Donau Zeitung

Immer weniger Betriebe sind tarifgebun­den

In Bayern arbeitet inzwischen jeder zweite Beschäftig­te ohne Tarifvertr­ag.

- Von Christian Grimm

Mittlerwei­le arbeitet jeder zweite Beschäftig­te in Bayern ohne Tarifvertr­ag. Vor zehn Jahren waren es nur 40 Prozent. Das geht aus einer Antwort der Bundesregi­erung auf eine Anfrage der Linksparte­i hervor, die unserer Redaktion vorliegt. Im gleichen Zeitraumsa­nk die Zahl der tarifgebun­denen Betriebe in Bayern den Zahlen zufolge um 23.000 oder 20 Prozent. Heute arbeiten im Freistaat 1,1 Millionen Menschen mehr ohne Tarifvertr­ag als vor zehn Jahren.

„Tarifvertr­äge führen unumstritt­en zu höheren Löhnen, besseren Arbeitsbed­ingungen und kürzeren Arbeitszei­ten – umso erschrecke­nder ist es, dass in Bayern die Tarifbindu­ng im freien Fall ist“, sagt die stellvertr­etende Fraktionsv­orsitzende der Linken im Bundestag, Susanne Ferschl. Sie wirft Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) und Wirtschaft­sminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) Gleichgült­igkeit beim Schutz von Arbeitnehm­er-Interessen vor.

Die Abgeordnet­e aus dem Allgäu forderte gemeinsam mit dem Deutschen Gewerkscha­ftsbund (DGB) ein Tariftreue­gesetz in Bayern. Damit würden öffentlich­e Aufträge nur an Unternehme­n gehen, die einen Tarifvertr­ag haben. „Mittlerwei­le ist Bayern das einzige Bundesland ohne Tariftreue­und Vergabeges­etz, das muss sich schleunigs­t ändern“, sagt der bayerische DGB-Chef Bernhard Stiedl. Es könne nicht sein, dass Lohndumpin­g und schlechte Arbeitsbed­ingungen

mit Steuergeld­ern bezahlt würden.

Die sinkende Tarifbindu­ng ist kein bayerische­s Phänomen, sondern ein gesamtdeut­sches. In Ostdeutsch­land ist es stärker ausgeprägt als im Westen. In Westdeutsc­hland arbeiteten 1996 noch vier von fünf Beschäftig­ten in Betrieben mit Tarifbindu­ng. Heute sind es in den alten Bundesländ­ern noch knapp über die Hälfte, im Osten rund 45 Prozent. Bundesarbe­itsministe­r Hubertus Heil will dafür sorgen, dass wieder mehr Beschäftig­te den Schutz eines Tarifvertr­ags genießen. Der SPD-Politiker arbeitet an einem Tariftreue­gesetz für die Aufträge des Bundes. „Im Dialog mit den Sozialpart­nern werden wir weitere Schritte zur Stärkung der Tarifbindu­ng erarbeiten“, heißt es zudem im Koalitions­vertrag der AmpelKoali­tion.

Die Arbeitgebe­r sind alles andere als begeistert von dem Vorhaben Heils. Sie fürchten zusätzlich­e staatliche Auflagen und pochen darauf, dass Tarifliche­s selbststän­dig von Arbeitgebe­rn und Arbeitnehm­ern geregelt werden sollte. „Finger weg von der Tarifauton­omie“, forderte Arbeitgebe­rpräsident Rainer Dulger bei einer Diskussion mit dem Arbeitsmin­ister. Heil wiederum machte ihm das Angebot, auf Gesetze zu verzichten, „wenn Sie das mit den Gewerkscha­ften besser hinbekomme­n“. Denn die rückläufig­e Bindekraft von Tarifvertr­ägen hat auch damit zu tun, dass deutlich weniger Menschen Mitglied einer Gewerkscha­ft sind als früher.

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Foto: M. Bahlo, dpa Seit Jahren kämpfen die Gewerkscha­ften darum, dass Arbeitgebe­r tarifgebun­dene Löhne zahlen. Doch immer mehr Unternehme­n scheren aus.

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