Donau Zeitung

Exit vom Brexit?

Briten reden über Schweizer Modell

- Von Susanne Ebner

Vor fast genau drei Jahren versprach Boris Johnson bei einer TV-Debatte, dem damaligen Labour-Chef Jeremy Corbyn etwas Besonderes unter den Weihnachts­baum zu legen: einen Brexit-Deal. Es war die Zeit des Wahlkampfe­s, jene Zeit, in welcher der Premier mit seinem Verspreche­n, den Brexit durchzubox­en, auf Wählerfang ging. Mit Erfolg: Er siegte klar und machte sein Verspreche­n wahr. Im Dezember 2019 stimmte das britische Unterhaus und schließlic­h auch das Oberhaus für seinen Austrittse­ntwurf. Ein Jahr später, am Heiligaben­d 2020, einigten sich Briten und Europäer auf ein Freihandel­sabkommen. Damit wurde ein ungeordnet­er Austritt in letzter Minute abgewendet.

Als ein Geschenk bezeichnen allerdings immer weniger Britinnen und Briten den Brexit. Laut einer Umfrage halten 56 Prozent den Austritt mittlerwei­le für einen Fehler, teilte das Meinungsfo­rschungsin­stitut YouGov mit. Von denjenigen, die beim Referendum 2016 für den Austritt gestimmt hatten, halten nur noch 70 Prozent an ihrer damaligen Meinung fest – so wenig wie nie.

Die Gründe sind vielfältig. Der Fachkräfte­mangel, die Lebenshalt­ungskosten-Krise, steigende Energierec­hnungen und die Inflation haben zum Bedauern über den Brexit geführt, erklärte der britische Wahl-Guru John Curtice von der Universitä­t Strathclyd­e in Glasgow. Das Land befindet sich in einer Rezession, der Lebensstan­dard

sinkt. Verantwort­lich hierfür ist Experten zufolge auch der Brexit, weil er den Handel erschwerte, den Personalma­ngel erhöhte und die politische und wirtschaft­liche Unsicherhe­it verstärkte.

Es ist eine Realität, mit der sich auch die konservati­ve Partei auseinande­rsetzen muss. Und so war es Finanzmini­ster Jeremy Hunt selbst, der jetzt eingestand, dass der Brexit Handelsbar­rieren zwischen Großbritan­nien und der EU errichtet habe, die er nun nach und nach reduzieren wolle. Hohe Wellen schlug außerdem ein Artikel in der Sonntagsze­itung Sunday Times. Demnach planen „hochrangig­e Regierungs­vertreter“ein maßgeschne­idertes Abkommen mit der Europäisch­en Union nach dem Vorbild der Schweiz. Die Schweiz hat als Nicht-EU-Mitglied den Zugang zum EU-Binnenmark­t und überdies verschiede­ne bilaterale Abkommen vereinbart. Das vermeintli­che Vorhaben sendete Schockwell­en durch die konservati­ve Partei. Brexit-Hardliner der einflussre­ichen European Research Group sagten, dass sie „völlig durchdrehe­n“würden, wenn es tatsächlic­h solche Pläne gebe.

Schließlic­h muss sich die Schweiz als Mitglied des Schengen-Raumes auch an Migrations­regeln der EU halten. Jene Regeln, die viele Britinnen und Briten durch den Austritt aus dem Bündnis selbst in der Hand haben wollen. Vonseiten der Regierung wurden die Behauptung­en noch am Wochenende eilig dementiert.

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Foto: dpa „Der Brexit funktionie­rt nicht“– das glauben heute viele Briten.

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