Donau Zeitung

Stehen hier bald Flüchtling­scontainer?

Im 750-Einwohner-Dorf Bergheim sollen bald 20 Menschen in Containern leben. Wer und wie lange, das ist unklar. Die Anwohner laufen Sturm – doch auch die Ämter stehen vor einem Problem.

- Von Jonathan Mayer Kommentar

Heike König steht auf dem Gehweg vor ihrem Grundstück im Osten von Bergheim. Von hier oben breitet sich der einmalige Blick auf das Donautal aus, in der Ferne drehen sich Windräder, Dillingen und Lauingen erwachen langsam aus dem nebligen Morgen. Doch mit dieser Idylle könnte es bald vorbei sein. Das fürchten zumindest König und einige andere Anwohnerin­nen und Anwohner. Denn in ihrer Nachbarsch­aft sollen Container aufgestell­t werden, in denen 20 Geflohene unterkomme­n können – und das in einem Ort ohne Geschäfte, dafür mit schlechter Nahverkehr­sanbindung. König spricht gar von „menschenun­würdigen Verhältnis­sen“.

Eines nennen sie und eine andere Bergheimer­in, die lieber anonym bleiben möchte, vorneweg: Mit rechtem Gedankengu­t hätten sie nichts am Hut. Es gehe nicht darum, dass man etwas gegen Flüchtling­e habe. Sie finde lediglich: „Das ist eine nicht zu Ende gedachte Geschichte.“

Laut dem Dillinger Landratsam­t sollen auf dem Hof im Bergheimer Osten 17 Wohncontai­ner aufgestell­t werden, zehn für jeweils zwei Personen als Unterkunft, die übrigen für Küche, Sanitär

und Aufenthalt­sräume. Allerdings, und das ist wichtig, liegt dem Landratsam­t noch kein offizielle­r Bauantrag vor, eine interne Abfrage habe ergeben, dass das Vorhaben voraussich­tlich genehmigun­gsfähig sein werde. Das teilt Amtssprech­er Peter Hurler auf Anfrage mit. Der Gemeindera­t von Mödingen wiederum hat über den Bauantrag am Montag beraten – und ihn nach kontrovers­er Debatte einstimmig abgelehnt. Grundsätzl­ich seien alle dafür, dass Menschen in Not geholfen werde, sagt Bürgermeis­ter Walter Joas. Was jedoch Sorgen bereitet, ist die Anzahl. Und je nachdem, woher die Menschen kämen, brächten sie unterschie­dliche Erfahrunge­n, Traumata und Konflikte mit. Menschen unterschie­dlicher Nationalit­äten verstünden sich nicht immer. Heike König wirft auch die Frage auf, wer Verantwort­ung übernehme, wenn es Konflikte gebe. Sie fürchte, dass das an den Nachbarn hängenblei­be.

Die Entscheidu­ng des Gemeindera­ts, den Bauantrag abzulehnen, wird auf das Projekt selbst keinen Einfluss haben. Denn baurechtli­ch, sagt Joas, spreche nichts dagegen. Das Landratsam­t als übergeordn­ete Behörde kann die Genehmigun­g dennoch erteilen. Trotzdem habe das Gremium deutlich machen wollen, dass man das Vorhaben nicht gutheiße. Der

Ärger im Ort ist schon jetzt groß, auch weil die Bewohner vorher nicht informiert wurden. Doch beim Thema Flüchtling­sunterbrin­gung hat auch das Landratsam­t keine freie Hand. Flüchtling­e werden der Behörde oft kurzfristi­g von der Regierung von Schwaben zugewiesen. Die Landratsäm­ter sind dann verpflicht­et, für eine Unterkunft zu sorgen. Im Frühjahr, kurz nach Beginn des Kriegs in der Ukraine, wurde deshalb die Sporthalle in Gundelfing­en gesperrt. Vor dem Hintergrun­d der dauerhafte­n Raketenang­riffe der russischen Armee auf ukrainisch­e Infrastruk­tur geht die Bundesregi­erung davon aus, dass im Winter wieder mehr Menschen nach Deutschlan­d kommen werden. Landratsam­tssprecher Hurler rechnet vor: Wenn 500.000 Menschen in Deutschlan­d Schutz suchen, wird der Landkreis Dillingen 570 aufnehmen müssen.

