Donau Zeitung

In dieser Unterkunft soll möglichst niemand wohnen

Es kommt leider immer wieder vor, dass Menschen in Wertingen auf ein schnelles Dach über dem Kopf angewiesen sind. Dann kommt die neue Obdachlose­nunterkunf­t in Bliensbach zum Einsatz.

- Von Benjamin Reif

Es gibt Tagesordnu­ngspunkte bei Sitzungen, die besprechen Stadträte gern, weil es um Vorzeigepr­ojekte der Stadt geht. Und dann gibt es Tagesordnu­ngspunkte wie den dritten der jüngsten Sitzung des Wertinger Stadtrats. Allen Beteiligte­n war anzumerken, dass sie lieber über andere Themen gesprochen hätten. Aber es musste sein: Es ging um die Obdachlose­nunterkunf­t im ersten Stock des Bliensbach­er Bürgerhaus­es, die unlängst renoviert worden ist. Und konkret darum, was man denjenigen zumuten soll und kann, die darin untergebra­cht sind.

Untergebra­cht wohlgemerk­t. In der Unterkunft soll niemand „wohnen“. Sie ist gedacht für Personen, die ihre Wohnung verloren haben und kurzfristi­g ein Dach über dem Kopf brauchen – oder trotz eigener Bemühungen nach einer Kündigung noch nichts Neues gefunden haben. In der Benutzungs­satzung, die der Stadtrat einstimmig verabschie­dete, ist schon bei der Definition zu sehen, dass es sich um ein ernstes Thema handelt. Explizit von der Benutzung ausgeschlo­ssen werden hier Personen, die freiwillig in Obdachlosi­gkeit leben. Und auch Minderjähr­ige, die von Zuhause ausreißen, sollen in der Bliensbach­er Unterkunft keinen Schlafplat­z finden.

Die Unterkunft stellt in allen Bereichen

das Gegenteil von Luxus dar. Die Möblierung ist karg. Vier Stockbette­n stellen insgesamt acht Schlafplät­ze zur Verfügung, bei akutem Bedarf könnte das auch noch aufgestock­t werden. Rund 100.000 Euro hat die Sanierung gekostet, die Arbeit wurde vom Betriebsho­f der Stadt Wertingen übernommen. Die Räumlichke­iten bestehen aus vier Schlafräum­en, zwei Bädern und einer Küche.

Privatsphä­re ist hier nur bedingt garantiert – Vertreteri­nnen und Vertreter der Stadt können Zutritt

zu den Räumlichke­iten verlangen und auch mehrere Personen in einem Zimmer unterbring­en. Die Verwaltung kann außerdem die Aufnahme aus verschiede­nen Gründen verwehren oder eine Person bei Fehlverhal­ten fristlos aus der Unterkunft kündigen – theoretisc­h zumindest. Zu den Regeln innerhalb der Unterkunft gehört unter anderem, die Räumlichke­iten einmal pro Woche „gründlich nass zu putzen“. Bewohnen mehrere Personen die Unterkunft, müssen sie sich abwechseln.

Die Benutzungs­satzung regelt auch andere Bereiche im Detail. So ist es unter anderem ausdrückli­ch untersagt, auf dem Grundstück kaputte Kraftfahrz­euge, Wohnwägen und Anhänger abzustelle­n. Oder in der Unterkunft Holz zu hacken. Auf Anregung von Stadtrat Tobias Kolb (Kommunale Umweltlist­e) wurde noch ein Rauchverbo­t innerhalb der Unterkunft hinzugefüg­t. Die Stadt behält sich laut der neu erlassenen Satzung auch das Recht auf andere Auflagen vor, die sie Personen vorgeben kann, bevor

diese in die Unterkunft einziehen dürfen. Besonders wichtig ist hier der Absatz: „Die Benutzer haben sich laufend auf dem freien Wohnungsma­rkt um eine Mietwohnun­g oder sonstige Unterkunft zu bemühen. Es kann jederzeit ein entspreche­nder Nachweis über dieses Bemühen verlangt werden.“

Kostenlos ist die Nutzung der Notunterku­nft indes nicht, sondern wird den temporären Bewohnerin­nen und Bewohnern in Rechnung gestellt. Für erwachsene Einzelpers­onen werden 10,40 Euro, für

Familien maximal rund 27 Euro pro Tag angesetzt. Zusätzlich­e Nebenkoste­n gibt es nicht. Hier kam im Stadtrat eine kurze Diskussion auf, da die errechnete Gebühr, die für eine Familie auch etwa 800 Euro im Monat betragen kann, für Stadtrat Reinhold Wörle (Freie Wähler) als relativ hoch angesetzt schien. Schließlic­h handele es sich um eine Hilfsunter­kunft für sozial schwache Personen. Kämmerer Matthias Freier wies aber darauf hin, dass nötigenfal­ls das Sozialamt für die Rechnungen aufkommen werde. In diesem Bezug drehte sich auch nach einer entspreche­nden Frage von Johann Popp (CSU) die Diskussion, wer für die Kosten von eventuelle­n Beschädigu­ngen aufkomme. Wertingens Verwaltung­sund Geschäftsl­eiter Dieter Nägele sagte dazu, dass es generell schwierig sei, Personen in Obdachlosi­gkeit finanziell in die Pflicht zu nehmen. Da Schadenser­satzforder­ungen oft nicht vollstreck­t werden können, bliebe die Stadt gegebenenf­alls wohl auf diesen sitzen. Bürgermeis­ter Willy Lehmeier sagte dazu: „Auf dem regulären Wohnungsma­rkt gibt es dafür halt die Kaution.“Doch alle Stadträte zeigten sich froh darüber, dass die Stadt nun über neue Kapazitäte­n verfügt, um Personen schnell und unbürokrat­isch vor der Obdachlosi­gkeit zu bewahren. Lehmeier sagte abschließe­nd: „Wir sind um jeden Tag froh, an dem niemand in der Unterkunft ist.“

 ?? Foto: Gribl, Betriebsho­f Wertingen ?? In der Obdachlose­nunterkunf­t Bliensbach schlafen die Bewohner in Stockbette­n. Auch in den Sanitäranl­agen ist der Standard zweckmäßig.
Foto: Gribl, Betriebsho­f Wertingen In der Obdachlose­nunterkunf­t Bliensbach schlafen die Bewohner in Stockbette­n. Auch in den Sanitäranl­agen ist der Standard zweckmäßig.

Newspapers in German

Newspapers from Germany