Eine Sportart kämpft ums olympische Überleben
Die Nordische Kombination steckt vor dem Weltcup-Start im finnischen Ruka in der Zwickmühle. Sie muss bis 2026 ihren Marktwert steigern und für mehr Siegernationen sorgen. Olympiasieger aus dem Allgäu spricht von „Frechheit“.
Ruka/Oberstdorf Komische Gemengelage. Natürlich wollen Vinzenz Geiger, Eric Frenzel und Johannes Rydzek an die großen Erfolge der Vorjahre anknüpfen. Wenn die besten deutschen Nordischen Kombinierer am Wochenende in Ruka am finnischen Polarkreis in die Weltcup-Saison starten, stecken sie in der Zwickmühle. Podestplätze und Preisgeld sind das Ziel, gleichzeitig sollen sie aber nicht wieder – zusammen mit Norwegern und Österreichern – alles dominieren.
Damit schaden sie nämlich ihrer Sportart selbst, hat ihnen das Internationale Olympische Komitee im Sommer ausrichten lassen. IOC-Sportdirektor Kit McConnell war der Überbringer der schlechten Nachricht, legte weltweite Medienanalysen auf den Tisch und befand: Die Nordische Kombination
sei bei den letzten drei Winterspielen die am wenigsten populäre Sportart gewesen – gemessen an TV-Quoten, Berichterstattung in den Medien sowie Social-MediaAktivitäten. Außerdem hätten – was hierzulande oft zu Jubelstürmen führte – seit 2014 nur vier Nationen olympische Medaillen gewonnen. Werde der Marktwert bis zu den Olympischen Spielen 2026 in Mailand und Cortina d’Ampezzo nicht spürbar gesteigert und die Zahl der potenziellen Siegernationen erhöht, drohe der Sportart gar das Aus bei Olympia.
Wie es großen und profitorientierten Verbänden nun mal eigen ist, scheint der Hinweis auf die Tradition zwecklos. Dass die Kombinierer schon bei den ersten Winterspielen 1924 dabei waren, kümmert McConnell wenig. Er kontert: „Man kann kein neues Publikum erreichen, indem man nur über die Vergangenheit spricht.“Aber ja, man sei im guten Austausch mit dem Internationalen Skiverband, helfe jederzeit und habe ohnehin nur ein Ziel: „Wir wollen, dass die Nordische Kombination der Männer im Jahr 2026 erfolgreich ist, denn das ist gut für die Spiele.“
Die Betonung auf „die Kombination der Männer“war deshalb erforderlich, weil das IOC im Juni dieses Jahres – seinem seit Jahren propagierten Ansinnen von Geschlechtergleichheit selbst eine Absage erteilte und den Kombiniererinnen den Zugang zu den Spielen 2026 in Italien verweigert hatte. Und das, obwohl die erstmalige Vergabe von WM-Medaillen 2021 in Oberstdorf noch als großer Erfolg gefeiert worden war.
Der Aufschrei über die Olympia-Absage für die Kombi-Frauen war zwar laut, hallte aber nicht nach. Wenn in einer Woche in Lillehammer auch die Frauen in den Weltcup starten, soll noch einmal eine Protestnote ans IOC gesendet werden. Auch von einer Petition ist die Rede. Mit Athletensprecher Eric Frenzel und dem amtierenden Einzel-Olympiasieger Vinzenz Geiger aus Oberstdorf haben die Frauen prominente Fürsprecher. Geiger ist immer noch sauer. Wie intransparent das IOC eine ganze
Sportart infrage stelle, empfinde er „als Frechheit“– zumal die Einzeldisziplinen Skispringen und Langlauf ja unumstritten seien und vorhandene Sportstätten problemlos genutzt werden könnten. Das IOC messe mit zweierlei Maß: Von einer speziellen Alpin-Disziplin wisse er, dass noch nie mehr als acht Nationen an den Start gegangen sind. „Bei der Junioren-WM der Kombiniererinnen waren es zuletzt 13 Nationen“, sagt er – und pocht auf Gleichbehandlung. Dass jede Nation, auch die starken, maximal zwei Startplätze für Olympia bekommen soll, ist für Geiger ebenso schleierhaft wie die Vorgabe, kleinere Nationen in den nächsten drei Jahren an die Weltspitze zu führen. Auch von neuen Formaten hält Geiger wenig: „Wer meint, die Kombi sei zu langweilig, soll sich doch mein Olympia-Rennen von Peking noch mal anschauen. Mehr Spektakel geht nicht.“