„Ich ließ mir die Haare so schneiden, wie Alice sie hatte“
Nina Gummich wollte unbedingt die junge Schwarzer spielen. Wie sie die bekannte Feministin von sich überzeugte und wie sie selbst zur Frauenbewegung steht.
Frau Gummich, am 3. Dezember feiert Alice Schwarzer ihren 80. Geburtstag. Wer mehr über die einflussreiche Journalistin und Feministin erfahren will, bekommt die Gelegenheit dazu bald auch in einem Fernseh-Zweiteiler. Was erwartet Zuschauerinnen und Zuschauer?
Nina Gummich: Sie bekommen 13 Jahre aus Alice Schwarzers sehr jungem Leben zu sehen. Das sind sehr private Einblicke, auch in ihre Gefühlswelt. Es ist auch ein historisch interessanter Stoff zur Frauenbewegung. Man kann nachfühlen, wie sich diese Jahre für Frauen angefühlt haben und wie sie gekämpft haben, als es in Deutschland und Frankreich losging in den 60er Jahren. Ich hoffe, es ist ein mitreißendes Programm.
„Alice“wird das Leben der jungen Schwarzer und ihren Weg hin bis zur Gründung der Zeitschrift „Emma“zeigen. Sie verkörpern sie. Wie kam es dazu?
Gummich: Es wurde anfangs ein großes Casting durch ganz Deutschland gestartet. Da waren so ziemlich alle jungen Schauspielerinnen eingeladen, die dafür irgendwie infrage kamen. Ich hatte auch davon gehört und hatte auf eine Einladung gehofft. Es kam aber erst einmal nichts, und ich dachte mir: „Schade, warum gucken sie denn an mir vorbei?“Dann war ich im Urlaub und wollte entspannen. Da kam plötzlich die Einladung und ich habe mir, obwohl ich eigentlich meinen Geburtstag feiern wollte und Freunde zu Besuch hatte, die Zeit genommen und sofort angefangen zu proben. Außerdem habe ich die Maskenbildnerin meines Vertrauens gebeten, mir die Haare so zu schneiden, wie Alice Schwarzer sie damals hatte und habe eigens eine Kostümbildnerin beauftragt. Ich habe also für diese Rolle gekämpft. In der zweiten Runde war ich dann mit Alice Schwarzer Abendessen. Da war ich persönlich schon sehr entschieden, dass ich die Rolle spielen möchte. Doch es zog sich, bis die Zusage kam.
War Schwarzer in die Entscheidung eingebunden?
Gummich: Sie hatte bei den drei Hauptfiguren Mitspracherecht. Deswegen auch das Abendessen. Schwarzer hatte schon von der Frisurgeschichte
gehört und davon, dass ich einer anderen Produzentin für den gleichen Drehzeitraum abgesagt hatte. Mit der Begründung, dass ich die Alice spielen werde. Schwarzer sagte amüsiert, dass das auch von ihr hätte sein können.
Inzwischen gibt es ja auch eine Autobiografie. Aber lange Zeit war über die junge Schwarzer wenig bekannt. Warum?
Gummich: Ich glaube, dass sie eine Weile brauchte, bis sie der Meinung war, dass ein Rückblick auf ihr Leben angemessen sei. Ab einem gewissen Punkt ist sie dann offenbar bereit gewesen, in sich reinschauen zu lassen. Sie war und ist ja immer wieder heftigen Angriffen
ausgesetzt gewesen. Leute, die die Biografie gelesen haben, wunderten sich, dass sie so private Einblicke gestattet. Da berichtet sie beispielsweise auch über ihre große Melancholie und die Beziehung zu ihrem damaligen Lebensgefährten Bruno.
Würden Sie sich selbst auch als Feministin bezeichnen?
Gummich: Vor dem Film habe ich tatsächlich gar nicht so richtig gewusst, was Feminismus ist und wofür er genau steht. Und ich glaube auch, wenn man zehn verschiedene Frauen fragt, bekommt man zehn verschiedene Antworten. Alice Schwarzer selbst beschreibt in einem ihrer Bücher, dass es sich um das Bewusstsein handelt, dass unsere Welt von patriarchalen Strukturen geprägt ist und sozusagen der Wille entstanden ist, sich daraus zu befreien. Erst in diesem Moment habe ich das so richtig begriffen und eine eigene Haltung dazu entwickelt.
Was halten Sie für die wichtigste Aufgabe der Frauenbewegung heutzutage?
Gummich: Ich würde mir wünschen, dass die Frauen stärker zusammenfinden und zusammenhalten. Wir Frauen sollten trotz manch unterschiedlicher Herangehensweise und Perspektive sagen: „Wir kämpfen doch trotz oberflächlicher Meinungsverschiedenheiten alle für das Gleiche!“
Laut einer aktuellen Studie soll es noch fast 100 Jahre dauern, bis es zur Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau kommt. Das klingt nach einem zähen Prozess. Wie könnte man den beschleunigen?
Gummich (lacht): Indem man alle Männer zusammenruft, damit sie sich von den Frauen in einer Art Crashkurs einige Dinge abgucken. Es müsste gelingen, die Männer zu überzeugen, endlich in ihre Gefühle zu kommen. Vielleicht würde es dann schneller gehen.
In ihre Gefühle kommen? Ist die Gefühlswelt der Männer denn das Problem?
Gummich: Ich kann mir das schon vorstellen. Ich mache ja gerade eine Ausbildung zum „systemischen Coach“, in der es auch um Familienaufstellungen geht. Wir sind da eine große Gruppe und man kann sagen, dass Männer tatsächlich schwerer Zugang zu Gefühlen haben. Ich denke, es ist wichtig, dass wir alle raus aus dem Kopf und mehr ins Gefühl kommen. Dann könnte sich viel bewegen.