Gundelfingerin Sarah Straub hat ein Kochbuch für Demenzkranke geschrieben
Gesunde Ernährung ist für jeden wichtig, doch besonders für Demenzkranke. Deshalb hat die Psychologin, Musikerin und Autorin nun das Buch „Wohlfühlküche bei Demenz“veröffentlicht.
Die Gundelfingerin Sarah Straub ist Psychologin und Musikerin. Ihr Spezialgebiet: Demenz. Angetrieben hat sie dazu, ihre Oma, bei der sie in Ellerbach aufwuchs, und die an Demenz erkrankte. Schnell schreitet die Krankheit fort und ihre Großmutter verlor einen Großteil ihres Gedächtnisses und ihrer Fähigkeiten. Eine überfordernde Situation für Straub, die damals 21 Jahre alt war. Die Enkelin pflegte ihre Großmutter, begann ihr Psychologiestudium und promovierte zum Thema Demenz.
Heute sagt die Psychologin, deren Oma mittlerweile gestorben ist: „Es ist wichtig, die Demenzerkrankten in der Mitte zu halten.“Die 36-Jährige arbeitet in der Demenzforschung am Universitätsklinikum Ulm, hat dort eine Sprechstunde für Angehörige und berät ehrenamtlich online. Als Musikerin und Autorin ermutigt die lebenslustige Frau mit knallroten Haaren bei Konzertlesungen die Angehörigen von Demenzerkrankten. Im Corona-Lockdown hat sie ihr erstes Buch geschrieben „Wie meine Großmutter ihr ICH verlor“. Nun folgt „Wohlfühlküche bei Demenz“. Zusammen mit dem Koch Wolfgang Link hat sie Rezepten und Wissen für Betroffene und Angehörige zusammengestellt.
Die Psychologin möchte Demenzpatienten „Wohlfühlmomente am Esstisch“mit der Familie ermöglichen. Sie sagt: „Zusammen mit den Eltern und Geschwistern zu essen, das findet jeder schon. Das möchte ich den Patientinnen und Patienten auch ermöglichen.“Ernährung sei ein großes Thema für die Gesundheit und besonders bei der Demenz. Für die Betroffenen verändere sich durch die Erkrankung viel.
Über 1,6 Millionen Menschen in Deutschland sind von Demenz betroffen, Tendenz steigend. Jeder zweite Deutsche hat statistisch gesehen in seinem Leben mit der Krankheit zu tun, entweder als Patient oder als Angehöriger. Viele Pflegebedürftige werden zu Hause von ihren Angehörigen versorgt.
Und das wird noch weiter zunehmen, wie Straub erklärt: „In 20 bis 30 Jahren werden so viele Pflegekräfte fehlen, was Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler schon lange wissen. Die Politik hat das noch nicht zum Thema gemacht.“Ihre und jüngere Generationen müssten ihre Eltern zu Haus zu pflegen. Dazu müsse man wissen, was Demenz sei und wie man die Lebensqualität der Erkrankten erhalten könne.
Das gemeinsame Essen ist für Straub die einfachste Möglichkeit, um Menschen mit Demenz weiterhin am Familienleben teilhaben zu lassen. „Viele Menschen leiden unter ihren Defiziten, dass sie nichts mehr erkennen oder bei Gesprächen nicht mitkommen.“
Viele Rezepte im Kochbuch sind aus der mediterranen Küche.
Denn: „Diese enthält viel frisches Gemüse, Salat, Olivenöl und Fisch.“Es sei wissenschaftlich nachgewiesen, dass das für die Hirnnervenzellen das Optimale sei. Gesunde Ernährung wirke präventiv und verlangsame während der Demenz auch den Abbauprozess. Weglassen sollte man hingegen industriell verarbeitete Lebensmittel wie Pizza oder Pommes.
Viele der Erkrankten entwickeln im Verlauf der Krankheit Schluckstörungen. Dadurch essen und trinken Personen weniger, aber es können sich auch schwere Lungenentzündungen entwickeln, wenn Speiseteile in die Lunge gelangen. „Früher hat man einfach alles püriert, wodurch die Erkrankten noch weniger Lust auf Essen bekommen haben“, erklärt
die Gundelfingerin. Die Mahlzeiten sollten trotzdem ansprechend aussehen. Was wiederum Demenzerkrankte gerne essen, ist Süßes. Viele würden Straub zufolge gerne morgens, mittags und abends Kuchen verzehren.
Bedingt sei das dadurch, dass sich im Alter das Geschmacksempfinden ändere. Ebenfalls verbinde man mit einigen Süßspeisen wiederum schöne Erinnerungen. „Das Wohlbefinden und die Lust am Essen sind genauso wichtig wie die Ausgewogenheit der Ernährung“, sagt die Psychologin. Dazu kommt, dass Menschen mit Demenz immer mehr ihre Körperwahrnehmung verlieren, was Angst bereite. Daraus resultiere ein starker Bewegungsdrang, um sich zu spüren, sodass Erkrankte auch nicht mehr still am Tisch sitzen
und essen können. Mit Rezepten für Fingerfood mit vielen Nährstoffen könne man das Straub zufolge ändern.
Eine besondere Kraft hat auch der Geschmack der Vergangenheit. „Jeder hat Lieblingsgerichte, die er aus der Kindheit kennt. Für mich ist das der Kaiserschmarrn meiner Oma“, sagt Straub. Geschmack und Geruch können Erinnerungen hervorrufen, selbst wenn die Demenz schon fortgeschritten sei. Durch solches Essen könnten sich die Erkrankten an ihr früheres Leben erinnern, aber auch an sich selbst.