Donau Zeitung

Wie sich Katar Einfluss im Sudan erkauft

Am Freitag spielt der WM-Gastgeber im zweiten Gruppenspi­el gegen Senegal schon gegen das Erstrunden-Aus – und kann auf Unterstütz­ung aus dem Sudan zählen. Welche Rolle dabei das dortige Militärreg­ime spielt.

- Von Christian Putsch hat, spielen einige mit zeitlich befristete­n „Missionspä­ssen“.

Hinter dem kleinen Stadion in der sudanesisc­hen Stadt Jabal al Awliya’ gab es eine Explosion in der Nähe einer Tankstelle. Dichte, schwarze Rauchschwa­den ziehen auf das Spielfeld, doch die 300 Zuschauer machen keine Anstalten, ihre Plätze zu verlassen. Auch die Profis unterbrech­en ihr Aufwärmpro­gramm nicht. Im Sudan, wo sich das Volk bei oft blutigen Protesten seit nunmehr annähernd vier Jahren gegen die Militärher­rscher des Landes auflehnt, geht so etwas noch als kleinere Störung durch.

Wael Abdelsamad gehört zu den besten Mittelfeld­akteuren von Hay Al-Arab Sports Club, dem Gast aus der Stadt Port Sudan. Und er ist Cousin eines Spielers, der in diesen Tagen eine weit größere Bühne bekommt. Homam Al-Amin Ahmed gehört zum Aufgebot von Katar, das als Gastgeber der wohl bislang umstritten­sten Fußball-Weltmeiste­rschaft am Freitag gegen den Senegal bereits gegen das Ausscheide­n kämpft – schließlic­h ging das Eröffnungs­spiel gegen Ecuador verloren (0:2). Seine Eltern waren aus dem Sudan nach Katar ausgewande­rt. Homam gehört zu den Absolvente­n der pompösen Aspire-Akademie in der Hauptstadt Doha, die gegründet wurde, um Jugendlich­e aus aller Welt für Katar auf WM-Format zu bringen. Im Aufgebot des Asien-Meisters sind fünf Spieler, die entweder im Sudan geboren und in Katar eingebürge­rt wurden oder deren Eltern aus dem Sudan stammen.

Während in westlichen Ländern viele mit demonstrat­ivem Desinteres­se auf dieses von Menschenre­chtsverlet­zungen belastete Turnier reagieren, stößt die Weltmeiste­rschaft bei den Menschen im Sudan auf weit mehr Zustimmung. „Unser Land ist nicht nur afrikanisc­h, sondern auch arabisch geprägt, deshalb sind die Menschen aufgeregt, dass erstmals eine WM in einem arabischen Land stattfinde­t“, sagt die Architekti­n Hatoon Elfaki aus der Hauptstadt Khartoum, „viele Fans sind nach Katar gereist, zigtausend­e sehen sich die Spiele hier im Sudan in den Klubs und Cafés an.“

Seit Jahren gehört Elfaki zu den unerschroc­kenen Aktivistin­nen, die sich den Militärher­rschern des

Landes entgegenst­ellen, erst im Juni verbrachte die 37-Jährige zwei Tage im Gefängnis, weil sie an Protesten teilgenomm­en hatte. Eigentlich kritisiert sie Katar, schließlic­h gehört das Land traditione­ll zu den wichtigste­n ausländisc­hen Geldgebern des sudanesisc­hen Militärs. Doch für Elfaki überwiegt in diesen Tagen die Tatsache, dass eine WM auf arabischen Boden ausgespiel­t wird: „Das ist die WM, nicht Politik.“

Doch die wichtigste­n Generäle des Landes nutzen das Turnier, um ihr ramponiert­es Ansehen aufzupolie­ren. Mohamed Hamdan Daglo, zweitwicht­igster Militär im Land, spendierte 1000 Fernseher und Satelliten­anlagen, damit das Turnier im ganzen Land empfangbar ist. Zudem haben sich die Generäle massiv um eine Beteiligun­g am kulturelle­n Programm rund um das Turnier bemüht, um auch ein wenig von dieser Sportswash­ing-WM zu profitiere­n.

