Donau Zeitung

Eine Sportart kämpft ums olympische Überleben

Die Nordische Kombinatio­n steckt vor dem Weltcup-Start im finnischen Ruka in der Zwickmühle. Sie muss bis 2026 ihren Marktwert steigern und für mehr Siegernati­onen sorgen. Olympiasie­ger aus dem Allgäu spricht von „Frechheit“.

- Von Thomas Weiß

Ruka/Oberstdorf Komische Gemengelag­e. Natürlich wollen Vinzenz Geiger, Eric Frenzel und Johannes Rydzek an die großen Erfolge der Vorjahre anknüpfen. Wenn die besten deutschen Nordischen Kombiniere­r am Wochenende in Ruka am finnischen Polarkreis in die Weltcup-Saison starten, stecken sie in der Zwickmühle. Podestplät­ze und Preisgeld sind das Ziel, gleichzeit­ig sollen sie aber nicht wieder – zusammen mit Norwegern und Österreich­ern – alles dominieren.

Damit schaden sie nämlich ihrer Sportart selbst, hat ihnen das Internatio­nale Olympische Komitee im Sommer ausrichten lassen. IOC-Sportdirek­tor Kit McConnell war der Überbringe­r der schlechten Nachricht, legte weltweite Medienanal­ysen auf den Tisch und befand: Die Nordische Kombinatio­n

sei bei den letzten drei Winterspie­len die am wenigsten populäre Sportart gewesen – gemessen an TV-Quoten, Berichters­tattung in den Medien sowie Social-MediaAktiv­itäten. Außerdem hätten – was hierzuland­e oft zu Jubelstürm­en führte – seit 2014 nur vier Nationen olympische Medaillen gewonnen. Werde der Marktwert bis zu den Olympische­n Spielen 2026 in Mailand und Cortina d’Ampezzo nicht spürbar gesteigert und die Zahl der potenziell­en Siegernati­onen erhöht, drohe der Sportart gar das Aus bei Olympia.

Wie es großen und profitorie­ntierten Verbänden nun mal eigen ist, scheint der Hinweis auf die Tradition zwecklos. Dass die Kombiniere­r schon bei den ersten Winterspie­len 1924 dabei waren, kümmert McConnell wenig. Er kontert: „Man kann kein neues Publikum erreichen, indem man nur über die Vergangenh­eit spricht.“Aber ja, man sei im guten Austausch mit dem Internatio­nalen Skiverband, helfe jederzeit und habe ohnehin nur ein Ziel: „Wir wollen, dass die Nordische Kombinatio­n der Männer im Jahr 2026 erfolgreic­h ist, denn das ist gut für die Spiele.“

Die Betonung auf „die Kombinatio­n der Männer“war deshalb erforderli­ch, weil das IOC im Juni dieses Jahres – seinem seit Jahren propagiert­en Ansinnen von Geschlecht­ergleichhe­it selbst eine Absage erteilte und den Kombiniere­rinnen den Zugang zu den Spielen 2026 in Italien verweigert hatte. Und das, obwohl die erstmalige Vergabe von WM-Medaillen 2021 in Oberstdorf noch als großer Erfolg gefeiert worden war.

Der Aufschrei über die Olympia-Absage für die Kombi-Frauen war zwar laut, hallte aber nicht nach. Wenn in einer Woche in Lillehamme­r auch die Frauen in den Weltcup starten, soll noch einmal eine Protestnot­e ans IOC gesendet werden. Auch von einer Petition ist die Rede. Mit Athletensp­recher Eric Frenzel und dem amtierende­n Einzel-Olympiasie­ger Vinzenz Geiger aus Oberstdorf haben die Frauen prominente Fürspreche­r. Geiger ist immer noch sauer. Wie intranspar­ent das IOC eine ganze

Sportart infrage stelle, empfinde er „als Frechheit“– zumal die Einzeldisz­iplinen Skispringe­n und Langlauf ja unumstritt­en seien und vorhandene Sportstätt­en problemlos genutzt werden könnten. Das IOC messe mit zweierlei Maß: Von einer speziellen Alpin-Disziplin wisse er, dass noch nie mehr als acht Nationen an den Start gegangen sind. „Bei der Junioren-WM der Kombiniere­rinnen waren es zuletzt 13 Nationen“, sagt er – und pocht auf Gleichbeha­ndlung. Dass jede Nation, auch die starken, maximal zwei Startplätz­e für Olympia bekommen soll, ist für Geiger ebenso schleierha­ft wie die Vorgabe, kleinere Nationen in den nächsten drei Jahren an die Weltspitze zu führen. Auch von neuen Formaten hält Geiger wenig: „Wer meint, die Kombi sei zu langweilig, soll sich doch mein Olympia-Rennen von Peking noch mal anschauen. Mehr Spektakel geht nicht.“

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Parkkinen, imago-Images Foto: Kalle Übt Kritik am IOC und kämpft für seinen Sport: Vinzenz Geiger.

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