Donau Zeitung

Oben mit (Hut) und unten ohne (Schuhe)

Seit rund drei Jahren geht Rupert Uhl aus Wortelstet­ten barfuß durchs Leben – im Sommer wie im Winter. Der 53-Jährige erzählt, wie es dazu kam und wie er sich damit fühlt.

- Von Birgit Alexandra Hassan

Eigene Wege gehen – bewusst, mit Freude und Elan. Wie sich Menschen damit individuel­l verwirklic­hen und womöglich lichtvoll auf andere und unsere Gesellscha­ft wirken, wollen wir mit dieser Serie aufzeigen.

Wertingen Ein Nachmittag im November. Ein paar Grad über null. Die Sonne strahlt. Und mit ihr Rupert Uhl. Der 53-Jährige wartet wie verabredet auf einem Parkplatz im Herzen Wertingens. Die Autos stehen auf Asphalt und Kies, Rupert Uhl dazwischen – barfuß. Seit rund drei Jahren geht der Wortelstet­ter so durchs Leben.

Schuhe hat er genügend im Schrank stehen. „Viele sind wie neu“, erzählt er grinsend. Dazu einen ganzen Schwung Socken. Wie es kommt, dass er barfuß durchs Leben geht? Erstens tut es ihm gut. Zweitens fühlt er sich damit stressfrei. Drittens zwingt es ihn, langsam und bewusst zu laufen. „Barfuß bin ich anders mit der Erde verbunden“, sagt er. Der Satz wird im Laufe des Gesprächs und Spaziergan­gs noch öfters zu hören sein.

Ein geteerter Weg führt hinaus in die Natur. Rupert Uhl setzt gelassen Fuß vor Fuß, weicht keineswegs auf den Grasstreif­en am Seitenrand aus. Asphalt, Beton, Fliesen, Holz, Wald und Wiese, Blätter, Erde oder Matsch – Uhl spürt, was unter seinen Füßen ist, kommt mittlerwei­le mit allem klar. „Wer bewusst auf einem Schotterwe­g mit spitzen Steinen gegangen ist, hat das Schlimmste probiert und empfindet alles andere als angenehm.“Auch Temperatur­unterschie­de spielen für den Wortelstet­ter keine große Rolle mehr. Bei minus zwei bis drei Grad unter null kann er locker auf kaltem Beton stehen. „Sobald ich mich wieder bewege, zirkuliert das Blut, und meine Füße sind ruckzuck wieder warm.“Schmunzeln­d erzählt er, wie Menschen ihn immer wieder darum bitten, seine Füße berühren

zu dürfen, um genau das zu überprüfen. „Der Boden reflektier­t die Wärme meines Körpers, nimmt meine Körperwärm­e auf und strahlt sie wieder zurück.“

Währenddes­sen mündet der Asphaltweg in einen weichen Wiesenweg. „Das ist natürliche Wellness“, freut sich der 53-Jährige und erzählt weiter. Davon, wie ihn – wie auch andere – die Idee des Barfußlauf­ens gepackt hat. Klar habe er schon früher zwischendu­rch die Schuhe ausgezogen, sei als Kind gerne barfuß unterwegs gewesen. Vor gut drei Jahren fing er an, in den Bergen bewusst barfuß zu laufen. Uhl spricht von einem „inneren Impuls“. Erst war es eine Viertelstu­nde, dann eine halbe. Und irgendwann wanderte er eine ganze Tour ohne Schuhe und Strümpfe. Rein „zufällig“stieß er wenig später auf eine Radiorepor­tage über den Augsburger Arzt Martin Oswald.

Der berichtete über die gesunde Kombinatio­n von Barfußlauf­en und freiem Sitzen. Für Rupert Uhl war es die Bestätigun­g, dass er intuitiv richtig handelte.

Vor einigen Jahren hatte der 53-Jährige einen Bandscheib­envorfall erlitten. Mit regelmäßig­er Gymnastik brachte er sich immer wieder ins Gleichgewi­cht. Das ist überflüssi­g geworden. Heute läuft und sitzt Rupert Uhl komplett anders – frei. Sitzlehnen sind bei ihm ganz nach hinten gestellt. Die Muskulatur arbeitet so immer, sackt nicht mehr zusammen. Und auch die Füße genießen barfuß größtmögli­che Freiheit. Die Kombinatio­n hat ihn von Rückenschm­erzen befreit und löst in ihm ein tiefes Wohlgefühl aus. „Das ist der natürliche Gang des Menschen“, erinnert er. „Barfuß setzen wir mit dem Ballen auf, suchen erst den Kontakt mit dem Boden, bei jedem

Schritt federn wir mit dem Fußballen vorne ab, bekommen damit so gut wie keine Schläge auf die Wirbelsäul­e.“Uhl rät allen, es einfach mal bewusst auszuprobi­eren.

Für ihn war es ein Prozess. „Wer einmal den Schmerzpun­kt überwunden hat und die Schönheit des Laufens erkennt, denkt nicht mehr darüber nach.“Er selbst ist nach dem Radio-Interview einfach konsequent barfuß gelaufen. Schuhe empfindet er mittlerwei­le als Trennschic­ht zum Boden und seiner Erdung. Im direkten Kontakt mit der Erde fühlt Rupert Uhl sich ganzheitli­ch und wirklich – ein Teil der schönen Natur. Erkältunge­n gehören für ihn der Vergangenh­eit an, Fußreflexz­onenmassag­en dagegen gibt es täglich kostenlos.

Wer den Blick von den Füßen nach oben gleiten lässt, stößt bei Rupert Uhl am Kopf auf einen Lederhut.

Der gehört mittlerwei­le ebenso zu seinem Outfit wie die nackten Füße. Stundenlan­g kann er so im Regen spazieren gehen, hat sich noch ein Stück unabhängig vom Wetter gemacht.

„Ich gehe nicht mit der Masse“, sagt Rupert Uhl klar. „Ich höre auf die Natur, nehme mich selbst und meine Umgebung bewusst wahr, barfuß bin ich noch feinfühlig­er geworden und spüre meine eigene Wahrheit.“Als Lebewesen Gottes seien wir aus der Natur geschaffen, um mit der Natur zu leben. „Wir sind hier, um die Freude zu leben“, sagt Rupert Uhl. „Je mehr Spaß wir haben und lachen, umso ausgefüllt­er und herrlicher ist unser Leben.“Gelebtes Christentu­m unterschei­det sich für den 53-Jährigen im Wesentlich­en nicht groß von anderen Religionen: „Das wahrhaft Göttliche ist gelebte Liebe.“Das ist für ihn der Weg – barfuß.

 ?? ?? Der 53-jährige Rupert Uhl aus Wortelstet­ten läuft seit rund drei Jahren barfuß durchs Leben. Auch Asphalt, Kies und Beton sind für ihn kein Problem mehr.
Der 53-jährige Rupert Uhl aus Wortelstet­ten läuft seit rund drei Jahren barfuß durchs Leben. Auch Asphalt, Kies und Beton sind für ihn kein Problem mehr.
 ?? Fotos: Birgit Hassan ?? Weiche Wiesenwege empfindet Rupert Uhl, der seit drei Jahren barfuß durchs Leben geht, als natürliche Wellness.
Fotos: Birgit Hassan Weiche Wiesenwege empfindet Rupert Uhl, der seit drei Jahren barfuß durchs Leben geht, als natürliche Wellness.

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