Stehen hier bald Flüchtlingscontainer?
Im 750-Einwohner-Dorf Bergheim sollen bald 20 Menschen in Containern leben. Wer und wie lange, das ist unklar. Die Anwohner laufen Sturm – doch auch die Ämter stehen vor einem Problem.
Heike König steht auf dem Gehweg vor ihrem Grundstück im Osten von Bergheim. Von hier oben breitet sich der einmalige Blick auf das Donautal aus, in der Ferne drehen sich Windräder, Dillingen und Lauingen erwachen langsam aus dem nebligen Morgen. Doch mit dieser Idylle könnte es bald vorbei sein. Das fürchten zumindest König und einige andere Anwohnerinnen und Anwohner. Denn in ihrer Nachbarschaft sollen Container aufgestellt werden, in denen 20 Geflohene unterkommen können – und das in einem Ort ohne Geschäfte, dafür mit schlechter Nahverkehrsanbindung. König spricht gar von „menschenunwürdigen Verhältnissen“.
Eines nennen sie und eine andere Bergheimerin, die lieber anonym bleiben möchte, vorneweg: Mit rechtem Gedankengut hätten sie nichts am Hut. Es gehe nicht darum, dass man etwas gegen Flüchtlinge habe. Sie finde lediglich: „Das ist eine nicht zu Ende gedachte Geschichte.“
Laut dem Dillinger Landratsamt sollen auf dem Hof im Bergheimer Osten 17 Wohncontainer aufgestellt werden, zehn für jeweils zwei Personen als Unterkunft, die übrigen für Küche, Sanitär
und Aufenthaltsräume. Allerdings, und das ist wichtig, liegt dem Landratsamt noch kein offizieller Bauantrag vor, eine interne Abfrage habe ergeben, dass das Vorhaben voraussichtlich genehmigungsfähig sein werde. Das teilt Amtssprecher Peter Hurler auf Anfrage mit. Der Gemeinderat von Mödingen wiederum hat über den Bauantrag am Montag beraten – und ihn nach kontroverser Debatte einstimmig abgelehnt. Grundsätzlich seien alle dafür, dass Menschen in Not geholfen werde, sagt Bürgermeister Walter Joas. Was jedoch Sorgen bereitet, ist die Anzahl. Und je nachdem, woher die Menschen kämen, brächten sie unterschiedliche Erfahrungen, Traumata und Konflikte mit. Menschen unterschiedlicher Nationalitäten verstünden sich nicht immer. Heike König wirft auch die Frage auf, wer Verantwortung übernehme, wenn es Konflikte gebe. Sie fürchte, dass das an den Nachbarn hängenbleibe.
Die Entscheidung des Gemeinderats, den Bauantrag abzulehnen, wird auf das Projekt selbst keinen Einfluss haben. Denn baurechtlich, sagt Joas, spreche nichts dagegen. Das Landratsamt als übergeordnete Behörde kann die Genehmigung dennoch erteilen. Trotzdem habe das Gremium deutlich machen wollen, dass man das Vorhaben nicht gutheiße. Der
Ärger im Ort ist schon jetzt groß, auch weil die Bewohner vorher nicht informiert wurden. Doch beim Thema Flüchtlingsunterbringung hat auch das Landratsamt keine freie Hand. Flüchtlinge werden der Behörde oft kurzfristig von der Regierung von Schwaben zugewiesen. Die Landratsämter sind dann verpflichtet, für eine Unterkunft zu sorgen. Im Frühjahr, kurz nach Beginn des Kriegs in der Ukraine, wurde deshalb die Sporthalle in Gundelfingen gesperrt. Vor dem Hintergrund der dauerhaften Raketenangriffe der russischen Armee auf ukrainische Infrastruktur geht die Bundesregierung davon aus, dass im Winter wieder mehr Menschen nach Deutschland kommen werden. Landratsamtssprecher Hurler rechnet vor: Wenn 500.000 Menschen in Deutschland Schutz suchen, wird der Landkreis Dillingen 570 aufnehmen müssen.
Nun ergibt sich das nächste Problem: Die Unterbringungsmöglichkeiten des Landkreises neigen sich dem Ende entgegen. Deshalb sei das Landratsamt gezwungen, auch Unterkünfte in den Gemeinden anzumieten, die „im Einzelfall nicht über eine optimale Anbindung an den ÖPNV beziehungsweise eine wohnortnahe Lebensmittelversorgung verfügen“. Dadurch wolle man auch verhindern, wieder Hallen sperren zu müssen. Das Amt sei pausenlos auf der Suche nach neuen Räumlichkeiten – und dabei auch angewiesen auf die Hilfe von Städten und Gemeinden. Von Bergheim zum Supermarkt in Wittislingen sind es knapp fünf Kilometer, nach Dillingen sind es neun.
Die Anwohnerinnen sagen, ihnen sei klar, dass bei der Unterbringung große Not herrsche. Dennoch machen sie sich Sorgen, wenn dort Menschen hinkommen, von denen man nicht einmal wisse, wie lange sie bleiben. Das mache auch die Integration schwerer. Viele Infos kann das Landratsamt aktuell allerdings nicht geben: Zum 1. Januar könnten dort aller Voraussicht nach Menschen unterkommen. Wie lange, das hänge davon ab, ob die Menschen zeitnah eine Wohnung fänden oder heimkehren. Man versuche außerdem, Nationalitätenkonflikte zu vermeiden. Untergebracht werden könnten nicht nur Einzelpersonen, sondern auch kleine Familien mit größeren Kindern.
Am Dienstagmorgen, keine zwölf Stunden nach der Gemeinderatssitzung, rollte in Bergheim der Bagger an. Der Hang wurde begradigt, der Boden verdichtet. Auch das ärgert Heike König. Ihr Eindruck ist, dass man auf die Sorgen der Anwohner keine Rücksicht nehme und auf „Gutsherrenart“agiere. Baurechtlich ist auch das laut Hurler in Ordnung. Der Grundstückseigentümer, der im Landkreis Günzburg bereits Container für zahlreiche Geflüchtete bereitgestellt hat, stellt wiederum klar: „Wenn die Container nicht aufgestellt werden, werden sie halt nicht aufgestellt.“Noch sei nichts endgültig entschieden. Den begradigten Boden könne er auch als Erweiterung der Hoffläche nutzen. Ihm zufolge kam das Landratsamt bereits im Frühjahr mit der Bitte auf ihn zu, Wohncontainer bereitzustellen. Damals wurde daraus nichts. Jetzt könne er die Unterkünfte bereitstellen, alles Weitere liege beim Landratsamt, das diese anmietet. Die Sorge der Bergheimerinnen und Bergheimer könne er nachvollziehen. Aber irgendwo müssten die Menschen unterkommen.
Bürgermeister und Anwohner fragen sich indes, wieso nicht das wenige Kilometer entfernte Kloster Maria Medingen als Unterkunft genutzt werde. Dort wurde schon im Frühjahr alles für eine kurzfristige Aufnahme vorbereitet. Hurler zufolge sprechen jedoch bau- und brandschutzrechtliche Vorgaben gegen eine längere Nutzung. Für einen Gebäudeteil laufen aktuell entsprechende Prüfungen. Die Anwohnerinnen wollen jetzt Unterschriften im Ort sammeln. Welche Wirkung das haben wird, bleibt abzuwarten.