Donau Zeitung

„Ich ließ mir die Haare so schneiden, wie Alice sie hatte“

Nina Gummich wollte unbedingt die junge Schwarzer spielen. Wie sie die bekannte Feministin von sich überzeugte und wie sie selbst zur Frauenbewe­gung steht.

- Interview: Josef Karg

Frau Gummich, am 3. Dezember feiert Alice Schwarzer ihren 80. Geburtstag. Wer mehr über die einflussre­iche Journalist­in und Feministin erfahren will, bekommt die Gelegenhei­t dazu bald auch in einem Fernseh-Zweiteiler. Was erwartet Zuschaueri­nnen und Zuschauer?

Nina Gummich: Sie bekommen 13 Jahre aus Alice Schwarzers sehr jungem Leben zu sehen. Das sind sehr private Einblicke, auch in ihre Gefühlswel­t. Es ist auch ein historisch interessan­ter Stoff zur Frauenbewe­gung. Man kann nachfühlen, wie sich diese Jahre für Frauen angefühlt haben und wie sie gekämpft haben, als es in Deutschlan­d und Frankreich losging in den 60er Jahren. Ich hoffe, es ist ein mitreißend­es Programm.

„Alice“wird das Leben der jungen Schwarzer und ihren Weg hin bis zur Gründung der Zeitschrif­t „Emma“zeigen. Sie verkörpern sie. Wie kam es dazu?

Gummich: Es wurde anfangs ein großes Casting durch ganz Deutschlan­d gestartet. Da waren so ziemlich alle jungen Schauspiel­erinnen eingeladen, die dafür irgendwie infrage kamen. Ich hatte auch davon gehört und hatte auf eine Einladung gehofft. Es kam aber erst einmal nichts, und ich dachte mir: „Schade, warum gucken sie denn an mir vorbei?“Dann war ich im Urlaub und wollte entspannen. Da kam plötzlich die Einladung und ich habe mir, obwohl ich eigentlich meinen Geburtstag feiern wollte und Freunde zu Besuch hatte, die Zeit genommen und sofort angefangen zu proben. Außerdem habe ich die Maskenbild­nerin meines Vertrauens gebeten, mir die Haare so zu schneiden, wie Alice Schwarzer sie damals hatte und habe eigens eine Kostümbild­nerin beauftragt. Ich habe also für diese Rolle gekämpft. In der zweiten Runde war ich dann mit Alice Schwarzer Abendessen. Da war ich persönlich schon sehr entschiede­n, dass ich die Rolle spielen möchte. Doch es zog sich, bis die Zusage kam.

War Schwarzer in die Entscheidu­ng eingebunde­n?

Gummich: Sie hatte bei den drei Hauptfigur­en Mitsprache­recht. Deswegen auch das Abendessen. Schwarzer hatte schon von der Frisurgesc­hichte

gehört und davon, dass ich einer anderen Produzenti­n für den gleichen Drehzeitra­um abgesagt hatte. Mit der Begründung, dass ich die Alice spielen werde. Schwarzer sagte amüsiert, dass das auch von ihr hätte sein können.

Inzwischen gibt es ja auch eine Autobiogra­fie. Aber lange Zeit war über die junge Schwarzer wenig bekannt. Warum?

Gummich: Ich glaube, dass sie eine Weile brauchte, bis sie der Meinung war, dass ein Rückblick auf ihr Leben angemessen sei. Ab einem gewissen Punkt ist sie dann offenbar bereit gewesen, in sich reinschaue­n zu lassen. Sie war und ist ja immer wieder heftigen Angriffen

ausgesetzt gewesen. Leute, die die Biografie gelesen haben, wunderten sich, dass sie so private Einblicke gestattet. Da berichtet sie beispielsw­eise auch über ihre große Melancholi­e und die Beziehung zu ihrem damaligen Lebensgefä­hrten Bruno.

Würden Sie sich selbst auch als Feministin bezeichnen?

Gummich: Vor dem Film habe ich tatsächlic­h gar nicht so richtig gewusst, was Feminismus ist und wofür er genau steht. Und ich glaube auch, wenn man zehn verschiede­ne Frauen fragt, bekommt man zehn verschiede­ne Antworten. Alice Schwarzer selbst beschreibt in einem ihrer Bücher, dass es sich um das Bewusstsei­n handelt, dass unsere Welt von patriarcha­len Strukturen geprägt ist und sozusagen der Wille entstanden ist, sich daraus zu befreien. Erst in diesem Moment habe ich das so richtig begriffen und eine eigene Haltung dazu entwickelt.

Was halten Sie für die wichtigste Aufgabe der Frauenbewe­gung heutzutage?

Gummich: Ich würde mir wünschen, dass die Frauen stärker zusammenfi­nden und zusammenha­lten. Wir Frauen sollten trotz manch unterschie­dlicher Herangehen­sweise und Perspektiv­e sagen: „Wir kämpfen doch trotz oberflächl­icher Meinungsve­rschiedenh­eiten alle für das Gleiche!“

Laut einer aktuellen Studie soll es noch fast 100 Jahre dauern, bis es zur Gleichbere­chtigung zwischen Mann und Frau kommt. Das klingt nach einem zähen Prozess. Wie könnte man den beschleuni­gen?

Gummich (lacht): Indem man alle Männer zusammenru­ft, damit sie sich von den Frauen in einer Art Crashkurs einige Dinge abgucken. Es müsste gelingen, die Männer zu überzeugen, endlich in ihre Gefühle zu kommen. Vielleicht würde es dann schneller gehen.

In ihre Gefühle kommen? Ist die Gefühlswel­t der Männer denn das Problem?

Gummich: Ich kann mir das schon vorstellen. Ich mache ja gerade eine Ausbildung zum „systemisch­en Coach“, in der es auch um Familienau­fstellunge­n geht. Wir sind da eine große Gruppe und man kann sagen, dass Männer tatsächlic­h schwerer Zugang zu Gefühlen haben. Ich denke, es ist wichtig, dass wir alle raus aus dem Kopf und mehr ins Gefühl kommen. Dann könnte sich viel bewegen.

 ?? Foto: Annette Riedl, dpa ?? Alice Schwarzer und Schauspiel­erin Nina Gummich (rechts) kürzlich bei einer Vorab-Vorführung des Films „Alice“.
Foto: Annette Riedl, dpa Alice Schwarzer und Schauspiel­erin Nina Gummich (rechts) kürzlich bei einer Vorab-Vorführung des Films „Alice“.

Newspapers in German

Newspapers from Germany