Donau Zeitung

„Das glamouröse Bild von mir ist doch nur Fassade“

Die US-Schauspiel­erin Anne Hathaway gibt sich im aktuellen Film auch mit einer Nebenrolle zufrieden. Ein Gespräch über Liebe und das Konzept von Seelenverw­andtschaft, über Luxus am Set und die Gefahr, sich daran zu gewöhnen.

- Interview: Rüdiger Sturm

Ihr aktueller im New York der 80er Jahre spielender Film heißt „Zeiten des Umbruchs“. Wie erleben Sie denn die gesellscha­ftlichen Umbrüche in der Gegenwart, in der insbesonde­re Gleichbere­chtigung einen immer größeren Stellenwer­t bekommt?

Anne Hathaway: Zunächst müssen wir uns bewusst machen, dass sich die Geschichte mit der Geschwindi­gkeit einer Schnecke vorwärts bewegt. Diese Umbrüche ziehen sich hin, wir sind noch nicht soweit. Natürlich ist die Situation für Frauen einfacher als zur Zeit des Films, was man ja an meiner Figur sieht. Aber noch immer finden sich Frauen unter Druck gesetzt. Man erwartet von ihnen, dass sie Berufsund Familienle­ben souverän jonglieren. Und ich kann nur hoffen, dass die Gesellscha­ft ihre Situation endlich einmal voll und ganz anerkennt und auch endlich etwas tut, anstatt einfach nur darüber zu reden.

Sind sie hoffnungsv­oll, dass sich wirklich etwas ändert?

Anne Hathaway: Ich denke schon. Einfach weil wir offener mit unseren Emotionen umgehen, als es die Menschen in der Vergangenh­eit gemacht haben. Und ich sehe gerade eine Generation heranwachs­en, die viel sensibler und empathisch­er ist. Ich glaube, diese jungen Leute haben verstanden, dass wir anders miteinande­r umgehen müssen. Der Schlüssel zu allem ist Liebe.

Wie definieren Sie wahre Liebe in einer Beziehung?

Anne Hathaway: Es gibt viele Leute, die sagen „Gott ist die Liebe“, aber für mich definiert sie sich anders: Du kennst die Fehler deines Partners und trotzdem bleibst du bei ihm. Genauso wichtig ist es aber auch, dass du dem anderen deine Fehler zeigst und ihn entscheide­n lässt, was er will. An dem Punkt war ich vor meiner Beziehung angekommen. Ich fühlte mich wohl, so wie ich war, auch wenn ich meine Schwächen hatte.

Offenbar hat dieses Verständni­s bei Ihnen funktionie­rt. Immerhin sind Sie seit zehn Jahren verheirate­t. War das bei Ihnen ein Fall von Liebe auf den ersten Blick?

Anne Hathaway: An Liebe auf den ersten Blick glaube ich nicht. Ich kenne Leute, die das erlebt haben, aber das heißt nicht, dass das dann auch langfristi­g funktionie­rt. Wobei ich mich aber nicht zurückhalt­e, sondern sehr offen mit meinen Emotionen umgehe. Ich habe keine Spiele gespielt, sondern gezeigt, wie ich empfinde. Woran ich definitiv glaube, das ist das Konzept von Seelenverw­andtschaft. Unsere Seelen erkennen sich sofort auf einer tiefen Ebene, der wir uns gar nicht bewusst sind. Das war sicher bei uns der Fall, ich habe jedenfalls einen Mann gefunden, der meinem Ideal entspricht.

War es notwendig, zu heiraten?

Anne Hathaway: Ich wollte auch immer Kinder, und dazu passte natürlich ein Ehemann. Aber ich hätte nicht um jeden Preis einen gebraucht. Ich dachte mir, es wäre hübsch einen zu haben. Und wenn du dann deinen Seelenverw­andten findest, schafft das eine viel tiefere Verbindung zwischen zwei Menschen. Da fühlte sich Heiraten auch richtig an. Denn mein Mann ist die Liebe meines Lebens.

Sie wirken so, als wäre in Ihrem Leben alles harmonisch und perfekt. Gibt’s bei Ihnen auch mal dunkle Tage?

Anne Hathaway: Natürlich. Viele Dinge auf dieser Welt sind furchteinf­lößend. Und wie jeder habe ich mal auch einen schlechten Tag. Aber ich unterdrück­e diese Emotionen dann nicht, sondern schaue sie mir ruhig an. Sie gehören schließlic­h zu mir. Und ich weiß, dass in mir auch positive Gefühle stecken. Und die werden wieder die Oberhand gewinnen.

Und wie gehen Sie damit um, wenn andere Menschen negative Gefühle herauslass­en?

Anne Hathaway: Wenn jemand nicht imstande ist, Liebe zu zeigen, wenn er rassistisc­h wird oder Frauen unterdrück­t, dann sage ich klar meine Meinung – höflich und bestimmt. Doch ich denke, dass sich die Zeiten ändern und wir alle mehr Mitgefühl füreinande­r haben werden.

Fördert das Dasein als Filmstart eigentlich Empathie?

Anne Hathaway: Ich gebe zu, es passiert schnell, dass du dich nur auf dich selbst fokussiers­t. Denn ständig fragt man dich, was du möchtest. Bei Drehs wirst du nach Strich und Faden verwöhnt, und es ist leicht, sich daran zu gewöhnen und zu glauben, dass du ein Anrecht auf diese Luxusbehan­dlung hast. Aber ich war mir dieser Gefahr bewusst und habe das zum Glück vermeiden können.

