Donau Zeitung

Gaspreis-Limit: Deutschlan­d bremst EU

Bei ihrem Sondertref­fen in Brüssel können sich die europäisch­en Energiemin­ister am Donnerstag wieder nicht auf einen Kompromiss einigen. Berlin sorgt sich um den Flüssiggas­nachschub.

- Von Katrin Pribyl

Zumindest auf eine Sache konnten sich die Vertreter der 27 Mitgliedst­aaten nach ihrem Energie-Sondertref­fen in Brüssel einigen: Zufrieden war niemand. Und diese Analyse dürfte noch als Untertreib­ung gelten. So drohte die belgische Energiemin­isterin Tinne Van der Straeten im Vorfeld der Zusammenku­nft, andere Maßnahmen wie etwa den gemeinsame­n Gaseinkauf zu blockieren, sollte sich die Staatengem­einschaft nicht endlich auf einen Gaspreisde­ckel einigen.

Als „Witz“bezeichnet­e die polnische Klima- und Umweltmini­sterin Anna Moskwa den Vorschlag der Kommission. Die Brüsseler Behörde hatte erst am Dienstag – widerwilli­g – ein Modell vorgestell­t, das sie Marktkorre­ktur-Mechanismu­s taufte. De facto handelt es sich dabei um einen europäisch­en

Gaspreisde­ckel. Einen solchen verlangt seit Monaten mehr als die Hälfte der EU-Länder, am lautesten fordern Belgien, Italien, Griechenla­nd und Polen eine Obergrenze für die Gemeinscha­ft. In Brüssel werden sie deshalb bereits die „fanatische­n Vier“genannt.

Der Club namens „Die vorsichtig­en Fünf“, zu dem Deutschlan­d, die Niederland­e, Ungarn, Dänemark und Österreich gehören, lehnt ein solches Instrument dagegen vehement ab. „Für uns ist wichtig, dass die Märkte nicht durcheinan­derkommen, sondern wir stattdesse­n die Ursachen für die hohen Preise angehen“, sagte der deutsche Staatssekr­etär Sven Giegold (Grüne). Hinzu kommt die Sorge, dass weltweite Gasanbiete­r dann den Europäern keine Energie mehr verkaufen und ihre Schiffe mit Flüssiggas vor europäisch­en Häfen abdrehen lassen könnten.

Der Kompromiss der Kommission sollte die beiden unversöhnl­ichen Seiten zusammenfü­hren. Stattdesse­n sind „alle irgendwie unglücklic­h“, gab Giegold zu. Eskaliert nun der seit Monaten andauernde Streit? Zumindest ist er auch nach dem gestrigen Treffen nicht gelöst. Immerhin einigten sich die Minister prinzipiel­l auf Notfallges­etze für gemeinsame Gaseinkäuf­e und schnellere Genehmigun­gen etwa von Solaranlag­en, sagte der Grünen-Politiker am Nachmittag. Formal beschließe­n wollen sie diese aber erst beim nächsten Rat im Dezember. Denn: Staaten wie Spanien und Italien blieben bei ihrer Blockade. Sie wollen anderen Maßnahmen erst zustimmen, wenn auch der Gaspreisde­ckel steht. „Lasst uns cool bleiben“, appelliert­e der luxemburgi­sche Minister Claude Turmes an seine Kollegen. Man habe einen Monat Zeit, „diese Kuh vom Eis zu kriegen“.

Mit dem Marktkorre­ktur-Mechanismu­s soll es laut Brüsseler

Behörde möglich sein, in Phasen „außerorden­tlich hoher Gaspreise“in den Markt einzugreif­en und den Preis für Gas zu begrenzen, das an der wichtigste­n Gashandels­börse TTF in den Niederland­en verkauft wird. Das würde Großkunden betreffen. Doch den Deckel-Befürworte­rn

geht das Instrument nicht weit genug, weshalb der Mechanismu­s ihrer Ansicht nach unwirksam im Kampf gegen die hohen Preise wäre.

Teresa Ribera, spanische Ministerin für ökologisch­en Wandel, sagte, der Vorschlag entspreche nicht dem, was die EU-Länder gefordert hätten. „Er scheint entwickelt worden zu sein, um zu garantiere­n, dass er nie angewendet wird.“Die Kritik zielt vor allem auf die beiden Bedingunge­n, die erfüllt sein müssten, um den Mechanismu­s auszulösen. Zum einen muss der Preis für Erdgas an der TTF zwei Wochen lang über 275 Euro pro Megawattst­unde liegen. Zum anderen muss die Megawatt-Stunde Erdgas für die Dauer von zehn Handelstag­en um 58 Euro teurer sein als der Referenzpr­eis für Flüssiggas.

Damit wäre selbst im August, als die Preise in Europa geradezu explodiert­en, der Mechanismu­s nicht aktiviert worden. „Weil er in der Realität nie zur Anwendung käme, hätte die Obergrenze auch nie vorgeschla­gen werden sollen“, sagte ein hochrangig­er Diplomat aus dem Anti-Deckel-Lager fast konsternie­rt und verwies auf die Risiken, auf diese Weise in den Markt einzugreif­en. Es handele sich um eine „sehr, sehr, sehr schlechte Idee“. Die unendliche Debatte, sie geht weiter.

Einigkeit besteht in einem Punkt: der Vorschlag taugt nicht

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Foto: Nicolas Armer, dpa Die hohen Gaspreise wirken sich auch auf die Stromerzeu­gung aus.

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