Wer ist der Mann, der jetzt vor Gericht steht?
Ein Mann aus dem Landkreis Dillingen soll aus Eifersucht versucht haben, einen anderen zu ermorden. Im Prozess ging es nun um den Polizeieinsatz – und ganz Persönliches.
Es ist der zweite Verhandlungstag, wieder sind zahlreiche Zuschauerinnen und Zuschauer im Schwurgericht in Augsburg erschienen. Viele von ihnen kennen den Angeklagten – und sind schockiert über den Vorwurf, der dem Mann gemacht wird. Er könne doch keiner Fliege etwas antun, sagt etwa ein Zuschauer in einer Pause. Als der Vorsitzende Richter Roland Christiani in der Verhandlung verlauten lässt, dass der Angeklagte doch recht sympathisch wirke, gibt es sogar kurzen vereinzelten Applaus. Wer ist also der Mann auf der Anklagebank?
Die persönlichen Verhältnisse erörtert das Gericht zu Beginn des zweiten Verhandlungstags. Der 45-Jährige soll vor einem Jahr in
Dillingen mit einem Hammer versucht haben, auf den Kopf eines anderen Mannes einzuschlagen. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm deshalb versuchten Mord vor. Die Tat sei aus niederen Beweggründen (aus Eifersucht) und heimtückisch geschehen. Der Angeklagte schildert sein Leben freizügig: Seine Eltern ließen sich scheiden, als er jugendlich war. Trotzdem sei das Verhältnis zu ihnen gut gewesen – und das bis heute. Nach der sechsten Klasse kam er von der Haupt- auf die Sonderschule. Er machte keinen Abschluss, fing danach direkt im Straßenbau an, ohne Ausbildung. Die Arbeit hat er bis heute – nach eigener Angabe ging er sogar gleich nach der Untersuchungshaft zu seinem Chef, um sich zurückzumelden.
Vor Gericht geht es auch um seinen Alkoholkonsum, denn bei der mutmaßlichen Tat soll der Mann betrunken gewesen sein. 1,42 Promille Blutalkohol heißt es in der Anklage. Seit er 20 Jahre alt war, trinke er fast jeden Tag, sagt er. Außerdem sei er an Wochenenden öfter mal in der Kneipe und treffe Freunde und Bekannte. Vier bis sechs Bier am Tag seien normal, sagt der Angeklagte. Eine Abhängigkeit sieht er bei sich jedoch nicht. Er trinke nicht, weil er nicht ohne Alkohol sein könne, sondern weil Bier ihm schmecke. Einen Hang im Sinne des Gesetzes sieht auch Richter Christiani bei dem Angeklagten nicht, den Sachverständigen habe die Menge sogar kaltgelassen.
Nach den eigenen Schilderungen hatte es der 45-Jährige oft nicht leicht im Leben. In der Schulzeit gemobbt, isoliert, starkes Übergewicht. Mit Anfang 40 habe er zum ersten Mal eine Freundin gefunden. Drei Jahre seien sie zusammen gewesen. Dann war Schluss – und es kam zu dem Vorfall, den die Staatsanwaltschaft ihm nun als versuchten Mord zur Last legt. Genauere Aussagen zu dem, was in jener Nacht passiert ist, gibt es vom Angeklagten bislang nicht. Er will sich erst in der nächsten Verhandlung äußern, womöglich über einen der beiden Rechtsanwälte, die ihn vertreten.
Zur mutmaßlichen Tat selbst gibt es bislang ebenfalls keine neuen Erkenntnisse. In der Verhandlung am Dienstag sagten lediglich die Polizeibeamten und -beamtinnen aus, die zum Tatort gerufen wurden. Sie schildern eine aufgebrachte Stimmung bei den Zeuginnen und dem angegriffenen Mann. Der Angeklagte selbst habe sich ruhig und kooperativ verhalten. Er sei nach der Tat geflohen, habe sich allerdings sofort auf den Boden gelegt, als die Beamten ihn wenige Hundert Meter weiter einholten.
Die Aussage einer Polizistin lässt aufhorchen: Vor Ort habe die Version des Geschädigten plausibel geklungen. Aber: „Im Nachhinein sehe ich die Geschichte mit anderen Augen.“Ihr Gefühl sage ihr, der Mann habe übertrieben, als er schilderte, wie der Angeklagte auf ihn losgegangen sein soll. Ein anderer Beamter sagte aus, der Angeklagte habe sich auf dem Weg zum Blutalkoholtest im Krankenhaus Vorwürfe gemacht: Er habe den anderen Mann umbringen wollen, er bereue das alles – und jetzt sei sein Leben vorbei. In knapp einer Woche wird die Verhandlung fortgesetzt.