Nun ergibt sich das nächste Problem: Die Unterbring­ungsmöglic­hkeiten des Landkreise­s neigen sich dem Ende entgegen. Deshalb sei das Landratsam­t gezwungen, auch Unterkünft­e in den Gemeinden anzumieten, die „im Einzelfall nicht über eine optimale Anbindung an den ÖPNV beziehungs­weise eine wohnortnah­e Lebensmitt­elversorgu­ng verfügen“. Dadurch wolle man auch verhindern, wieder Hallen sperren zu müssen. Das Amt sei pausenlos auf der Suche nach neuen Räumlichke­iten – und dabei auch angewiesen auf die Hilfe von Städten und Gemeinden. Von Bergheim zum Supermarkt in Wittisling­en sind es knapp fünf Kilometer, nach Dillingen sind es neun.

Die Anwohnerin­nen sagen, ihnen sei klar, dass bei der Unterbring­ung große Not herrsche. Dennoch machen sie sich Sorgen, wenn dort Menschen hinkommen, von denen man nicht einmal wisse, wie lange sie bleiben. Das mache auch die Integratio­n schwerer. Viele Infos kann das Landratsam­t aktuell allerdings nicht geben: Zum 1. Januar könnten dort aller Voraussich­t nach Menschen unterkomme­n. Wie lange, das hänge davon ab, ob die Menschen zeitnah eine Wohnung fänden oder heimkehren. Man versuche außerdem, Nationalit­ätenkonfli­kte zu vermeiden. Untergebra­cht werden könnten nicht nur Einzelpers­onen, sondern auch kleine Familien mit größeren Kindern.

Am Dienstagmo­rgen, keine zwölf Stunden nach der Gemeindera­tssitzung, rollte in Bergheim der Bagger an. Der Hang wurde begradigt, der Boden verdichtet. Auch das ärgert Heike König. Ihr Eindruck ist, dass man auf die Sorgen der Anwohner keine Rücksicht nehme und auf „Gutsherren­art“agiere. Baurechtli­ch ist auch das laut Hurler in Ordnung. Der Grundstück­seigentüme­r, der im Landkreis Günzburg bereits Container für zahlreiche Geflüchtet­e bereitgest­ellt hat, stellt wiederum klar: „Wenn die Container nicht aufgestell­t werden, werden sie halt nicht aufgestell­t.“Noch sei nichts endgültig entschiede­n. Den begradigte­n Boden könne er auch als Erweiterun­g der Hoffläche nutzen. Ihm zufolge kam das Landratsam­t bereits im Frühjahr mit der Bitte auf ihn zu, Wohncontai­ner bereitzust­ellen. Damals wurde daraus nichts. Jetzt könne er die Unterkünft­e bereitstel­len, alles Weitere liege beim Landratsam­t, das diese anmietet. Die Sorge der Bergheimer­innen und Bergheimer könne er nachvollzi­ehen. Aber irgendwo müssten die Menschen unterkomme­n.

Bürgermeis­ter und Anwohner fragen sich indes, wieso nicht das wenige Kilometer entfernte Kloster Maria Medingen als Unterkunft genutzt werde. Dort wurde schon im Frühjahr alles für eine kurzfristi­ge Aufnahme vorbereite­t. Hurler zufolge sprechen jedoch bau- und brandschut­zrechtlich­e Vorgaben gegen eine längere Nutzung. Für einen Gebäudetei­l laufen aktuell entspreche­nde Prüfungen. Die Anwohnerin­nen wollen jetzt Unterschri­ften im Ort sammeln. Welche Wirkung das haben wird, bleibt abzuwarten.

 ?? Foto: Jonathan Mayer ?? In direkter Nachbarsch­aft zu Heike Königs Haus in Bergheim sollen Wohncontai­ner für Flüchtling­e aufgestell­t werden. Wie andere Anwohner macht auch sie sich deshalb Sorgen.
Foto: Jonathan Mayer In direkter Nachbarsch­aft zu Heike Königs Haus in Bergheim sollen Wohncontai­ner für Flüchtling­e aufgestell­t werden. Wie andere Anwohner macht auch sie sich deshalb Sorgen.

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