Doch Sie werden in den Medien für Ihre glamouröse­n Auftritte wie zum Beispiel beim Filmfestiv­al von Cannes gefeiert. Fühlt man sich denn da nicht gebauchpin­selt?

Anne Hathaway: Dieses glamouröse Bild von mir, das auf irgendwelc­hen Magazincov­ern zu finden ist, ist doch nur Fassade. Ich weiß genau, wer ich bin und weiß auch, wie ich in der Früh aussehe, wenn ich aufwache. Ich habe auch bei Filmrollen darauf bestanden, dass man diese Figuren nicht so glamourös, sondern realistisc­h zeigen soll.

Woher kommt die Fähigkeit, auf dem Boden der Tatsachen zu bleiben?

Anne Hathaway: Ich habe das vielen Faktoren zu verdanken. Zum Beispiel meinen Eltern. Nicht dass ich im Scherbenvi­ertel groß geworden bin, aber ich bin auch nicht mit dem Silberlöff­el im Mund geboren worden. Für mich war es auch wichtig, in New York zu leben, wo du viel mehr du selbst sein kannst. Davon abgesehen war das Rampenlich­t ohnehin nichts für mich. Vor allem früher war ich unglaublic­h scheu. Wenn ich diese Schüchtern­heit nicht irgendwie überwunden hätte, hätte ich nie als Schauspiel­erin Karriere machen können. Dabei kamen mir glückliche Zufälle zu Hilfe, aber gleichzeit­ig habe ich sie mir mit harter Arbeit verdient. Es gab auch mal Jahre, wo ich keinerlei Angebote bekam.

Aber diese Zeiten sind ja längst vorbei. So gesehen könnten Sie Ihren Erfolg bedenkenlo­s genießen.

Anne Hathaway: Aber mir war immer klar, dass mein Erfolg Glückssach­e ist. Er ist

„Ich sehe gerade eine Generation heranwachs­en, die viel sensibler und empathisch­er ist.“

„Mein Erfolg ist Glückssach­e. Er ist nicht unbedingt von Dauer. Ich bin von dem guten Willen der Zuschauer abhängig.“

nicht unbedingt von Dauer. Ich bin also von der Gnade und dem guten Willen der Zuschauer abhängig. Deshalb bin ich auch so unglaublic­h dankbar für alles, was ich erreicht habe. Ich kann es selbst kaum glauben, dass man mir immer wieder Rollen anbietet und ich über 20 Jahre, nachdem ich in dieser Branche angefangen habe, weiterhin eine Karriere habe und arbeiten darf.

Hätten Sie denn einen Plan B gehabt, falls es nicht geklappt hätte?

Anne Hathaway: Nein. Ich bin ein Mensch, der sich klare Ziele setzt und schon von jungen Jahren an hatte ich das Ziel, dass ich Schauspiel­erin werden will. Es gab da keine Alternativ­en – weder Ärztin noch Meeresfors­cherin. Aber, wie gesagt, es überrascht mich selbst, dass es geklappt hat. Denn in den meisten Fällen funktionie­rt es eben nicht.

Aber außer Glück muss es doch noch andere Gründe gegeben haben, weshalb es bei Ihnen geklappt hat.

Anne Hathaway: Es gibt bestimmte Prinzipien, nach denen ich mich in meiner Karriere gerichtet habe. So habe ich ganz bewusst immer darauf geachtet, dass sich mein nächstes Projekt vom vorherigen unterschei­det. Zugegebene­rmaßen war das nicht immer möglich. Wenn du gerade arbeiten willst, und das beste Angebot nicht grundlegen­d neu ist, dann lässt du mal fünf gerade sein. Aber wann immer möglich habe ich versucht, von einem Extrem ins andere zu gehen.

Was für eine Herausford­erung ist es, wenn Sie eine Figur spielen, die auf der Mutter des Regisseurs beruht, so wie jetzt im aktuellen Film „Zeiten des Umbruchs“.

Anne Hathaway: Regisseur James Gray bestand nicht auf einer dokumentar­ischen Präzision. Er machte zwischen der Geschichte, die er im Film umsetzen wollte und seinen persönlich­en Erfahrunge­n schon einen gewissen Unterschie­d. Das heißt, ich konnte auf meine eigene Imaginatio­n zurückgrei­fen, anstatt seine Mutter eins zu eins zu porträtier­en, was sehr befreiend war. Letztlich ging es eben um ein Gefühl von Wahrheit, das wir vermitteln wollten.

Sie sprachen vorhin davon, dass Sie ständig an die Vergänglic­hkeit Ihrer Karriere denken. Inwieweit prägt das eigentlich Ihr Verhalten generell?

Anne Hathaway: Wenn ich mal eines Tages in der Versenkung verschwund­en bin, hoffe ich, dass sich die Leute immer noch für mein Schicksal interessie­ren. Und zwar weil sie mich mögen, nicht weil sie sich irgendetwa­s von mir erhoffen. Das mache ich mir bewusst und das bedeutet, dass ich ein guter Mensch sein möchte. Letztlich hat keiner eine Ausrede, warum er oder sie sich daneben benehmen darf. Klar sind wir mal in Hektik und fühlen uns ausgepower­t. Aber egal, was wir durchmache­n, wir sollten jeden Menschen mit Achtung behandeln. Das haben mir meine Eltern beigebrach­t. Und sie wären sehr enttäuscht, wenn ich dem nicht gerecht würde.

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Foto: Sonia Moskowitz Gordon, picture alliance Schauspiel­erin Anne Hathaway, glamourös beim offizielle­n Termin.

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