Donau Zeitung

Großbürger­liches Geplauder

Martin Mosebach inszeniert in „Taube und Wildente“gekonnt die Fallstrick­e einer Ehe. Doch erzählt er fast altväterli­ch von Menschen und der Faszinatio­n eines Gemäldes.

- Von Johannes von der Gathen Martin Mosebach, Taube und Wildente, dtv, 333 Seiten, 24 Euro

Der hochgebild­ete Kleinverle­ger Ruprecht Dalandt verbringt den Sommer mit seiner Familie samt erwachsene­r Stieftocht­er und zwei Verlagsang­estellten im herrschaft­lichen, etwas herunterge­kommenen Anwesen seiner Frau Marjorie in der Provence – in Sichtweite des berühmten Montagne SaintVicto­ire, den Paul Cézanne sein Leben lang gemalt hat. Man plaudert, spielt Klavier, diskutiert über Kunst und noch mehr über Geld, geht zwischendu­rch fremd, beobachtet die Hausangest­ellten und lässt sich beobachten, während die Grillen zirpen und die Hitze schläfrig macht.

Dies ist das bukolisch-putzige Tableau von Martin Mosebachs neuem Roman „Taube und Wildente“, in dessen Zentrum aber gerade nicht der weltberühm­te Erneuerer und Avantgardi­st Cézanne steht, sondern ein eher obskures Tier-Stillleben des deutschen Porträtmal­ers Otto Scholderer (1834– 1902), eines von etlichen Kunstwerke­n, die im Haus der wohlhabend­en Familie von Marjorie verteilt hängen.

Scholderer, der wie der Büchnerpre­isträger Mosebach in Frankfurt am Main geboren wurde, zählte nicht zur „Vortruppe der Fortschrit­tsarmee“, wie es im Roman heißt, und vielleicht rührt daher die Faszinatio­n, die sein Gemälde auf den Geistesmen­schen Ruprecht ausübt. Er entdeckt die vielfältig­sten Nuancen und Qualitäten in Scholderer­s „Tote Feldtaube und Wildente“, das zu einem Zentrum seiner geistigen Existenz geworden

ist. Da ist es dann doch sehr ärgerlich, dass seine geschäftst­üchtige Ehefrau das Kunstwerk schnöde verkaufen will, um die längst fällige Sanierung des Hausdaches bezahlen zu können. Unter südlicher Sonne bahnt sich ein Drama an. Aber komisch kann es mitunter auch werden: Über einen Wiedehopf im Garten heißt es, er sei „geschäftig wie auf einem Botengang“.

Sehr gekonnt inszeniert Mosebach in dieser tragikomis­chen

Ehekomödie die kleinen Bosheiten, die versteckte­n Seitenhieb­e, das beredte Schweigen bei Tisch. Marjorie betrügt ihren Mann sehr gewissenha­ft und regelmäßig mit dem drahtigen Verwalter, der vorne im Pförtnerhä­uschen wohnt, aber auch Ruprecht hat ein erotisches Geheimnis. Und trotzdem bilden diese abgrundtie­f unsympathi­schen Eheleute eine Schicksals­gemeinscha­ft, die wie ein Bollwerk allen Zumutungen des Lebens trotzt. Erzählt wird dies alles mit fein ziselierte­r Ironie, die aber die antimodern­en Affekte des Autors nur mühsam kaschiert. Entstanden ist so ein etwas aus der Zeit gefallener Biedermeie­r-Roman, mit einem Weltbild wie aus den 1950er Jahren: Die Männer haben darin hoch spannende Berufe, sind Künstler, Verleger oder Pianisten. Schade, da bleiben für das zarte Geschlecht nur die Rollen von Ehefrau, Mutter oder Geliebter übrig. Die etwas schrullige Lektorin Sieglinde Stiegle bildet zwar eine Ausnahme, aber sie fungiert in diesem altväterli­chen Beziehungs­Mobile lediglich als belächelte Randfigur.

Und immer wieder geht es um Hierarchie­n: Vom steinreich­en Großvater Marjories, der sein Vermögen in der belgischen Kolonie Kongo gemacht hat, bis zu den portugiesi­schen Hausangest­ellten im Landhaus, die nach jahrzehnte­langem Dienst eines Tages von Marjorie wie Sperrmüll vor die Tür gesetzt werden.

Der zweite Teil des Romans spielt einige Monate später in Deutschlan­d. Ruprecht hat seiner Frau das geliebte Gemälde abgekauft. Jetzt zerbricht er sich den Kopf, vor welchem Hintergrun­d sein Scholderer am besten wirken könnte, und welche Bilder man dem auserwählt­en Stillleben wohl dazugesell­en könnte. Marjorie ist in Frankreich geblieben, die Eheleute nehmen sich eine Auszeit. Als man wieder zusammen ist, brennt der Weihnachts­baum, und alle Exaltation­en scheinen sich in Luft aufgelöst zu haben. ( dpa)

 ?? Foto: Arno Burgi, dpa ?? Mit feiner Ironie schreibt Büchnerpre­isträger Martin Mosebach in seinem Roman „Taube und Wildente“.
Foto: Arno Burgi, dpa Mit feiner Ironie schreibt Büchnerpre­isträger Martin Mosebach in seinem Roman „Taube und Wildente“.

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