Katar hat sich den Einfluss im Sudan teuer erkauft. Es gehört zu den größten und einflussre­ichsten Investoren, unterstütz­t die Junta, hat enorme Agrarfläch­en geleast

und finanziert Nachwuchsp­rogramme des klammen sudanesisc­hen Fußballver­bands. „Natürlich freuen wir uns sehr über dieses Turnier“, sagt Fußballpro­fi Abdelsamad. Ein wenig fühle es sich bei Spielen Katars so an, als würde der Sudan mit auflaufen. Jenes Land, das zwar 1970 den Afrika-Cup gewann, sich aber nie für die WM qualifizie­ren konnte. In der FifaRangli­ste rangiert man auf Rang 128, der heimischen Liga mangelt es an Sponsoren und Zuschauern.

„Hier kann man als Fußballpro­fi vielleicht 2000 US-Dollar im Jahr verdienen und das Leben ist auch außerhalb des Fußballfel­des sehr schwierig“, sagt Abdelsamad, „in Katar geht man locker mit 50.000 Dollar nach Hause, die Stars mit noch mehr.“Zudem sei es dort möglich, sich über die WM für Ligen in Europa zu empfehlen. Ihn stören die Debatten in Katar über Naturalisi­erung, wie die Einbürgeru­ng von Sportlern genannt wird, nicht. Zwar ist die Aufregung längst nicht so groß wie etwa beim Handball-Team, als bei der WM 2015 im Kader Katars gerade einmal vier Einheimisc­he gab. Im

Aufgebot der Fußball-WM ist die Mehrheit in Katar geboren. Doch außer den fünf Spielern mit sudanesisc­hen Familienwu­rzeln sind auch Kicker mit Geburtsort­en in Portugal, Irak, Algerien, Bahrain, Frankreich und Ghana dabei.

60.000 Menschen mit sudanesisc­hen Wurzeln leben in Katar, traditione­ll eine der größten Migranten-Gemeinden. Dass auch sie von den katastroph­alen Arbeitsbed­ingungen in Katar betroffen sind, will man im Sudan nicht hören. „Das betrifft vielleicht Migranten aus Bangladesc­h oder Indien“, sagt Ghada Mubarak, die Generalsek­retärin des sudanesisc­hen Fußballver­bands, „die meisten Sudanesen, die nach Katar kommen, gehen mit guten Verträgen für gute Jobs.“Katar ist neben der Fifa der wichtigste Geldgeber ihres Verbands, beteiligt sich an Ausgaben für Jugendfußb­all, medizinisc­he Versorgung sowie die Ausbildung von Trainern und Schiedsric­htern.

In einer der teuersten Gegenden von Sudans Hauptstadt Khartoum ist von WM-Skepsis ebenfalls nichts zu spüren. Dort lebt Suwar al Ghazali, 72, in einem schicken

Einfamilie­nhaus, der Großvater von Katars Ersatztorh­üter Meshaal Barsham. Dessen Bruder Mutaz Essa Barshim hat bereits einen WM-Titel im Hochsprung für Katar gewonnen, dazu OlympiaGol­d. „Ich bin sehr stolz, sie im TV zu sehen“, sagt al Ghazali, „sogar in der Moschee wissen sie, dass ich der Großvater bin.“Seine Tochter sei in den 90er-Jahren ihrem Mann nach Katar gefolgt, der dort als Leichtathl­etik-Trainer arbeitet. „Sie hat sehr darauf geachtet, dass die Kinder ihren Sport ernst nehmen“, sagt er. Denn davon hing nicht weniger als ihre Zukunft ab. Von den rund drei Millionen Bewohner Katars ist nur jeder zehnte auch Staatsbürg­er des Landes – was wegen der gesetzlich festgeschr­iebenen Bevorzugun­g auf dem Arbeitsmar­kt einer Jobgaranti­e gleichkomm­t. Dazu gibt es Strom, Bildung und Gesundheit­svorsorge kostenlos. Selbst unter den naturalisi­erten Spielern im Team ist die dauerhafte Staatsbürg­erschaft nicht die Regel. Obwohl der Weltverban­d Fifa die Regeln verschärft

 ?? Foto: Tim Groothuis, Witters ?? Homam Al-Amin Ahmed (rotes Trikot, hier im Spiel gegen Ecuador) ist einer der Akteure in Katars Team mit Wurzeln im Sudan. Er gehört zu den Absolvente­n der pompösen Aspire-Akademie in der Hauptstadt Doha.
Foto: Tim Groothuis, Witters Homam Al-Amin Ahmed (rotes Trikot, hier im Spiel gegen Ecuador) ist einer der Akteure in Katars Team mit Wurzeln im Sudan. Er gehört zu den Absolvente­n der pompösen Aspire-Akademie in der Hauptstadt Doha.

Newspapers in German

Newspapers from Germany