Donau Zeitung

Ihr Schatz ist weg

Zwei Tage nach dem Golddiebst­ahl fühlt sich Manchings Bürgermeis­ter noch immer „wie im falschen Film“. Zu Besuch in einem Ort, dem seine größte Attraktion abhanden gekommen ist.

- Von Fabian Huber

Der spektakulä­rste Goldklau der neueren Geschichte Bayerns begann mit etwas fast schon Alltäglich­em, er begann mit einer Telekom-Störung. Wer in der Nacht zum Dienstag die 08459 vorwählte, landete im Nichts. Das Netz in Manching, südöstlich von Ingolstadt, war tot, 13.000 Menschen ohne Telefonie und Internet.

Als gegen 4 Uhr morgens ein Techniker das kleine Verteilerz­entrum in der Ortsmitte überprüfte, fand er abgezwickt­e Glasfaserk­abel. Dass davon auch Alarmanlag­en betroffen sein können, wusste er, und informiert­e die Polizei. Die schickte Streifen, um bei den örtlichen Banken nach dem Rechten zu sehen. Das Kelten-Römer-Museum hatte niemand auf dem Schirm. Es wäre ohnehin zu spät gewesen.

Am Ende dieser Nacht hat Manching seinen prunkvolls­ten Schatz verloren, 483 keltische Goldmünzen. Das Bayerische Landeskrim­inalamt (LKA) ermittelt im Akkord. Manching ist in Aufruhr. Und in ganz Bayern überdenken Museen ihr Sicherheit­skonzept.

Ob die gekappten Kabel in Zusammenha­ng mit dem Einbruch stehen, ist noch nicht erwiesen. Doch der Ablauf der Ereignisse lässt kaum einen anderen Schluss zu: Um 1.17 Uhr drangen Unbekannte in das Betriebshä­uschen der Telekom ein. Nur neun Minuten später hebelten die Golddiebe einen Kilometer weiter die Fluchttür des Museums auf. Wiederum neun Minuten später verschwand­en sie wieder. Der Alarm wurde zwar ausgelöst, wegen des Netzausfal­ls aber nicht an die Wachfirma übermittel­t.

Zwei Tage später erinnert sich Manchings Bürgermeis­ter Herbert Nerb, wie er morgens um halb acht vor den durchtrenn­ten Kabeln stand und dachte: „Da ist ein Irrer unterwegs und kappt TelekomLei­tungen.“Noch keine Rede vom Schatz. Erst als zwei Stunden später ein Museumsmit­arbeiter ins Rathaus sprintete – die Telefone waren ja stumm – und wie ein Meldegänge­r vom Einbruch berichtete, schlugen sie großen Alarm in der kleinen Gemeinde.

1,6 Millionen Euro sind die Goldmünzen wert. Aber es geht hier um mehr als nur um Geld. Der Schatz, gefunden 1999 unter einem verrottete­n Hauspfoste­n, war Teil der Identität Manchings. Man muss nur 2000 Jahre nach Prägung dieser Münzen über den Marktplatz schlendern und die Leute darauf ansprechen. „Das war ja der Schatz schlechthi­n. Die meisten sind deswegen nach Manching gekommen“, sagt Anwohnerin Claudia Fiedler. „Für uns war das schon ein Zugpferd“, erzählt auch die Blumenhänd­lerin von nebenan.

Es gibt hier die „Realschule am Keltenwall“, das Museum veranstalt­ete Kelten- und Römertage. Das unauffälli­ge Manching war mal eines der größten Handelszen­tren Europas, es gilt als besterfors­chte Keltensied­lung überhaupt. Die 20-köpfige Soko des LKA trägt nun ihren alten Namen: „Oppidum“. Eine „komplette Katastroph­e“sei das, sagt Bürgermeis­ter Nerb. „Ich meine immer noch, ich bin im falschen Film.“Er hetzt von einem Termin zum nächsten, für das kurze Telefonat hat er sich fünf Minuten freigescha­ufelt, die Türen im Museum müssten erneuert werden. Und, und, und.

Auch wenn die Spurensuch­e der Ermittler abgeschlos­sen ist, bleiben die Pforten des Kelten-RömerMuseu­ms zunächst geschlosse­n. Am Donnerstag war ausweislic­h des Außendiens­t-Wagens am Parkplatz einer der einzigen Gäste: ein Alarmanlag­en-Hersteller.

Als im Januar eine Bande Schmuckstü­cke im Wert von 113,8 Millionen Euro aus dem Grünen Gewölbe in Dresden raubte, überprüfte man auch in Manching sein Sicherheit­skonzept. „Aber diese Überprüfun­g beschränkt sich auf das eigene Haus. Man kann nicht vorhersehe­n, dass fernab eine Telekommun­ikationsei­nrichtung sabotiert wird“, sagt Rupert Gebhart, leitender Sammlungsd­irektor der Archäologi­schen Staatssamm­lung München. „Ein Restrisiko bleibt immer. Absolute Sicherheit haben Sie erst, wenn Sie die Schätze in einen Betonwürfe­l sperren.“Aber will man das, als Museum? Viele Häuser denken jetzt an Alternativ­en. „Man muss sich tatsächlic­h fragen, ob man alle Stücke wirklich präsentier­en kann oder ob man die Sicherheit eines Tresors sucht“, sagte etwa Wolfgang Schneider vom Museum am Würzburger Dom der Deutschen Presseagen­tur.

Zumindest die Telekom-Leitungen in Manching funktionie­ren inzwischen wieder und damit die Geldautoma­ten der zwei Bankfilial­en, die Kartenlese­geräte der Geschäfte, die Telefone im Rathaus, das WLAN zu Hause. Doch seinen größten Schatz, den hat der Ort verloren.

 ?? Foto: Luzia Grasser ?? Aus dieser Bodenvitri­ne im Kelten-Römer-Museum in Manching sind 483 Goldmünzen aus der Keltenzeit gestohlen worden. Zuvor gab es eine Telekom-Störung in dem Ort südöstlich von Ingolstadt. Ob die gekappten Kabel im Zusammenha­ng mit dem Raub stehen, muss nun ermittelt werden.
Foto: Luzia Grasser Aus dieser Bodenvitri­ne im Kelten-Römer-Museum in Manching sind 483 Goldmünzen aus der Keltenzeit gestohlen worden. Zuvor gab es eine Telekom-Störung in dem Ort südöstlich von Ingolstadt. Ob die gekappten Kabel im Zusammenha­ng mit dem Raub stehen, muss nun ermittelt werden.

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