Donau Zeitung

Wer ist der Mann, der jetzt vor Gericht steht?

Ein Mann aus dem Landkreis Dillingen soll aus Eifersucht versucht haben, einen anderen zu ermorden. Im Prozess ging es nun um den Polizeiein­satz – und ganz Persönlich­es.

- Von Jonathan Mayer

Es ist der zweite Verhandlun­gstag, wieder sind zahlreiche Zuschaueri­nnen und Zuschauer im Schwurgeri­cht in Augsburg erschienen. Viele von ihnen kennen den Angeklagte­n – und sind schockiert über den Vorwurf, der dem Mann gemacht wird. Er könne doch keiner Fliege etwas antun, sagt etwa ein Zuschauer in einer Pause. Als der Vorsitzend­e Richter Roland Christiani in der Verhandlun­g verlauten lässt, dass der Angeklagte doch recht sympathisc­h wirke, gibt es sogar kurzen vereinzelt­en Applaus. Wer ist also der Mann auf der Anklageban­k?

Die persönlich­en Verhältnis­se erörtert das Gericht zu Beginn des zweiten Verhandlun­gstags. Der 45-Jährige soll vor einem Jahr in

Dillingen mit einem Hammer versucht haben, auf den Kopf eines anderen Mannes einzuschla­gen. Die Staatsanwa­ltschaft wirft ihm deshalb versuchten Mord vor. Die Tat sei aus niederen Beweggründ­en (aus Eifersucht) und heimtückis­ch geschehen. Der Angeklagte schildert sein Leben freizügig: Seine Eltern ließen sich scheiden, als er jugendlich war. Trotzdem sei das Verhältnis zu ihnen gut gewesen – und das bis heute. Nach der sechsten Klasse kam er von der Haupt- auf die Sonderschu­le. Er machte keinen Abschluss, fing danach direkt im Straßenbau an, ohne Ausbildung. Die Arbeit hat er bis heute – nach eigener Angabe ging er sogar gleich nach der Untersuchu­ngshaft zu seinem Chef, um sich zurückzume­lden.

Vor Gericht geht es auch um seinen Alkoholkon­sum, denn bei der mutmaßlich­en Tat soll der Mann betrunken gewesen sein. 1,42 Promille Blutalkoho­l heißt es in der Anklage. Seit er 20 Jahre alt war, trinke er fast jeden Tag, sagt er. Außerdem sei er an Wochenende­n öfter mal in der Kneipe und treffe Freunde und Bekannte. Vier bis sechs Bier am Tag seien normal, sagt der Angeklagte. Eine Abhängigke­it sieht er bei sich jedoch nicht. Er trinke nicht, weil er nicht ohne Alkohol sein könne, sondern weil Bier ihm schmecke. Einen Hang im Sinne des Gesetzes sieht auch Richter Christiani bei dem Angeklagte­n nicht, den Sachverstä­ndigen habe die Menge sogar kaltgelass­en.

Nach den eigenen Schilderun­gen hatte es der 45-Jährige oft nicht leicht im Leben. In der Schulzeit gemobbt, isoliert, starkes Übergewich­t. Mit Anfang 40 habe er zum ersten Mal eine Freundin gefunden. Drei Jahre seien sie zusammen gewesen. Dann war Schluss – und es kam zu dem Vorfall, den die Staatsanwa­ltschaft ihm nun als versuchten Mord zur Last legt. Genauere Aussagen zu dem, was in jener Nacht passiert ist, gibt es vom Angeklagte­n bislang nicht. Er will sich erst in der nächsten Verhandlun­g äußern, womöglich über einen der beiden Rechtsanwä­lte, die ihn vertreten.

Zur mutmaßlich­en Tat selbst gibt es bislang ebenfalls keine neuen Erkenntnis­se. In der Verhandlun­g am Dienstag sagten lediglich die Polizeibea­mten und -beamtinnen aus, die zum Tatort gerufen wurden. Sie schildern eine aufgebrach­te Stimmung bei den Zeuginnen und dem angegriffe­nen Mann. Der Angeklagte selbst habe sich ruhig und kooperativ verhalten. Er sei nach der Tat geflohen, habe sich allerdings sofort auf den Boden gelegt, als die Beamten ihn wenige Hundert Meter weiter einholten.

Die Aussage einer Polizistin lässt aufhorchen: Vor Ort habe die Version des Geschädigt­en plausibel geklungen. Aber: „Im Nachhinein sehe ich die Geschichte mit anderen Augen.“Ihr Gefühl sage ihr, der Mann habe übertriebe­n, als er schilderte, wie der Angeklagte auf ihn losgegange­n sein soll. Ein anderer Beamter sagte aus, der Angeklagte habe sich auf dem Weg zum Blutalkoho­ltest im Krankenhau­s Vorwürfe gemacht: Er habe den anderen Mann umbringen wollen, er bereue das alles – und jetzt sei sein Leben vorbei. In knapp einer Woche wird die Verhandlun­g fortgesetz­t.

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