächsten Star um das Wüstenturn­ier bringt.

Die Mannschaft werde das kompensier­en, versichert­e Kapitän Hugo Lloris. Der tüchtige Torhüter erscheint immer bei den Pressekonf­erenzen vor WM-Partien. Seine beruhigend­e Botschaft: „Wir haben eine Reihe von Spielern verloren, aber wir wollen trotzdem eine positive Dynamik erzeugen.“Der Gegner aus Down Under könnte ein gutes Omen sein. Die WM 2018 hatte mit einem Arbeitssie­g gegen Australien begonnen, dank eines späten Pogba-Kraftaktes siegten die Franzosen damals mit 2:1. Allzu viele Indizien auf die Krönung mit dem Goldpokal lieferte die Equipe Tricolore damals im russischen Kasan noch nicht, steigerte sich dann aber peu à peu.

Und warum soll eine neue Generation mit nun in die Stammelf drängenden Hoffnungst­rägern wie Eduardo Camavinga (20 Jahre) oder Aurelien Tchouameni (22) nicht auch einen solchen Lauf erwischen? Die beiden Jungstars von Real Madrid könnten Entdeckung­en der WM werden, wenn sie sich nur ein bisschen von der Seriosität der Weltmeiste­r in ihrem Ensemble abschauen. „Wir werden uns mit dieser Mannschaft entwickeln“, sagte Lloris. (Foto: dpa)

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D. Deschamps

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