In dieser Unterkunft soll möglichst niemand wohnen
Es kommt leider immer wieder vor, dass Menschen in Wertingen auf ein schnelles Dach über dem Kopf angewiesen sind. Dann kommt die neue Obdachlosenunterkunft in Bliensbach zum Einsatz.
Es gibt Tagesordnungspunkte bei Sitzungen, die besprechen Stadträte gern, weil es um Vorzeigeprojekte der Stadt geht. Und dann gibt es Tagesordnungspunkte wie den dritten der jüngsten Sitzung des Wertinger Stadtrats. Allen Beteiligten war anzumerken, dass sie lieber über andere Themen gesprochen hätten. Aber es musste sein: Es ging um die Obdachlosenunterkunft im ersten Stock des Bliensbacher Bürgerhauses, die unlängst renoviert worden ist. Und konkret darum, was man denjenigen zumuten soll und kann, die darin untergebracht sind.
Untergebracht wohlgemerkt. In der Unterkunft soll niemand „wohnen“. Sie ist gedacht für Personen, die ihre Wohnung verloren haben und kurzfristig ein Dach über dem Kopf brauchen – oder trotz eigener Bemühungen nach einer Kündigung noch nichts Neues gefunden haben. In der Benutzungssatzung, die der Stadtrat einstimmig verabschiedete, ist schon bei der Definition zu sehen, dass es sich um ein ernstes Thema handelt. Explizit von der Benutzung ausgeschlossen werden hier Personen, die freiwillig in Obdachlosigkeit leben. Und auch Minderjährige, die von Zuhause ausreißen, sollen in der Bliensbacher Unterkunft keinen Schlafplatz finden.
Die Unterkunft stellt in allen Bereichen
das Gegenteil von Luxus dar. Die Möblierung ist karg. Vier Stockbetten stellen insgesamt acht Schlafplätze zur Verfügung, bei akutem Bedarf könnte das auch noch aufgestockt werden. Rund 100.000 Euro hat die Sanierung gekostet, die Arbeit wurde vom Betriebshof der Stadt Wertingen übernommen. Die Räumlichkeiten bestehen aus vier Schlafräumen, zwei Bädern und einer Küche.
Privatsphäre ist hier nur bedingt garantiert – Vertreterinnen und Vertreter der Stadt können Zutritt
zu den Räumlichkeiten verlangen und auch mehrere Personen in einem Zimmer unterbringen. Die Verwaltung kann außerdem die Aufnahme aus verschiedenen Gründen verwehren oder eine Person bei Fehlverhalten fristlos aus der Unterkunft kündigen – theoretisch zumindest. Zu den Regeln innerhalb der Unterkunft gehört unter anderem, die Räumlichkeiten einmal pro Woche „gründlich nass zu putzen“. Bewohnen mehrere Personen die Unterkunft, müssen sie sich abwechseln.
Die Benutzungssatzung regelt auch andere Bereiche im Detail. So ist es unter anderem ausdrücklich untersagt, auf dem Grundstück kaputte Kraftfahrzeuge, Wohnwägen und Anhänger abzustellen. Oder in der Unterkunft Holz zu hacken. Auf Anregung von Stadtrat Tobias Kolb (Kommunale Umweltliste) wurde noch ein Rauchverbot innerhalb der Unterkunft hinzugefügt. Die Stadt behält sich laut der neu erlassenen Satzung auch das Recht auf andere Auflagen vor, die sie Personen vorgeben kann, bevor
diese in die Unterkunft einziehen dürfen. Besonders wichtig ist hier der Absatz: „Die Benutzer haben sich laufend auf dem freien Wohnungsmarkt um eine Mietwohnung oder sonstige Unterkunft zu bemühen. Es kann jederzeit ein entsprechender Nachweis über dieses Bemühen verlangt werden.“
Kostenlos ist die Nutzung der Notunterkunft indes nicht, sondern wird den temporären Bewohnerinnen und Bewohnern in Rechnung gestellt. Für erwachsene Einzelpersonen werden 10,40 Euro, für
Familien maximal rund 27 Euro pro Tag angesetzt. Zusätzliche Nebenkosten gibt es nicht. Hier kam im Stadtrat eine kurze Diskussion auf, da die errechnete Gebühr, die für eine Familie auch etwa 800 Euro im Monat betragen kann, für Stadtrat Reinhold Wörle (Freie Wähler) als relativ hoch angesetzt schien. Schließlich handele es sich um eine Hilfsunterkunft für sozial schwache Personen. Kämmerer Matthias Freier wies aber darauf hin, dass nötigenfalls das Sozialamt für die Rechnungen aufkommen werde. In diesem Bezug drehte sich auch nach einer entsprechenden Frage von Johann Popp (CSU) die Diskussion, wer für die Kosten von eventuellen Beschädigungen aufkomme. Wertingens Verwaltungsund Geschäftsleiter Dieter Nägele sagte dazu, dass es generell schwierig sei, Personen in Obdachlosigkeit finanziell in die Pflicht zu nehmen. Da Schadensersatzforderungen oft nicht vollstreckt werden können, bliebe die Stadt gegebenenfalls wohl auf diesen sitzen. Bürgermeister Willy Lehmeier sagte dazu: „Auf dem regulären Wohnungsmarkt gibt es dafür halt die Kaution.“Doch alle Stadträte zeigten sich froh darüber, dass die Stadt nun über neue Kapazitäten verfügt, um Personen schnell und unbürokratisch vor der Obdachlosigkeit zu bewahren. Lehmeier sagte abschließend: „Wir sind um jeden Tag froh, an dem niemand in der Unterkunft ist.“