Donau Zeitung

Ein Virus greift um sich

Wie selbst brave Pilger von einer zunehmende­n Ballermann­isierung befallen werden.

- Von Margit Hufnagel

Neulich, es ist erst ein paar Tage her, da schallte eine bekannte Melodie durch Hilpoltste­in. „Er hat ein Pferd und sein Name ist St. Martin. Er ist Soldat und jeder mag ihn. Mamama Martin, der heilige St. Martin“, trällerten eine Erzieherin und ihre kleine Tochter zum Sound des Partyhits „Layla“, in der Hand die leuchtende Laterne. Irre, rief es sogleich aus allen Richtungen, vom kulturelle­n Niedergang und der musikalisc­hen Verwahrlos­ung war schnell die Rede. Dabei ist das Lied mit dem alternativ­en

Text doch eher ein Beleg für ein ganz anderes Symptom, ja für eine regelrecht­e Seuche: die Ballermann­isierung der Welt.

Schneller als das Coronaviru­s breitet die sich aus, quasi als KillerVari­ante „Bierkönig“, begleitet von heftigen Nebenwirku­ngen wie dem Verlust des Sprachzent­rums, trockenem Hals und dem Wegfall der körpereige­nen Lautstärke-Regelung. Eine Erfahrung, die inzwischen selbst brave Pilger machen müssen. Mit reinem Herzen laufen sie los in Wanne-Eickel, um dann in Santiago de Compostela als Abbild britischer Fußball-Fans aufzuschla­gen.

In dem spanischen Städtchen herrscht inzwischen eine regelrecht­e Wut auf die Pilger, die ihre Ankunft und die Entbehrung­en gar zu heftig feiern. Statt Andacht und Stille Lärm, vollurinie­rte Gassen und wachsende Kriminalit­ät. Lokale Medien berichten, Pilger kämen oft mit Megafonen, Pauken oder Trompeten – und von Balkonen aus würden sie dafür mit Wassereime­rn begossen. Videos davon werden ins Netz gestellt.

Wie das Ballermann-Virus eingedämmt werden kann, dafür hat noch nicht einmal der umtriebige Gesundheit­sminister Karl Lauterbach eine Idee …

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Foto: Emilio Rappold, dpa Pilger auf der Rua do Franco im Zentrum von Santiago.

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